




„It’s a girl“ – in vielen Ländern ist das Wort „Mädchen“ immer noch immer ein Urteil, gleichbedeutend mit Armut und Ausbeutung. „Nach wie vor haben Frauen weltweit ein höheres Armutsrisiko als Männer. Im Durchschnitt sind Berufsfelder, in denen vorrangig Frauen arbeiten, schlechter abgesichert und schlechter bezahlt“, sagt Charlotte Becker, Expertin für Gleichstellungspolitik bei Oxfam Deutschland.
Bis Frauen in wirtschaftlichen Belangen überall die gleichen Chancen haben wie Männer, wird es noch 170 Jahre dauern, lautet das ernüchternde Ergebnis einer Studie des Weltwirtschaftsforums. In der Bundesrepublik sind die Bedingungen besser, aber längst nicht ideal.
Die Gesellschaft muss umdenken
„Fakt ist: Auch in Deutschland klafft eine riesige Gerechtigkeitslücke: Fast nirgends sonst in der EU verdienen Frauen im Verhältnis zu Männern im Durchschnitt so wenig. Häufig bleibt die Arbeit von Frauen ganz unbezahlt, wie das Beispiel der familiären Pflege- und Sorgearbeit zeigt“, urteilt die Oxfam-Frau. Das verlange nach einer wirtschaftspolitischen, sicher auch nach einer gesellschaftlichen Kehrtwende.
Fakten zum Weltfrauentag
Der Frauentag wurde auf Anregung der deutschen Sozialdemokratin Clara Zetkin erstmals am 19. März 1911 in Deutschland und in Nachbarländern organisiert. Seit 1921 wird er jährlich am 8. März gefeiert. 1977 erkannte die UN-Generalversammlung den 8. März als Internationalen Frauentag an.
Jedes Jahr am 8. März - dem Internationalen Frauentag - fordern weltweit zahlreiche Organisationen die volle soziale, wirtschaftliche, kulturelle und politische Gleichstellung von Frauen. Der Aktionstag 2016 steht unter dem Motto „Pledge For Parity“ (Zusicherung von Gleichheit). Auf vielen Informationsveranstaltungen geht es auch um Missstände wie Gewalt gegen Mädchen und Frauen.
Unter den knapp 81,5 Millionen Bewohnern der Bundesrepublik Mitte 2015 waren Frauen mit gut 41,4 Millionen in der Mehrheit. Insgesamt waren 47 Prozent der Erwerbstätigen in Deutschland Frauen. Viele Bereiche in Staat und Beruf spiegeln diesen Anteil allerdings nicht wieder.
Den höchsten Frauenanteil unter den ausgeübten Berufen findet man mit 99,2 Prozent bei Arzt- und Zahnarzthelferinnen. Zugleich sind es 47,8 Prozent unter Ärzten und 62,8 Prozent unter Zahnärzten. Den zweithöchsten Frauenanteil gibt es mit 97,8 Prozent bei Apothekenhelferinnen - unter Apothekern selbst sind es 80,7 Prozent.
Bei jungen Frauen war 2014 Kauffrau für Büromanagement mit 10,9 Prozent der häufigste Ausbildungsberuf - gefolgt von medizinischer Fachangestellter (7,1) oder Kauffrau im Einzelhandel (6,4). Junge Männer entschieden sich dagegen für eine Ausbildung als Kraftfahrzeugmechatroniker (7,2 Prozent), Industriemechaniker (5,3) und Elektroniker (4,1).
Im Bundestag beträgt der Frauenanteil - Stand 2015 - 36 Prozent. In der Unionsfraktion sitzen 76 Frauen 234 Männern gegenüber, bei der SPD sind es 83 Frauen und 110 Männer, bei der Linken 35 Frauen und 29 Männer und bei den Grünen 34 Frauen und 29 Männer.
In der Bundeswehr stehen Frauen seit 2001 alle militärischen Laufbahnen offen. Inzwischen leisten unter insgesamt rund 180.000 Soldaten rund 19.300 Berufs- und Zeitsoldatinnen ihren Dienst, knapp 7600 davon im Sanitätsdienst.
2014 waren 25 Prozent der Führungskräfte der obersten Leitungsebene in der Privatwirtschaft Frauen. In Ostdeutschland lag ihr Anteil bei 30 Prozent, im Westen bei 23.
Aber wie sieht es denn in den Führungsetagen der Unternehmen aus – fast zwei Jahre nach Einführung der Frauenquote? Natürlich gibt es immer wieder Musterknaben, in Deutschland gehören Ikea, aber auch Henkel ganz oben auf die Liste. „GenCEO, das Führungskräftenetzwerk für Frauen, dem ich auch angehöre, belegt eindeutig: Viele Frauen sind längst in den Top-Etagen deutscher Unternehmen angekommen. Und nicht, weil sie eine Quote erfüllen, sondern weil sie einfach die richtige Qualifikation für ihre Aufgabe mitbringen“, sagt auch Antje Neubauer, Leiterin Marketing & PR bei der Deutschen Bahn AG.
Das untermauert die Statistik: Laut dem Women-on-Board-Index der Initiative Frauen in die Aufsichtsräte hat sich der durchschnittliche Frauenanteil in deutschen Aufsichtsräten sowie Vorständen zwischen 2010 und 2016 bereits knapp verdoppelt. Auch die Anzahl der im DAX, MDAX, SDAX und TecDAX notierten deutschen Unternehmen ohne Frauen an der Spitze ist gesunken. Nur noch 25 der 160 börsennotierten Unternehmen haben keine einzige Frau an der Spitze.
Aber es gibt viele Unternehmen, in denen „Chefin“ ein Fremdwort ist. Das zeigt sich, wenn man das Wort Führungskraft genauer betrachtet. „An der Spitze eines Unternehmens sein“ kann schließlich vieles heißen. Während Teamleiterinnen und Frauen im mittleren Management in Deutschland normal sind, gibt es zwischen Vorstand, Aufsichtsrat oder gar dem Chefsessel noch gewaltige Unterschiede. Das zeigt eine Studie zur Umsetzung der Frauen- und Geschlechterquote der internationalen Rechtsanwaltskanzlei Allen Overy. Demnach sagen 75,6 Prozent der MDax-Unternehmen: Eine Frau kommt vielleicht in den Aufsichtsrat, der Vorstand bleibt Männersache. Auch 33 Prozent der Dax-Konzerne haben eine festgelegt Zielgröße von 0 Prozent, wie es in der Studie heißt.
Das passt zu Neubauers Erfahrung. „Es gibt noch zahlreiche Unternehmen mit starren Hierarchien, die sich nur schwer an weibliche Kompetenz gewöhnen können. Davon, Frauen als selbstverständlich in ihrer Führungsrolle zu verstehen und zu akzeptieren, sind wir noch um einiges entfernt, wie die vergebenen Vorstandsmandate in den DAX-30-Konzernen aussagekräftig zeigen.“
Den Mitarbeitern ist es übrigens egal, ob sie einen Chef oder eine Chefin haben, zeigt eine Umfrage der Jobsuchmaschine Jobrapido. 42 Prozent sind sogar davon überzeugt, dass Frauen im Grunde mehr Führungsqualitäten besitzen als Männer. Nur sieben Prozent gaben an, dass Männer die geborenen Chefs sind. Den übrigen 51 Prozent ist nur wichtig, dass das Betriebsklima stimmt.
Trotzdem, so Neubauer, müsse das alte Thema der Gleichberechtigung mit Weltfrauentag und anderen Aktionstagen wieder in die Köpfe der Menschen gebracht werden. „Auf diese Weise sorgt man, davon bin ich überzeugt, langfristig für Veränderung.“