
Banken sind seit Ausbruch der Finanzkrise eine besonders schlecht angesehene Branche. Zu viele zweifelhafte, obszöne oder sogar illegale Geschäftspraktiken drangen ans Licht, zu viele Manipulations- und Handelsskandale wurden publik. Auch wenn die Regulierungsbehörden, Regierungen und die Banken selbst inzwischen schon viel Aufräumarbeiten geleistet haben: Banker sind immer noch bei vielen Bürgern unten durch, das Vertrauen in die Branche hat schweren Schaden genommen.
Nun legt eine wissenschaftliche Studie der Universität Zürich nahe, dass in der Unternehmenskultur der Bankenindustrie noch immer einiges im Argen liegt. Alain Cohn, Ernst Fehr und Michel Maréchal vom Institut für Volkswirtschaftslehre sind angesichts der zahlreichen bekannt gewordenen Betrugsfälle in der Bankenbranche der Frage nachgegangen, ob Bankangestellte von Natur aus weniger ehrliche Menschen sind - oder ob vielleicht die Unternehmenskultur in Banken unehrliches Verhalten begünstigt. Ihre Ergebnisse haben sie nun im Wissenschaftsmagazin „Nature“ veröffentlicht.
Eindeutiges Ergebnis
Um Antworten zu finden, entwarfen die Wissenschaftler ein Experiment mit rund 200 Bankangestellten. 128 von ihnen arbeiteten in einer Großbank, 80 Testpersonen bei anderen Banken. Sie wurden in zwei Gruppen unterteilt. Die Experimentalgruppe schworen die Wissenschaftler zunächst auf ihre berufliche Rolle ein und die damit verbundenen Verhaltensnormen ein. Die Kontrollgruppe sollte sich an den Verhaltensnormen orientieren, die für sie privat gelten.





Im Anschluss nahmen alle Probanden an einer Aufgabe teil, bei der sie durch unehrliches Verhalten ihr Einkommen um bis zu 200 US-Dollar steigern konnten. Alle warfen für sich allein zehnmal eine Münze und berichteten anschließend, wie oft sie Zahl geworfen hatten. Lag die angegebene Trefferanzahl höher als die eines Gegenspielers, winkte ihnen ein Bonus.
Das Ergebnis fiel recht eindeutig aus: Diejenigen, die sich an den Verhaltensnormen ihrer Bank orientierten, logen signifikant öfter zu ihren Gunsten als die Personen in der Vergleichsgruppe. Ihre tatsächliche Trefferzahl übertrieben sie im Durchschnitt um 16 Prozent.
Ähnlich aufgebaute Experimente mit anderen Berufsgruppen bestätigten, dass Unehrlichkeit lediglich durch die beruflichen Normen im Bankwesen ausgeprägter auftritt. In anderen Branchen waren die Testpersonen privat wie beruflich ähnlich ehrlich.





Die Bank macht ihre Angestellten zu Lügnern
Mit anderen Worten: Banker sind nicht von Natur aus Lügner, sondern ihr Beruf macht sie dazu. Die Wissenschaftler haben durch Begleitversuche festgestellt, dass es nicht die Banken sind, die Unehrlichkeit fördern, sondern das materialistische Denken.
Bankangestellte stimmen in ihrer beruflichen Rolle der Aussage überwiegend zu, dass der soziale Status vom finanziellen Erfolg abhängt. „Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass die sozialen Normen in der Bankenindustrie unehrliches Verhalten eher tolerieren und damit zum Reputationsverlust der Banken beitragen“, erklärt Maréchal, Professor für Experimentelle Wirtschaftsforschung an der Universität Zürich.
Dummerweise ist Unehrlichkeit gerade bei Geldgeschäften und Vermögensverwahrung besonders kontraproduktiv, denn die Finanzangelegenheiten sind immer auch Vertrauenssache. Insofern ist auf Ehrlichkeit fußendes Vertrauen für die Geldinstitute ein wesentlicher Erfolgsfaktor und für die langfristige Stabilität unentbehrlich.
Forscher Alan Cohn folgert aus dem Experiment daher, dass die Unternehmenskultur in Banken einen Normenwandel erfordert. Banker müssten stärker als bislang die langfristigen gesellschaftlichen Auswirkungen ihres Verhaltens im Blick behalten.
„Mehrere Experten und Aufsichtsbehörden schlagen beispielsweise vor, dass Bankangestellte einen professionellen Eid, ähnlich dem hippokratischen Eid für Ärzte, ablegen sollten“, so Cohn. Ein solcher Eid könne durch Ethiktrainings und darauf zugeschnittene Bonusregeln gefördert werden.