Vermeintliche Arbeitsbelastung Der Stress in unserem Kopf

Viele Menschen empfinden ihre Arbeit als enorme Anstrengung - dabei machen sie sich den meisten Stress selbst.

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"Früher hat mir meine Arbeit Freude bereitet". Diesen Satz denken oder sagen immer mehr Menschen. Doch stimmt das wirklich?

Theoretisch könnte das sein. Denn dank wirtschaftlich schwerer Zeiten sollen immer weniger Menschen in immer kürzerer Zeit immer mehr leisten. Doch diese andauernde Arbeit am oder über dem Limit zeigt ihre Spuren. Denn wahr ist auch: Wir lassen uns oft von negativer Stimmung anstecken. Eine Stimmung, in der die Lust auf Leistung dem Irrtum geopfert wird, dass "die Arbeit", "der Chef" oder "die Kunden" uns stressen würden.

Oder lassen wir uns vielleicht auch durch unsere Wahrnehmung täuschen? Die Meinungsforscher von Forsa wollten im vergangenen Jahr wissen, was die Deutschen stresst. Spitzenreiter ist – erwartungsgemäß – der Druck bei der Arbeit mit 51 Prozent. Bemerkenswert ist, dass kein Wachstum stattfindet. 2011 und 2012 lagen die Zahlen bei 51 beziehungsweise 47 Prozent.

Gleiches gilt für die im Arbeitsalltag beklagte Hektik. Sie nimmt in Zahlen objektiviert über die Jahre sogar ab! 44, 43, 40 Prozent. Unser Job wird also von Jahr zu Jahr weniger stressig.

Was bei der Arbeit stresst

Wir scheinen uns eine Parallelwelt in unserem Kopf zu erschaffen, in der wir die wechselnden Arbeits- und Lebensbedingungen schlechter bewerten als sie tatsächlich sind. Daher fühlen wir uns gestresster als wir es sind. Das schmälert die Kapazität unseres Gehirns, für das Stress ein Ausnahme- und kein Dauerzustand ist.

Der Trend zur negativen Sicht auf die Arbeit   

Bedenken wir immer, dass unsere Wahrnehmung von unseren Gedanken, Erfahrungen, Erwartungen und Gefühlen geprägt ist und von dem, was wir in unserem Alltag gewohnt sind. Es gibt derzeit eine Tendenz, Negativem größeren Raum zu geben und es sogar zu erwarten. Das führt so weit, dass in Umfragen zu Stress und Arbeit allein die Stellung der Fragen so suggestiv ist, dass eher negativ als positiv geantwortet wird. Das Ergebnis ist, dass wir irgendwann glauben, dies sei die Realität.

Ein Beispiel: Zum Thema Stress veröffentlichte die Technikerkrankenkasse 2013 eine imposante Studie. Neben dem Versuch, auch einmal etwas Positives zu fragen - ob die Arbeit Spaß mache oder ob man Weihnachten genieße -, waren die meisten Fragen Belastungsfragen.

Im DGB-Index der Gewerkschaften 2012 kamen sogar nur negative Fragen vor. Etwa: "Wie oft ist es in den letzten vier Wochen vorgekommen, dass Sie sich nach der Arbeit leer und ausgebrannt gefühlt haben?" Wenn 44 Prozent der Befragten "Sehr häufig oder häufig" antworten, dann ist das immer noch eine Minderheit. Doch in der medialen Berichterstattung heißt es, dass die deutschen Beschäftigten leer und ausgebrannt sind.

Ein anderes Beispiel: Im Gesundheitsreport 2013 der DAK wurde endlich einmal genauer hingeschaut, wie das Thema Erreichbarkeit in der Realität gehandhabt wird. Ergebnis: Nur 20 Prozent der Beschäftigten lesen häufiger als einmal pro Woche geschäftliche E-Mails in der Freizeit, fast 70 Prozent nie oder fast nie. Fast 80 Prozent bejahten die Aussage "Mein Arbeitgeber akzeptiert es, wenn ich außerhalb der Arbeitszeit nicht erreichbar bin".

Worüber klagen wir im Alltag immer wieder? Den Druck, der aus der permanenten Erreichbarkeit entsteht. Was für ein Widerspruch.

Die Unternehmensberatung Towers Watson hat in der Global Workforce Studie 2010 20.000 Mitarbeiter in 27 Ländern befragt und 67 Prozent hoch und moderat motivierte Menschen gefunden - und nur 6 Prozent nicht motivierte. Haben Sie davon gelesen?Wahrscheinlich nicht. Viel lieber werden die Ergebnisse der Gallup-Studien aufgegriffen, die von mieser Motivation und innerer Kündigung berichtet.

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