Weihnachtsmann im Interview „Manche Weihnachtsfeiern eskalieren wirklich extrem“

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„Jeder soll seine Idee von Weihnachten leben“

Sie bieten sowohl Auftritte als Weihnachtsmann an, als auch als Nikolaus. Was wird mehr nachgefragt?
Ganz klar der Weihnachtsmann, aber der Nikolaus gewinnt an Popularität. Mein erstes Nikolaus-Kostüm habe ich erst nach drei Jahren gekauft. Mittlerweile besitze ich über 70 Kostüme. Norddeutsche machen übrigens keinen Unterschied zwischen Nikolaus und Weihnachtsmann, und je weiter südlich man geht, desto mehr setzen sich Nikolaus und Christkind durch. Der Unterschied zwischen Nikolaus und Weihnachtsmann ist klar?

Erzählen Sie!
Ich sage den Kindern immer: Guckt auf die Kopfbedeckung. Der Bischof Nikolaus hat die Mitra an, einen spitz zulaufenden, hohen Hut, fast wie der Papst. Der Weihnachtsmann hat eine Bommelmütze. Und er ist übrigens nicht die Erfindung von Coca-Cola. Hoffmann von Fallersleben hat im 19. Jahrhundert ein Lied gedichtet: „Morgen kommt der Weihnachtsmann“. Erst ab 1932 hat Coca-Cola den Weihnachtsmann populär gemacht. Der Nikolaus ist wiederum zurückzuführen auf den Bischof von Myra, der vor über 1600 Jahren in der heutigen Türkei, damals im byzantinischen Reich gelebt hat. Und das Christkind ist eine Ersatzfigur für den Nikolaus, eingeführt von Martin Luther. Und heute ist es eine junge Dame, die den Christkindlmarkt in Nürnberg eröffnet. Es entwickelt sich alles weiter und ich finde es schön: Jeder soll seine Idee von Weihnachten leben. Mir ist es egal, ob Weihnachtsmann oder Nikolaus: Ich bin in beiden Figuren gleich.

Wie viele Auftritte schaffen Sie an einem Tag?
Mein Rekord liegt bei elf Termine an einem Heiligabend, das war aber schon Schwerstarbeit. Aktuell stehe ich bei neun Terminen für diesen Heiligabend, und ich hoffe, dass es dabei bleibt. Ich habe eine riesige Excel-Liste, in die ich alle meine Termine eintrage, mit Honorar und Trinkgeld. Angefangen mit dem Auftritt bei meiner Nicht vor 25 Jahren. Ende dieses Jahres werde ich wohl bei Auftritt 2953 landen.

Wie groß ist Ihr Radius?
Ich habe auch schon einen Kunden in München besucht, und bin auch schon mal nach Klagenfurt gefahren für eine Schulung.

Für einen einzigen Auftritt von Köln nach München?
Ja, warum nicht? Der war genauso dotiert wie in Köln oder Essen. Außer den Fahrtkosten: Der Kunde wollte unbedingt, dass ich Erste Klasse ICE fahre. Ok, habe ich dann gemacht. Aber da habe ich einen Supersparpreis gebucht, damit es nicht zu teuer wird.

Was machen Sie eigentlich beruflich?
Ich bin selbständig und berate Einkaufszentren im Managementbereich. Im Maschinenbau habe ich nie gearbeitet. Vorher habe ich für General Electric die Personalzielplanung gemacht. Der Weihnachtsmann ist immer schon ein Nebenher gewesen. Natürlich ist es über die Jahre zu etwas Größerem gewachsen. Mittlerweile ist meine Weihnachtsmannzeit mein Urlaub. Meine Kunden wissen schon, dass ich im Dezember nicht buchbar bin.

Warum machen Sie das eigentlich?
Als Student ging es mir natürlich noch darum, ein bisschen Geld verdienen. Aber klar: Das allein kann nicht die Motivation sein. Wer im Weihnachtsgeschäft Geld verdienen will, der verkauft Glühwein. Ich habe mal vor ein paar Jahren meinen Stundenlohn ausgerechnet: 3,12 Euro – also weit unterm Mindestlohn. Die Motivation ist davon getrieben, dass ich Spaß hatte schon am ersten Auftritt. Da ist etwas, das nicht nur denen Spaß macht, die ich beschenkt habe, sondern da ist auch für mich etwas ganz Großes drin, eine Sache, die eben: weihnachtlich ist. Wenn ich in diesem Jahr an Heiligabend neun Familien besuche, dann mache ich neun Bescherungen mit – das kann kein Mensch von sich behaupten.

Was haben Sie durch Ihre Arbeit als Weihnachtsmann über die Menschen gelernt?
Dass Menschen total unterschiedlich, vielschichtig Weihnachten feiern. Ich gehe ja auch in Altersheime und Krankenhäuser. Wie sie sich vorbereiten – ein Wahnsinn, was für eine Energie die Menschen aufbringen, in der Weihnachtszeit anderen und sich selbst eine Freude zu machen. Schenken ist davon nur ein kleiner Aspekt, das geht übers Schmücken und Einstudieren von Liedern und Gedichten. Das ist auch eine Motivation, immer weiter zu machen. Ich gehe ja in das Intimste, was die Leute haben: in ihre eigenen Stuben.

Mit Ihrer Erfahrung: Hat sich die Weihnachtsfeier in den vergangenen 25 Jahren verändert?
Dass man Kinder mit der Rute verdroschen hat, habe ich zum Glück nicht erlebt, das ist bestimmt 40 Jahre her. Als es nur Fax und Festnetztelefon gab, war das Geschäft natürlich noch ruhiger. Aber die Bescherungen sind noch so wie früher. Die Leute wollen da nichts Modernes, keine große Show. Sie halten es bewusst klassisch.

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