Für die anderen ist Smith ein feiger Verräter, der seinen persönlichen Frust wegen einer geplatzten Beförderung für eine Generalabrechnung nutzte. New Yorks Bürgermeister Michael Bloomberg etwa, dessen Unternehmen ein wichtiger Goldman-Sachs-Kunde ist, nannte die Vorwürfe „irrwitzig“.
Doch egal, ob Held oder Heckenschütze – mit seinem offenen Brief hat Smith deutlich gemacht: Spätestens seit Ausbruch der Finanzkrise im Jahr 2007 gibt es immer mehr Menschen, die der Finanzbranche erst jahrelang gedient haben – um ihr dann umso entschiedener den Rücken zu kehren. Entweder, weil sie gekündigt werden und den ursprünglich unfreiwilligen Bruch zur radikalen Neuorientierung nutzen.
Raus aus dem Hamsterrad
Oder weil sie ganz bewusst aus dem sprichwörtlichen Hamsterrad ausbrechen wollen. Sich dazu entscheiden, das Höher-Schneller-Weiter nicht mehr mitzumachen, Beförderungen ablehnen und ihre beruflichen Ziele herunterschrauben. Andere wiederum steigen ganz bewusst aus, weil sie keinen Sinn mehr darin erkennen können, Geld um des Geldes willen zu mehren. Oder weil sie sich gefangen fühlen in den Mühlen eines Konzerns, in dem Hierarchiedenken jede individuelle Kreativität tötet.
Sie verzichten auf dicke Dienstwagen, hohe Boni, öffentliches Blitzlichtgewitter; engagieren sich stattdessen unentgeltlich in Wohltätigkeitsorganisationen; werden Modehändler, Ökobauer oder eröffnen ein Restaurant.
Und warum das Ganze?
Wofür auch immer sich diese Menschen entscheiden: Welche Motive bewegen sie zu diesem radikalen Schritt? Warum ist er ausgerechnet in der Finanzbranche so häufig zu beobachten? Und was lässt sich daraus lernen?
Um Antworten auf diese Fragen zu erhalten, kann man etwa nach Herzebrock-Clarholz zu Stefan Roggenkamp fahren. Als der an diesem Montagmittag die schlichten Produktionshallen inspiziert, ist kaum etwas los auf dem 7.000 Quadratmeter großen Firmengelände im Gewerbegebiet der Kleinstadt in der westfälischen Provinz.
Einkochen, abfüllen, lächeln
Trotzdem huscht ein Lächeln über das Gesicht des 42-Jährigen. „Morgens einkochen und abfüllen, dann aufladen und ausliefern – so soll es sein“, sagt Roggenkamp. Und greift sich einen kleinen Becher „Feinste Bio-Eiscreme Erdbeere“, abgepackt in kleine 100-ml-Portionen, bestellt von einem Stuttgarter Feinkostladen.
„Man muss heute in der Lage sein sich selbst neu zu erfinden“, sagt der Unternehmer, der Fertiggerichte in Bioqualität herstellt und sich „eine steile Lernkurve“ bescheinigt. „Diese Realwirtschaft, das ist noch mal eine ganz andere Herausforderung als früher.“