Werner Knallhart
Quelle: imago images

Stöckelschuhe im Flugzeug sind aus der Zeit gefallen

Eurowings hat gerade im November seinen 1000. Flug gefeiert, auf dem das Personal Sportschuhe tragen darf, und behauptet, eine Diskussion in der Branche losgetreten zu haben. Gucken Sie denn der Cabin Crew auf die Füße?

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Jeder erste Freitag im Monat ist bei Eurowings zurzeit „Sneaker Flyday“. Da sind die Angestellten an Bord in weißen Puma-Turnschuhen mit Eurowings-Logo unterwegs. Eurowings haut zum großen 1000.-Turnschuhflug-Jubiläum extra eine Pressemitteilung raus. Und ich frage mich wirklich – und das meine ich aufmunternd: Interessiert das jemanden außer den Airline-Mitarbeitern und -Mitarbeiterinnen selber?

Machen wir uns klar: An den anderen Tagen tragen die Flugbegleiterinnen – wie sagt man? – Stöckelschuhe. High Heels. Auf einer Flugreise! Auf der die Passagiere ihre Füße nicht selten in Kompressionsstrümpfe stopfen und auf denen dann ohne Schuhe auf die Toilette gehen.

Nun ist Eurowings nicht die erste Airline, die den Bediensteten bequemes Schuhwerk zubilligt. Aber eine der wenigen. Und jetzt überlegen wir mal bitte gemeinsam: Was soll das Ganze? Vor allem das mit dem 353 Tagen pro Jahr mit unbequemerer Eurowings-Uniform?

Die Airline Virgin Atlantic verkündet, dass Mitarbeiter ihre Tätowierungen „stolz zeigen können“. Welche Berufe in Deutschland von solchen Freiheiten noch weit entfernt sind – und welche Rolle dabei die Motive spielen.
von Claudia Tödtmann

1. Fliegen ist nicht elegant

Ginge es den Airlines beim Fliegen wirklich um eleganten Lifestyle, unsere Flugzeuge sähen anders aus, die Snacks an Bord wären keine Instant-Nudelsuppen, es wäre einfach VIEL MEHR PLATZ, HERRJEMINE!!! Alles in der Economy Class ist seit Jahren auf das limitiert, was einem Menschen körperlich gerade noch zumutbar ist, ohne dass er seine Vitalfunktionen einstellt. Kinners, mittlerweile kostet es sogar extra, wenn man sein Gepäck über dem Kopf verstauen möchte! In der Holzklasse verströmt am meisten Eleganz und Luxus der auf das Duty-Free-Wägelchen gequetschte Karton mit der Aufschrift Chanel No. 5.

Aber machen wir uns nichts vor: Die Business Class bietet auch nicht mehr als das, was Sie in jedem halbwegs aufgemotzten Kinocenter für 20 bis 30 Euro pro Abend geboten bekommen: breitere Sitze, verstellbare Lehnen, Wein, Bier, Longdrinks und Snacks am Platz. Nur zahlen Sie sich an Bord für ein paar Stunden Zoopalast-Prestige dumm und dämlich.

Man mag sich das leisten können, aber der Ertrag ist mager: Auf einem knapp sechseinhalbstündigen Flug von Frankfurt nach Dubai (Dauer entspricht drei Kinoabende) mit Emirates schlägt der Komfortgewinn statt mit 590 Euro (Economy) mit mindestens 3147 Euro zu Buche, also mit mehr als dem Fünffachen. Für einen Zeitraum, in dem Sie sonst im Zug inklusive ICE von Berlin nach Aachen fahren können. Mit gutem Wein aus dem Bordrestaurant.

Und weder im Kino noch im ICE benötigt jemand zur Rückversicherung seines sozialen Status ein Service-Team in High Heels. Selbst die First Class ist ja wohl ein Kompromiss zwischen Lebensqualität und Flugzeug. Ginge es Ihnen für Ihre 10.000 Euro besser, wenn das für Sie zuständige Service-Personal zehn Stunden lang die Füße konservativ kleidet? Ich frage:

2. Wer guckt an Bord auf die Schuhe?

Bei der Crew im Cockpit nicht ein einziger Passagier. Da vorne könnten die in Lederharnisch und Strickhoodie mit Biene-Maja-Applikationen sitzen. Mir wäre es vor allem wichtig, dass die sich entspannt auf ihren Job konzentrieren und dabei weder frieren noch schwitzen (solange der Autopilot noch nicht aktiv ist).

Beim Kabinenpersonal mit Passagier-Kontakt gibt es auf einer Sechseinhalb-Stunden-Reise genau drei Situationen, in denen wir deren Schuhe sehen könnten.

  • Beim Einsteigen („Welcome“): drei Sekunden
  • Beim Aussteigen („Thank you. Good bye“): nur zwei Sekunden (weil der Weg durch den Türbereich beim Aussteigen schneller durchquert wird)
  • Oben in der Luft beim Lehnen in den Gang, um zu prüfen, ob der Weg zur Toilette frei ist oder ob ein Wägelchen kommt: jeweils eine Sekunde.

Sonst nie! So wie die Crew ihre Passagiere nur bis zum Anschnallgurt wahrnimmt, nehmen wir von der Cabin Crew vorwiegend Gesicht und Hände wahr. Gangplatz-Reisende höchstens noch unfreiwillig und sehr nah Hüfte und Hintern. Von High Heels im Blickfeld zu abgerundet 99,99 Prozent keine Spur.

3. Arbeitsschutz geht vor

Flugbegleiterinnen und Flugbegleiter haben bessere Anschnallgurte als wir Passagiere. Weil sie im Notfall dem Rest der Anwesenden unverletzt beistehen sollen (und weil Passagiere wohl keine Lust haben, sich ihre Schultern festzuzurren). Warum aber sollten gerade Flugbegleiterinnen dann in staksigen Gelenkbruch-Stelzen die Evakuierung organisieren müssen? Mit High Heels darf man ja noch nicht einmal auf die aufblasbare Notrutsche.

Das bedeuten die verschiedenen Business-Dresscodes

Aber selbst, wenn wir den Teufel nicht an die Wand malen: Unser Organismus ist für so weit oben eigentlich nicht gemacht. Die kosmische Strahlung rafft uns ohne die schöne Atmosphäre davor irgendwann dahin, die Ohren knacken blöd, die Schleimhäute trocknen in der Klimaanlagenluft aus und unsere Füße laufen wegen des geringeren Luftdrucks voll mit Wasser.

Lassen wir die armen Profi-Vielflieger also doch einfach raus aus ihren unergonomischen Schuhen. Wenn im mit zwei Michelin-Sternen ausgezeichneten Restaurant Tim Raue in Berlin die Kellnerinnen und Kellner in schlicht eleganten Shirts und Sneakern auftreten, dann braucht es auch keine Stöckelschuhe und Businesstreter zu Tütensuppe über den Wolken.

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Die Airlines sollten den Teams an Bord nicht aufbürden zu retten, was an Markenimage und Fliegerei-Spirit kaum noch zu retten ist. Ich würde mich über glücklich lächelnde Gesichter freuen, weil es untenrum nicht so mehr kneift. Ja, und über echten Filterkaffee.

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