




In der Mittagspause war ich noch schnell in der Buchhandlung, den Reiseführer für Andalusien kaufen. Jetzt liegt er zwischen Zeitungen, Notizzetteln und Stiften auf meinem Schreibtisch vergraben. Da fällt mir auf, was ich in den nächsten beiden Arbeitstagen noch alles erledigen muss, bevor es für zwölf Tage nach Spanien geht. Ganz oben auf der Liste: Dieser Artikel über die perfekte Übergabe – und natürlich die Übergabe an meine Kollegin.
Doch schon beim ersten Recherchetelefonat wird mir klar: Das wird eng!
Sylvia Flaskamp ist Beraterin für Büroorganisation und hilft kleinen und mittelständischen Unternehmen dabei, ihre Arbeitsabläufe zu optimieren. „Bestenfalls wissen Sie einige Wochen vorher, wer Sie vertritt“, sagt die 52-Jährige.
Natürlich!
„Und über eine gute Übergabe sollten Sie sich schon ein bis zwei Wochen vor Urlaubsbeginn Gedanken machen, sonst kommt am Schluss alles geballt auf Sie zu.“
Natürlich – nicht.
Viele können es sich nicht leisten, das Handy abzuschalten
Mir bleiben noch zwei Tage. Denn ich möchte das Handy zwei Wochen lang ausschalten und den Posteingang ignorieren.
So viel Glück hat nicht jeder. Vor allem Führungskräfte und Unternehmer können es sich nicht leisten, sich vollständig von der Außenwelt abzukapseln. Zu wichtig die Entscheidungen, zu groß die Risiken.
Doch anstatt den ganzen Tag E-Mails zu checken und das Handy im Auge zu behalten, sollten unverzichtbare Entscheidungsträger ein tägliches Zeitfenster von einer Stunde vereinbaren, in dem sie notfalls ansprechbar sind. Das könnte der Arbeitgeber bei Geschäftsführern oder Vorständen sogar vertraglich regeln.
Tipps für den stressfreien Urlaub
Entspannung und Erholung stellen sich meist mit Verzögerung ein. Akklimatisieren Sie sich langsam. Leiten Sie den Urlaub mit ein paar "Puffertagen" ein. Ein, zwei Tage zu Hause, an denen Koffer gepackt und letzte Vorbereitungen getroffen werden, helfen, den Stress für Anreise zu mindern und erleichtern den Start in die Ferien.
Nehmen Sie sich während Ihrer letzten Arbeitstage Zeit, Ihre Abwesenheit vorzubereiten. Schreiben Sie eine Übergabe für Ihre Kollegen, delegieren Sie Aufgaben und richten Sie eine Abwesenheitsnotiz in Ihrem E-Mail-Programm ein.
Verzichten Sie im Urlaub möglichst auf den Gebrauch Ihres Mobiltelefons. Nutzen Sie ein privates Handy und hinterlassen Sie die Telefonnummer Ihres Hotels bei der Familie und in der Firma. Das erhöht die Hemmschwelle Ihrer Kollegen, Sie wegen Kleinigkeiten anzurufen.
Vermeiden Sie Freizeitstress im Urlaub. Nehmen Sie sich nicht zu viel vor. Sie entscheiden, wie viele Gipfel Sie erklimmen, Bauwerke Sie besichtigen oder wie viel Sonne Ihnen gut tut.
Machen Sie eine Bestandsaufnahme. Fühlen Sie sich gut erholt? Nutzen Sie nach der Auszeit den unverstellten Blick auf schlechte Angewohnheiten, die sich eingeschlichen haben. Legen Sie Ihren ersten Arbeitstag auf Mittwoch oder Donnerstag mit der Aussicht auf ein freies Wochenende. Und fangen Sie langsam an.
Für alle anderen gilt: Niemand kann von Ihnen rechtlich verlangen, im Urlaub ans Handy zu gehen oder E-Mails zu beantworten. De facto waren laut einer Bitkom-Studie in den Sommerferien 2014 aber drei Viertel der Deutschen für Chef und Kollegen erreichbar. Ein Erholungskiller, den ich in jedem Fall umgehen will. Deshalb gilt: Lieber vor dem Urlaub eine ordentliche Übergabe machen als währenddessen jeden Tag ein bisschen weiterarbeiten.
Das unterstreicht eine Studie von Sabine Sonnentag, Professorin für Arbeits- und Organisationspsychologie an der Universität Mannheim. 221 Hochschulmitarbeiter dokumentierten ihr Wohlbefinden während und nach ihres Urlaubs. Fazit: Wer sich im Urlaub negative Gedanken über die Arbeit gemacht hatte, fühlte sich danach messbar weniger erholt.
Die schriftliche Übergabe ist wichtig
Das soll mir nicht passieren. Deshalb beherzige ich auch Sylvia Flaskamps zweiten Tipp: „Schreiben Sie alle Projekte auf, die Sie momentan bearbeiten!“ Auf meiner Liste landen neun Aufgaben. Nun markiere ich die Punkte, die ich bis zu meinem Urlaub erledigen kann. Übrig bleiben vier unvollendete Projekte.
Diese muss ich jetzt so aufbereiten, dass meine Vertretung genau weiß, was zu tun ist. Die Übergabe wird übersichtlicher, wenn ich für jede Aufgabe ein eigenes Dokument anlege. Danach notiere ich die Termine, die in meine Abwesenheit fallen – und was jeweils zu tun ist:
Layout-Besprechung am Donnerstag, den 11. Juni. Bitte klären, ob zusätzliche Elemente wie zum Beispiel Grafiken gewünscht sind. Diese bei Bedarf bestellen.
Zum Schluss trage ich die Daten der wichtigen Ansprechpartner ein:
Bei Nachfragen bei Sylvia Flaskamp melden.
Die schriftliche Übergabe ist wichtig, damit die Kollegin bei Bedarf alles noch mal nachlesen kann. Klar ist aber auch: Ein ausführliches Gespräch ersetzt sie nicht. Also sitzen wir beide am Donnerstagnachmittag in unserem Zweierbüro und gehen die Aufgaben Schritt für Schritt durch. Sie hat kaum Fragen, denn wir sind ein eingespieltes Team. Dennoch führe ich das Übergabegespräch nicht am letzten Tag. So kann meine Vertreterin eine Nacht drüber schlafen – und am Freitag bei Bedarf noch mal nachhaken.