Wer im Gehaltsgespräch mehr rausschlagen will, muss schon mal dick auftragen. Introvertierten und zurückhaltenden Menschen bereitet so etwas oft schlaflose Nächte. Sie tun sich schwer damit, ihre eigenen Qualitäten dem Chef gegenüber herauszustellen und Anerkennung für ihre Leistungen einzufordern. Nun zeigt eine Studie: Wer zu nett ist, bleibt in Finanzfragen schnell hintendran. Die Untersuchung für die American Psychological Association kommt zu dem Schluss, dass nette Menschen stärker Gefahr laufen, in finanzielle Notlagen zu geraten oder gar pleite zu gehen.
Dass sie gegenüber weniger liebenswürdigen Zeitgenossen finanziell leichter ins Hintertreffen geraten, liege aber nicht daran, dass sie im Allgemeinen kooperativer seien, resümieren die Studienautoren. Vielmehr sei ihnen Geld schlicht nicht so wichtig. „Wir wollten herausfinden, ob eine nette und warme Persönlichkeit mit negativen finanziellen Folgen in Verbindung steht“, erläutert Hauptautorin Sandra Matz von der Columbia Business School ihren Studienansatz.
Vorangegangene Studien hatten bereits nahegelegt, dass ein Zusammenhang zwischen Freundlichkeit und geringerer Kreditwürdigkeit und niedrigerem Einkommen besteht. Matz und ihr Kollege Joe Gladstone vom University College London untersuchten nun, ob sich diese Aussage auch für andere Finanz-Indikatoren halten ließe. Die Analyse bezog die Daten von mehr als drei Millionen Menschen aus verschiedenen Quellen, etwa Online-Befragungen und Bankdaten, ein.
Die Auswertung zeigte, dass Freundlichkeit mit mehreren Risikofaktoren für Geldprobleme einhergeht, darunter niedrigere Ersparnisse, höhere Schulden sowie auch höhere Schuldenausfallquoten. „Augenscheinlich machen sich nette Menschen weniger aus Geld und haben dadurch ein höheres Risiko für Misswirtschaft“, sagt Co-Autor Gladstone.
Überraschend auch für die Studienautoren: Der Grundstein wird schon früh im Leben gelegt. Denn der Einbezug einer über 25 Jahre angelegten Langzeit-Studie zeigte: Selbst wenn die Freundlichkeit der beobachteten Personen bereits im Kindheitsalter vermessen wurde, so bot sie immer noch eine zielsichere Prognose für das Risiko finanzieller Unsicherheiten im Erwachsenenalter.
Das individuelle Risiko netter Menschen, in finanzielle Schwierigkeiten zu geraten, hänge natürlich von der Höhe des Einkommens ab, so Gladstone. „Unsere Ergebnisse helfen dabei, einen Faktor für Geldsorgen nachzuvollziehen. Liebenswürdig und vertrauensselig zu sein geht mit finanziellen Einbußen einher – insbesondere für die, die nicht über Mittel zum Ausgleich ihrer Persönlichkeit verfügen“, resümiert Matz.
Wir haben einige Tipps für Gehaltsverhandlungen zusammengestellt – so bekommen auch Zurückhaltende und Bescheidene, was sie verdienen:
Gehaltsverhandlung: So klappt der monetäre Karrieresprung
Bereiten Sie sich konzentriert und fokussiert auf die Gehaltsverhandlung vor. Suchen Sie sich einen Mentor oder einen Coach, der ihre berufliche Situation und Weiterentwicklungsmöglichkeit objektiv einschätzen kann. „Daher sollten Sie auf keinen Fall Freunde oder Familie mit so etwas beauftragen, die haben eine verzerrte Wahrnehmung von Ihnen und Ihrer Leistung“, so Karriereberaterin Jutta Boenig.
Plant das Unternehmen, Mitarbeiter zu entlassen, vergessen Sie erst einmal die Gehaltsverhandlung. Sind die wirtschaftlichen Perspektiven allerdings durchaus positiv, könnte dies die beste Zeit für ein vertrauliches Gespräch mit dem Chef sein.
Sie sollten ganz genau wissen, für welche Arbeiten Sie wie viel mehr Gehalt verlangen können. Konzentrieren Sie sich dabei auf die Unternehmensgepflogenheiten, eine allgemeine Internetrecherche zu Durchschnittswerten hilft indes wenig.
Seien Sie sich bewusst, dass Sie für ihr höheres Gehalt auch dauerhaft mehr leisten müssen. Recherchieren Sie also am besten vorab, was auf Sie zukommt und machen Sie sich klar, ob Sie dies auch leisten wollen.
Fragen Sie nach Weiterbildungsmaßnahmen und fordern Sie mehr Aufgaben, sollten Sie sich nicht ausgelastet oder unterfordert fühlen. Das verbessert Ihren Marktwert und zeugt von Eigeninitiative.
Wie Introvertierte knifflige Situationen meistern
„Warum sollten wir Sie einstellen?“ Diese Frage macht alle Introvertierten nervös. Wem Eigenwerbung zuwider ist, der sollte schnell auf die Sachebene zurückkehren.
Die beste Antwort lautet deshalb: „Ich kann Ihre Probleme lösen.“ Dieser Satz ermöglicht es dem Bewerber, die Herausforderungen zu erläutern und seine Lösungen zu präsentieren, ohne „Ich bin sehr toll“-Floskeln. Damit zeigt er Expertise und eine strukturierte Herangehensweise. Eine ausgiebige Vorbereitung ist besonders wichtig, weil Introvertierte ihre Argumentation vor allem auf Fakten stützen – und sich durch überraschende Fragen verunsichern lassen.
Während Extrovertierte Meister des Small Talks sind und auf Veranstaltungen leicht neue Menschen kennenlernen, müssen Introvertierte andere Strategien entwickeln. Aber das muss kein Nachteil sein. Kontakte, die im ausführlichen Dialog entstehen, sind meist wertvoller als reihenweise Small-Talk-Bekanntschaften.
Tipp: Verabreden Sie schon vor solchen Terminen Gespräche via E-Mail. Zurückhaltenden fällt es leichter, schriftlich Interesse zu bekunden, als spontan auf jemanden zuzugehen. Lassen Sie sich außerdem von gemeinsamen Bekannten vorstellen, das reduziert die Hemmschwelle.
Schlagfertigkeit und spontane Einfälle zählen nicht zu den Stärken introvertierter Menschen. Deshalb ist es für sie besonders wichtig, sich vom Gesprächspartner nicht überrumpeln zu lassen. Macht dieser zum Beispiel einen konkreten Vorschlag, sollten zurückhaltende Menschen versuchen, Zeit zum Nachdenken zu gewinnen.
Das gelingt am besten, indem sie einige sachliche Nachfragen stellen. Dadurch nehmen Introvertierte nicht nur das Tempo aus dem Gespräch. Gleichzeitig strahlen sie Souveränität aus, weil sie sich von ihrem Gegenüber nicht treiben lassen. Frei nach dem Motto: Wer fragt, der führt.
Introvertierte Menschen bereiten sich auf Sitzungen meist gut vor – und kommen währenddessen häufig trotzdem nicht zu Wort. Je größer die Runde, desto unsichtbarer werden Zurückhaltende.
Zwei Methoden können helfen: Zum einen sollte sich der Introvertierte vorab überlegen, welche Aspekte ihm am wichtigsten sind, und sich fest vornehmen, dazu etwas zu sagen. Zum anderen kann er schon vor dem Treffen Allianzen schmieden. Wer könnte an der Idee interessiert sein? Wer kann die Argumentation stützen? Besonders hilfreich ist es, aus dem Kollegenkreis einen guten Verkäufer zu identifizieren – und ihn vorher auf die eigene Seite ziehen.