Umgang mit Geschäftsgeheimnissen „Da kann man schon mal über eine fristlose Kündigung nachdenken“

Quelle: imago images

US-Präsident Joe Biden bunkerte offenbar geheime Akten in seinen privaten Räumen. Nun verfolgen ihn die Ermittler. Wenn der Arbeitslaptop im Zug liegen bleibt oder die falsche Mail weitergeleitet wird, kann das auch für Manager unangenehme Folgen haben, berichtet Arbeitsrechtler Sebastian Maiß.

  • Teilen per:
  • Teilen per:

WirtschaftsWoche: In Joe Bidens Wohnung entdeckte man geheime Akten, die er dort gar nicht hätte mithin nehmen dürfen. Was tun Unternehmen, um ihre geheimen Unterlagen zu schützen?
Sebastian Maiß: Daten, Akten, Projektunterlagen oder gar Arbeiten an künftigen Patenten kennzeichnen professionelle Unternehmen von vornherein mit Sätzen wie „Vertraulich“ und „Darf nicht aus der Firma entfernt werden“ oder sichern sie technisch gegen unberechtigten Zugriff. Außerdem stellen sie vorher Richtlinien auf oder erteilen Weisungen, wie Manager, Führungskräfte und Mitarbeiter mit solchen Geheimpapieren umzugehen haben. Es fängt damit an, dass sie diese – wenn sie im Homeoffice verwendet werden sollen – in einem verschlossenen Schrank aufbewahren müssen. Oder die Akten dürfen nicht so platziert werden, dass zum Beispiel die Teilnehmer einer Videositzung den Aufdruck auf dem Aktendeckel entziffern können.

Und wenn ein Angestellter gegen diese Vorgaben verstößt?
Dann verhält er sich arbeitsvertragswidrig und riskiert eine Abmahnung, die Kündigung oder schlimmstenfalls sogar die fristlose Kündigung. Das ist dann angemessen, wenn besonders viel auf dem Spiel steht. Etwa wenn ein Angestellter eines Chemieunternehmens die Unterlagen für ein Patent, das noch in der Entwicklung ist und auch noch nicht zum Patent angemeldet ist, ohne Erlaubnis mit nach Hause nimmt. Mir ist ein Fall bekannt, in dem ein Mitarbeiter solche Unterlagen in der Bahn liegen ließ – dann kann man schon mal über dessen fristlose Kündigung nachdenken.

Was passierte da genau, wie hoch war der Schaden?
Die Tasche blieb verschwunden, zum Glück. Wahrscheinlich wurde sie einfach vernichtet. Aber stellen Sie sich vor, der Ordner wäre in die falschen Hände geraten und hätte Erpresser auf den Plan gerufen. Oder er wäre bei der Konkurrenz gelandet, die hätte das Wissen genutzt und selbst das Patent angemeldet. Die ganzen Entwicklungskosten wären vergeblich aufgewendet worden.

Zur Person

Und wenn Mitarbeiter selbst Opfer sind? Wenn ihnen etwa der Laptop im Zug gestohlen wird?
Hat der Mitarbeiter fahrlässig gehandelt, muss er dennoch zumindest mit einer Abmahnung rechnen. Gab es aber eine Anweisung seines Arbeitgebers, dass die Unterlagen die Firma nicht verlassen dürfen, lag der Verstoß gegen seinen Arbeitsvertrag ja bereits im Entfernen aus dem Betrieb und das für sich genommen war zumindest grob fahrlässig. Entscheidend bei der Beurteilung ist letztlich, wie präzise die Vorgaben eines Unternehmens sind. 

Wie verhält es sich mit dienstlichen E-Mails, die sich Mitarbeiter auf ihre privaten Mailaccounts schicken? Das geschieht ja oft mit guten Absichten, zum Beispiel um ein Projekt außerhalb der Arbeitszeit fertigstellen zu können.
Auch das ist heikel. Der Mitarbeiter liefert sich damit dem Wohlwollen des Unternehmens aus. Denn diese müssen ihrerseits den Datenschutz einhalten und solche Datenlecks vermeiden. Zudem sind solche Verstöße ein einfacher Weg, sich von Mitarbeitern zu trennen. Manchmal passieren bei solchen Aktionen auch handfeste Datenschutzverstöße, über die sich der Mitarbeiter gar keine Gedanken macht: So wie in einem Fall, wo ein Mitarbeiter die Einladung zur Weihnachtsfeier an seinen privaten Account weiterschickte. Ihm war entgangen, dass diese Einladung einen riesigen Verteiler hatte, auf dem nicht nur die Mailadressen aller Kollegen standen, sondern auch noch die einiger Geschäftspartner. Ein klares No-Go.



Besondere Sorge haben Arbeitgeber auch um interessante Fakten wie interne Preislisten und Kalkulationen. Wie können sie diese schützen?
Da helfen gesonderte Zugriffsrechte, damit nicht jeder Sachbearbeiter auf Geschäftsgeheimnisse auf dem Firmenserver zugreifen kann. Aber manchmal interessieren sich Mitarbeiter, die schon die Kündigung eingereicht haben und auf dem Absprung sind, für solche Interna, um sich bei dem nächsten Arbeitgeber beliebt zu machen. Ich habe schon erlebt, wie so jemand bei einem Geschäftspartner anrief und versuchte, diesem Preislisten des aktuellen Arbeitgebers im Tausch gegen ein gutes Jobangebot zu unterbreiten. Doch der hatte schon mitbekommen, dass der Betreffende bald die Firma verlassen sollte und informierte postwendend den Geschäftsführer.

Wie konnte er das wissen?
Der Geschäftsführer war so clever gewesen, seine Hauptkunden über den bevorstehenden Weggang des Vertrieblers zu informieren und hatte ihn gebeten, weitere Korrespondenz nur noch direkt über ihn selbst zu führen.

Gehälter „In Unternehmen macht sich eine Vollkaskomentalität breit“

In deutschen Unternehmen herrscht ein verqueres Leistungsdenken, sagt Interimsmanager Ulvi Aydin. Er schlägt vor, den Teamgedanken zu hinterfragen – und High Performern mehr zu zahlen als ihren Chefs.

Aktien Fünf gefallene Börsenstars mit der Hoffnung auf ein Comeback

Mehrere frühere Börsenlieblinge sind jetzt günstig zu haben. Ihre Kursschwäche hat Gründe – aber es gibt gute Argumente für eine Erholung. Fünf Turnaround-Ideen für Mutige.

Baufinanzierung Sollte ich auch günstige Kredite schnell tilgen?

Die Zeiten niedriger Zinsen sind vorbei. Was heißt das für Kreditnehmer, deren Immobiliendarlehen einen niedrigen Zins hat? Sollen sie bei Geldzufluss trotzdem maximal viel tilgen?

 Weitere Plus-Artikel lesen Sie hier

Und freuen sich neue Arbeitgeber überhaupt über solche Mitbringsel?
Die wenigsten schätzen solche Tricksereien, zeigen die doch die illoyale Gesinnung des Wechselwilligen. Es gab schon Fälle, in denen ein neuer Arbeitgeber sogleich wieder kündigte und den Kandidaten gar nicht erst in seine Räume ließ.

Lesen Sie auch: Wie Intrigen am Arbeitsplatz gelingen

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%