Tradition ist immer dann gut, wenn wir an etwas festhalten, was es zu bewahren lohnt. Unsere Kleiderordnungen allerdings verdienen eine Inventur. Denn der Job-Dresscode für Männer ist oft nicht sommerkompatibel.
Im Moment driften private und berufliche Kleiderstandards weit auseinander. Das ergibt hinten und vorne keinen Sinn. Besonders im Sommer.
In der heißen Jahreszeit sind es gerade die Männer, die in der Freizeit besonders blankziehen dürfen. Da rennen sie in Badeshorts mit nackten Oberkörpern im Park herum und plötzlich ist da kein Park mehr, sondern eine Einkaufs-Promenade und die Männer haben ihr T-Shirt immer noch nicht wieder angezogen. Weil es ja so warm ist und der Sommer so schön.
Im Job hingegen herrscht das genaue Gegenteil vor. Während Frauen in vielen Büros in Tops mit Spagetti-Trägern, kurzen Röcken und Sandalen vor Computer und Ventilator sitzen, herrscht bei Männern meist brutale Zugeknöpftheit: Kurzärmeliges Hemd oder T-Shirt ist schon Sommerluxus, oft herrscht Langarm- oder gar Sakkopflicht, dazu lange Hose, geschlossene Schuhe. Bloß kein Tanktop, Shorts, Sandalen oder gar Flipflops. Woran liegt das? Antwort: Daran, dass die Regeln von Männern gemacht wurden. Endlich Sommer, endlich wieder was Hübsches zu gucken. Frau Maier aus dem Controlling zeigt wieder ihr Tattoo. Männerkörper? Schön warm anziehen. Nicht, dass da einer mehr Bizeps hat als der Chef.
Tja, und so sind bis heute die Geschlechtsgenossen Opfer ihrer Vorfahren in den Geschäftsführungsetagen. Es gilt regelrecht gesellschaftlicher Konsens darüber, dass erstens ein zugeknöpft gekleideter Mann seriöser wirkt, und zweitens die meisten Körperregionen des Mannes bekleidet besser aussehen als entblößt.
Das erste Argument ließe sich natürlich leicht aus der Welt schaffen. Indem man die antrainierten Vorurteile mit guten Gegenbeispielen aushebelt. Aber das traut sich ja mal wieder kaum einer. Bis heute sitzen Banker selbst im heißen Sommer noch mit Schlips und Kragen in ihren Büros und brüten dem Feierabend entgegen, obwohl sie noch nicht mal Kundenkontakt haben und es deshalb gar nicht nötig haben, in gestriegeltem Stöffchen ihre Kompetenz zu unterstreichen.
Das wäre doch mal eine nette Kampagne: „Deutsche Bank. Weniger Krawatte. Mehr Herz.“ In Apple-Stores und modernen Sterne-Restaurants etwa werden hochwertige Waren und Dienstleistungen von den Mitarbeitern längst im T-Shirt abgewickelt. Weil seriös nicht bieder sein muss.
So kleiden Sie sich richtig
Wie kleidet man sich ordentlich? Dabei geht es um mehr als die Frage, ob mit oder ohne Krawatte. Welche Aussagen lassen sich durch welche Kleidung transportieren? Das ist keineswegs Jacke wie Hose. Ein Crashkurs.
Im Englischen heißt es „it fits“, wenn etwas passt. Daher das Wort „Outfit“. Ihre Kleidung sollte in drei Kategorien passen: Dem Anlass entsprechend, dem Typ entsprechend und der individuellen Aussage entsprechend. Genau in der Schnittmenge liegt das für sie optimale Outfit.
Anzug oder Kostüm sollten Werte wie Vertrauen und Sicherheit widerspiegeln. Das gilt auch für Mitarbeiter im Back-Office. Ein Ziel ist Understatement. Die Kleidung sollte modern und nicht bieder wirken; dunkle Business-Farben wirken am besten.
Es gilt, einen Tick schicker zu sein als im klassischen Business. Hosen mit Pullover gehen maximal in der Werbebranche. Ansonsten eher kompletter Hosenanzug oder Blazer-Hose-Kombi für Damen, Anzüge und Kombinationen für Herren. Anspruchsvoll, gehobene Qualität und dunklere Farben.
Professioneller Look ist hier unabdingbar. Klassische Kostüme, Anzüge und Kombinationen in mittleren bis dunkleren Farbtönen. Farben dürfen nicht ins Auge springen, sollten aber modern sein.
In der Werbung oder bei den Medien darf es bunter und ausdrucksstark zugehen. Hier ist Nähe angesagt und schwarze Kleidung ist da sehr hinderlich.
Für besonders große Männer empfehlen sich farbliche Unterteilungen. Also zum Beispiel blaue Hose oder roter Pullover. Das unterbricht die Größe und lässt Sie weniger lang wirken. Männer mit langen Beinen tragen am besten längere Jacken und Ärmel.
Ist Ihr Körper insgesamt kurz, empfiehlt sich farblich Ton in Ton. Farbliche Unterteilungen würden die Kürze betonen. Haben Sie kurze Beine, sollten Sie von Hosenaufschlägen absehen – und auch davon, Ärmel aufzukrempeln.
Tiefsinnige und Kreative wollen sich ausdrücken. Die Erscheinung darf Außergewöhnliches bieten, also kreativer Kragen, Schmuck, extravagante Brille oder bunte Farben. Bodenständige Typen verwenden besser natürliche Materialien und Erdtöne. Dramatiker und Extrovertierte mögen vielleicht asymmetrisch geschnittene Kleidung – sie sollten dann aber darauf achten, dass sie niemals billig wirkt. Zu sportlichen Typen passen Blau und Grün.
Sollten Sie eine schlanke Frau sein und Kleidergröße 32 bis 34 tragen, sehen Röhrenjeans super aus. Ab Kleidergröße 40 sehen Sie mit ihnen dicker aus. Es liegt also stets an der Form ihres Körpers.
Sind Schulter, Taille und Hüfte gleich breit, empfiehlt sich eine gerade Hose oder ein gerader Rock.
Die Schulter ist schmaler als die Hüfte. Hier sollten Sie Hosen und Rücke in der sogenannten A-Linie mit kurzen Oberteilen kombinieren.
Die Schulter ist breiter als die Hüfte: Hier empfehlen sich Caprihosen, Röhrenhosen und enge Röcke. Die schmalen Hosen lassen sich gut in Stiefel stecken.
Die Figur ist wie eine 8 geformt. Sie ist eine sehr weibliche Figurform. Die Röcke sind konisch geschnitten, sie werden zum Knie hin schmaler. Passende Hosen sind Hosen in Bootcut-Schnitten.
Zum zweiten Punkt: Nackte Männerbeine seien einfach unsexy. Ja, Fußballer dürften natürlich Wade zeigen (wenn bei Müller die Stutzen rutschen, machen die Damen den nächsten Sekt auf), aber beim Durchschnittsangestellten gebe es da nicht viel Reizvolles zu sehen. Sorry, Jungs, aber das haben wir uns selber eingebrockt. Denn in Wirklichkeit liegt es an den Klamotten, nicht am Bein.
Folgender Vorschlag: Setzen Sie sich mal an einem milden Sommernachmittag in ein Straßencafé und senken Sie Ihren Blick auf Schienbeinniveau. Dann warten Sie auf vorbeiflaniererde Männer in kurzen Hosen und schätzen Sie mit Blick auf die Unterschenkel das Alter ihrer Inhaber, bevor sie hochgucken. Sie werden sehen: Sie kommen ganz schön ins Schleudern. Männerbeine halten sich äußerlich erstaunlich gut. Selbst unsportliche Männer mit Hüftgold haben meist stramme Waden. Es ist wahrhaftig so: Das Bein ist das Körperteil des Mannes, das optisch am wenigsten unter der Schreibtischarbeit und dem großen Kantinenappetit leidet. Ja, das Männerbein ist die Visitenkarte des Bürohengstes!
Machen Sie die Mitarbeiter stilsicher
Und ausgerechnet das soll schamvoll verhüllt bleiben? Oh ja, es stimmt, Männerbeine sind oft haarig. Das kann einem egal sein, oder man mag es erotisch finden. Aber es ist wahrhaftig einer der Gründe, warum Männer andere Männer nicht in kurzen Hosen sehen wollen: „Nackte Frauenbeine gefallen mir besser.“ Haha! Wie ungerecht das ist, zeigt sich, wenn wir es uns mal umgekehrt vorstellen: Frauen dürfen nur im Hosenanzug, Männer in Shorts und T-Shirt.
Mit der Männerbeinphobie diskriminiert sich das betroffene Geschlecht aus reinem Chauvinismus leichtfertig selber. Wenn Frauen Bein zeigen dürfen, sollen es auch die Männer dürfen. Für ein besseres Körpergefühl an heißen Bürotagen. Denn Männerbeine sind schön. So! Die Frage darf also nicht sein, ob Männer im Job ihre Beine zeigen dürfen, sondern wie. Und da stehen die Zeichen der Zeit günstig. Denn:
1. Während vor zehn Jahren der Saum der Männershorts noch unentschlossen in der Mitte der Unterschenkel herum baumelte, enden moderne kurze Hosen seit rund fünf, sechs Jahren meist selbstbewusst straff über dem Knie. Das Männerbein darf raus.
2. Die junge Generation hat vorgelegt. Mit der nackten Fessel. Teenager und Twens begannen vor einigen Jahren, selbst im Winter ihre langen Hosen etwas hochzukrempeln. Und zeigen bis heute entweder Socken oder eben Haut. Mit Haaransatz und allem drum und dran. Das haarige Männerbein als Statement. Rasieren kann sich gerne das andere Geschlecht.
Dass Männer ihre Beine in zugegeben oft unbeholfener Art nackt zeigen, liegt daran, dass sie sich ja regelrecht genieren müssen, wenn sie es nur aussprechen: „Schatz, ich brauch mal wieder eine kurze Hose.“ Kondome kaufen ist heute längst kein Problem mehr. Kurze Hose kaufen aber ist für viele eine Schmach. Und so tragen viele ihre alten, vierzig Mal gewaschenen Vier-Fünftel-Shorts aus den Nullerjahren nicht mit Stolz, sondern aus reinem Pragmatismus. Weil es klimatechnisch eben sein muss. Und wenn die Hose schon so doof aussieht, wie von der Krankenkasse bezahlt, dann ist auch wurscht, wie die Socken und Schuhe dazu wirken. Wir Männer sind es eben selber schuld.
Eine gut ausgewählte kurze Hose ist hingegen doppelt attraktiv: Ist sie modern schlank und kurz geschnitten, wirkt ihr Träger selbstbewusst und zukunftsgewandt. Ein Verkäufer mit Ahnung vom Fach empfiehlt Ihnen dazu direkt noch passende Schuhe und Socken.
Jetzt müssen nur noch die Chefs einlenken. Als erstes die Chefinnen. Lassen Sie die Herren mit Ihnen – dem von der Männerwelt despektierlich „schönes Geschlecht“ Genannten – gleichziehen. Befreien Sie die Jungs aus der EDV aus dem textilen Käfig, schicken Sie die Mitarbeiter von Sales kurzhosenbeinig mit ihren berockten Kolleginnen auf Kundenbesuch.
Das bedeuten die verschiedenen Business-Dresscodes
Bedeutet gehobene Freizeitkleidung, also: Baumwollhose, Polohemd, Jackett. Beim Business Casual putzen sich die Leute mehr heraus: Frauen tragen Kostüm oder Hosenanzug, nicht zu hohe Schuhabsätze, unsichtbare Zehen. Männer tragen eine Kombination, die Krawatte kann im Schrank bleiben.
Meist bei Einladungen nach der Arbeit. Konservativ: Er trägt Anzug, aber keine Brauntöne. Sie: Kostüm oder Hosenanzug, aber keine großen Handtaschen mit Schulterriemen. Einzig richtig: Clutchbags – kleine Handtäschchen ohne Riemen. Rocklänge: nie kürzer als eine Handbreit über dem Knie.
Damen: halblange, elegante Kleider
Herren: dunkelgraue oder schwarze Anzüge.
Gerne zu Abendanlässen.
Er: Smoking, Hemd mit Doppelmanschetten, Kummerbund und Einstecktuch, schwarze Fliege, schwarze Schuhe.
Sie: schwarze lange Robe, Tasche (kleiner als der Kopf). Accessoires gerne farbig.
Er: Frack, weiße Weste mit tiefem Ausschnitt, Stehkragenhemd mit verdeckter Knopfleiste, weiße Fliege, Lackschuhe.
Sie: bodenlanges Abendkleid in Schwarz, Weiß oder Grau (Schultern bei Ankunft bedeckt). Zum Ballkleid geschlossene Schuhe mit Seidenstrümpfen. Findet der Ball im Hochsommer statt, auch hohe Sandaletten – dann ohne Strümpfe.
Zu eleganten Partys und Vernissagen ab 16 Uhr.
Er: dunkler Anzug, Hose mit Bügelfalte, einfarbiges Hemd, dunkle Krawatte, lässiger Schnürschuh.
Sie: das kleine Schwarze. Schultern, Dekolleté und Bein dürfen gezeigt werden.
Werden oft falsch zugeknöpft. So ist es richtig: Zweireiher immer geschlossen. Sakko mit zwei Knöpfen: ein Knopf geschlossen, wahlweise der untere oder der obere. Drei-Knopf-Sakko: beide oberen Knöpfe zu oder nur der mittlere. Vier-Knopf-Sakko: die beiden mittleren oder die drei oberen Knöpfe geschlossen. Fünf-Knopf-Sakko: alle Knöpfe bis auf den untersten bleiben zu. Frack: wird immer offen getragen. Weste: alle Knöpfe bis auf den untersten bleiben geschlossen.
Unter Sakkos tabu! Die Hemdmanschette muss unter dem Ärmel herausschauen. Richtig: Die Ärmel des Sakkos enden knapp über dem Handrücken, die Hemdmanschette schaut darunter einen Zentimeter heraus.
Klassisch aus weißer Baumwolle, modern aus farbiger Seide oder Kaschmir. Hat nie (!) dasselbe Muster wie die Krawatte, passt aber farblich dazu.
Sie reicht exakt bis zur Gürtelschnalle, nicht länger, nicht kürzer. Der Knoten darf nie so dick werden, dass er den Kragen vom Hemd abdrückt.
Ungepflegte Galoschen enttarnen jedes stilvolle Outfit als Verkleidung. Das Minimum ist ein Paar schwarzer Schnürschuhe aus Leder. Etwa ein Oxford – glatt mit schlichter Kappe. In Braun passt er auch zu Sportjacketts oder Tweedanzügen. Der Semi-Brogue eignet sich zu gemusterten Anzügen und weichen Stoffen. Auch er hat eine Kappe, die weist aber dezente Lochmuster wie beim Brogue auf. Der wird auch Budapester genannt und passt mit seinem typischen Lochmuster auf der geschwungenen Kappe und den Seitenflügeln zu Anzügen aller Art. Wirkt aber stets etwas konservativ.
Und dann die Chefs: Ja, die Beine vom Azubi Daniel haben weniger Krampfadern als Ihre eigenen. Da müssen Sie jetzt durch. Dafür verdienen Sie mehr. Das ist ja auch irgendwie sexy – vielleicht. Statt die Männerkleiderordnung simpel auf Sakko/kein Sakko/Schlips/kein Schlips/Lederschuh/Sneaker zu reduzieren und Ihr Team bei Hitze leiden zu lassen, spendieren Sie Ihrer Belegschaft eine Styling-Schulung und Typberatung. Welche Kombi geht, welche nicht? Was ziert einen schlanken Juniormanager, was einen gestandenen alten Hasen mit schweren Knochen? Investieren Sie mehr Herzblut, machen Sie die Mitarbeiter stilsicher. Und dann lassen Sie die Zügel locker.
Kleider machen Leute. Aber gut gekleidete Leute, die sich außerdem noch wohl fühlen, machen noch mehr her. Und kommen noch besser rüber. Sogar bei Hitze. Sogar mit Kundenkontakt. Sogar mit haarigen Beinen.