Werner knallhart
Hunde können eine Coronavirus-Infektion riechen Quelle: imago images

Dr. Dog: Sind wir zu stolz für Corona-Schnüffelhunde?

Hunde können souverän Krebs, drohende epileptische Anfälle und auch eine Coronainfektion erschnüffeln. Warum nutzen wir die Hundenase so selten? Demütigt uns die Überlegenheit unseres besten Freundes?

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„Hunde riechen Covid-Infizierte: Feine Nase gegen das Virus“
(taz)

„Spürhunde kommen bei Konzerten in Hannover erstmals zum Einsatz, um Corona-Infizierte zu erschnuppern – mit positivem Zwischenfazit“
(RND)

Wenige Monate nach Beginn der Pandemie war klar: Hunde können eine Coronainfektion bei Menschen an einer Probe ihrer Körperflüssigkeiten (Urin, Speichel, Schweiß) erschnuppern.

Dauer des Schnüffelns: drei, vier Sekunden! Nach dieser kurzen Zeit hätten wir mit dem Drogerie-Schnelltest-Stäbchen im Hals noch nicht einmal gewürgt.

Nur ein Beispiel. Eine Studie von Fachleuten unter Leitung der Tierärztlichen Hochschule Hannover (TiHo) in Zusammenarbeit mit der Bundeswehr hat schon vergangenen Sommer belegt: Geschulte Spürhunde sind in der Lage, die Infektion schnell und sicher zu diagnostizieren. 92 Prozent der über 5000 Proben hatten die Tiere korrekt identifiziert.

Am besten funktionierte das bei Urinproben mit einer Sensitivität (also einer Treffgenauigkeit bei Infizierten) von 95 Prozent und einer Spezifität (einer Treffgenauigkeit bei Nichtinfizierten) von 98 Prozent. Bei Schweiß lag die Genauigkeit bei 91 Prozent beziehungsweise 94 Prozent, bei Speichel immerhin bei 82 Prozent beziehungsweise 96 Prozent.

Auf solche Werte kommen die handelsüblichen Corona-Schnelltests nur bei hoher Virenlast. Hunde hingegen können, darauf deutet ein frisches Preprint einer französischen Studie hin, sogar Long-Covid erschnüffeln, also das Virus riechen, wenn die Betroffenen längst von jedem PCR-Test durchgewinkt werden. Für diese Studie wurden Schweißproben von 233 Menschen genommen, von denen 45 von Long Covid betroffen waren und durchschnittlich 15 Monate lang etwa unter Müdigkeit und Konzentrationsstörungen litten. Von diesen 45 Proben erkannten die Hunde immerhin noch 23, also knapp mehr als die Hälfte.

Lesen Sie auch: Wer hat Anspruch auf einen kostenlosen PCR-Test?

Kurz gesagt hat es Professor Holger Volk von der Klinik für Kleintiere der TiHo: „Der Geruchssinn des Hundes eignet sich hervorragend für die Erkennung von SARS-CoV-2-infizierten Personen. Zukünftige Studien im Feld sind nun notwendig, um zu zeigen, wie Hunde am besten eingesetzt werden können.“

Das hat der Mann allerdings im August vergangenen Jahres gesagt. Jetzt ist Mitte Januar. In solchem Zeiträumen werden mittlerweile Impfstoffe entwickelt. Fast.

Wo bleiben die tausenden Dr. Dogs?

Warum hören wir seit Herbst nichts von groß angelegten Schulungen mit tausenden von Hunden, die anschließend nach ganz Deutschland entsandt werden? Leichenspürhunde etwa lassen sich in einer Woche auf eine Corona-Schnüffel-Erfolgsquote von 94 Prozent trainieren. Aber einen Hund von null zu trainieren dauert viele Monate! Wann legen wir im großen Stil los? Apotheker werden in Windeseile fürs Impfen fit gemacht. Zurecht! Aber wo finden die Lehr-gänge zum Führen von Spürhunden statt? Quereinstieg von der brachliegenden Gastro hin zum Hundeführer (m/w/d). Warum nicht?
Warum stecken sich unsere Kinder in der Schule ein-, zweimal pro Woche ein Stäbchen in die Nase, oder lutschen an Lollitests, um dann am nächsten Tag zu erfahren, dass sie während der Doppelstunde Sachkunde neben einem mit Corona infizierten Kind gesessen haben? Mit einem Hund am Schuleingang wäre die Probe in vier Sekunden analysiert. Theoretisch jeden Tag minutenaktuell.

Am Flughafen ziehen wir uns vor wildfremden Menschen unsere dampfenden Mauken aus, stellen uns wie gelähmte Hampelmänner in den Nacktscanner, lassen uns von Leuten in privaten Uniformen an den Hosenstall fassen und laufen auf Socken zum Rucksack. Warum halten wir dann nicht einem Hund ein Stäbchen mit einer Achselprobe vor einen Schnüffeltrichter, wenn es doch bei Corona auch um Leben und Tod geht? Ein Hunde-Pilotprojekt am Flughafen Helsinki kam auf eine fast 100-prozentige Trefferquote.

Warum also keine Hunde als reguläre Corona-Tester an Flughäfen, vor Schulen, Werkshallen, Vergnügungsparks, Fußballstadien und Theatern, um endlich wieder groß öffnen zu können? Antwort: Weil die Politik uns das natürlich nicht zumuten will. Ein Hund! Ein Hund soll uns sagen, wie es uns gesundheitlich geht? Wie ein Arzt, der mit dem Schwanz wedelt? Als nächstes diktiert uns ein Meerschweinchen, welche Partei wir wählen sollen, oder was?

Eine Hundenase für mehr Lebensqualität

Wir können es nicht ertragen, dass unser bester Freund uns überlegen ist. Nehmen Sie das: Hunde können auch andere infektiöse und nichtinfektiöse Krankheiten erkennen, wie Malaria, Nierenentzündung oder Krebs. Sie können niedrige Blutzuckerspiegel bei Diabetikern riechen und vor anstehenden epileptischen Anfällen warnen. Weil sie sie kommen riechen. Hunde haben mehr als tausend Gene für den Geruchssinn. Die Nase ist nicht nur niedlich, sondern zum Schnuppern genial geformt und ermöglicht einen optimierten Luftstrom zum Riechen. Hundenasen haben vierzigmal mehr Riechrezeptorzellen als Menschennasen und deshalb kann ein Hund einen einzigen Tropfen einer Flüssigkeit in 50 Millionen Litern Wasser erkennen. Das sind zwanzig Olympia-Schwimmbecken.

Warum nutzen wir diese geniale Nase so selten? „Wenn der politische Wille und das Interesse daran so stark wären wie bei den Antigentests, könnten wir morgen schon durchstarten“, wird Holger Volk von der TiHo von National Geographic im Zusammenhang mit Corona zitiert.

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Und wenn Corona einmal rum ist, dann schulen wir die Hunde auf Krebs um oder auf Epilepsie, Diabetes oder Harnwegserkrankungen. Und wer weiß, was noch alles kommt? Das hat doch wirklich Zukunft. Ich finde es sympathisch, dass die Kosten für einen solchen Test bei Dr. Dog sich in etwa belaufen werden auf die eines Leckerlis.

Wollen wir nicht einmal bewundernswert unkonventionell erfolgreich sein? Dann aber schnell. In Hundejahren dauert es noch länger.

Unser Kolumnist Marcus Werner schreibt über die alltäglichen Nebensächlichkeiten in der Wirtschaft, die es wert sind, liebevoll aufgeblasen zu werden. Den Autor erreichen Sie auch über LinkedIn.

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