Werner knallhart
Quelle: Getty Images

Kurze Hosen im Büro gegen die brutale Zugeknöpftheit

In den kommenden Wochen wird die ganze Welt hunderten von Männern in kurzen Hosen bei der Arbeit zugucken. Aber was im Fußball geht, sollte auch im Büro möglich sein. Das Männerbein ist besser als sein Ruf!

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Tradition ist immer dann gut, wenn wir an etwas festhalten, was es zu bewahren lohnt. Unsere Kleiderordnungen allerdings verdienen eine Inventur. Denn der Job-Dresscode für Männer ist oft nicht sommerkompatibel.

Im Moment driften private und berufliche Kleiderstandards weit auseinander. Das ergibt hinten und vorne keinen Sinn. Besonders im Sommer.

In der heißen Jahreszeit sind es gerade die Männer, die in der Freizeit besonders blankziehen dürfen. Da rennen sie in Badeshorts mit nackten Oberkörpern im Park herum und plötzlich ist da kein Park mehr, sondern eine Einkaufs-Promenade und die Männer haben ihr T-Shirt immer noch nicht wieder angezogen. Weil es ja so warm ist und der Sommer so schön.

Im Job hingegen herrscht das genaue Gegenteil vor. Während Frauen in vielen Büros in Tops mit Spagetti-Trägern, kurzen Röcken und Sandalen vor Computer und Ventilator sitzen, herrscht bei Männern meist brutale Zugeknöpftheit: Kurzärmeliges Hemd oder T-Shirt ist schon Sommerluxus, oft herrscht Langarm- oder gar Sakkopflicht, dazu lange Hose, geschlossene Schuhe. Bloß kein Tanktop, Shorts, Sandalen oder gar Flipflops. Woran liegt das? Antwort: Daran, dass die Regeln von Männern gemacht wurden. Endlich Sommer, endlich wieder was Hübsches zu gucken. Frau Maier aus dem Controlling zeigt wieder ihr Tattoo. Männerkörper? Schön warm anziehen. Nicht, dass da einer mehr Bizeps hat als der Chef.

Tja, und so sind bis heute die Geschlechtsgenossen Opfer ihrer Vorfahren in den Geschäftsführungsetagen. Es gilt regelrecht gesellschaftlicher Konsens darüber, dass erstens ein zugeknöpft gekleideter Mann seriöser wirkt, und zweitens die meisten Körperregionen des Mannes bekleidet besser aussehen als entblößt.

Das erste Argument ließe sich natürlich leicht aus der Welt schaffen. Indem man die antrainierten Vorurteile mit guten Gegenbeispielen aushebelt. Aber das traut sich ja mal wieder kaum einer. Bis heute sitzen Banker selbst im heißen Sommer noch mit Schlips und Kragen in ihren Büros und brüten dem Feierabend entgegen, obwohl sie noch nicht mal Kundenkontakt haben und es deshalb gar nicht nötig haben, in gestriegeltem Stöffchen ihre Kompetenz zu unterstreichen.
Das wäre doch mal eine nette Kampagne: „Deutsche Bank. Weniger Krawatte. Mehr Herz.“ In Apple-Stores und modernen Sterne-Restaurants etwa werden hochwertige Waren und Dienstleistungen von den Mitarbeitern längst im T-Shirt abgewickelt. Weil seriös nicht bieder sein muss.

So kleiden Sie sich richtig

Zum zweiten Punkt: Nackte Männerbeine seien einfach unsexy. Ja, Fußballer dürften natürlich Wade zeigen (wenn bei Müller die Stutzen rutschen, machen die Damen den nächsten Sekt auf), aber beim Durchschnittsangestellten gebe es da nicht viel Reizvolles zu sehen. Sorry, Jungs, aber das haben wir uns selber eingebrockt. Denn in Wirklichkeit liegt es an den Klamotten, nicht am Bein.
Folgender Vorschlag: Setzen Sie sich mal an einem milden Sommernachmittag in ein Straßencafé und senken Sie Ihren Blick auf Schienbeinniveau. Dann warten Sie auf vorbeiflaniererde Männer in kurzen Hosen und schätzen Sie mit Blick auf die Unterschenkel das Alter ihrer Inhaber, bevor sie hochgucken. Sie werden sehen: Sie kommen ganz schön ins Schleudern. Männerbeine halten sich äußerlich erstaunlich gut. Selbst unsportliche Männer mit Hüftgold haben meist stramme Waden. Es ist wahrhaftig so: Das Bein ist das Körperteil des Mannes, das optisch am wenigsten unter der Schreibtischarbeit und dem großen Kantinenappetit leidet. Ja, das Männerbein ist die Visitenkarte des Bürohengstes!

Machen Sie die Mitarbeiter stilsicher

Und ausgerechnet das soll schamvoll verhüllt bleiben? Oh ja, es stimmt, Männerbeine sind oft haarig. Das kann einem egal sein, oder man mag es erotisch finden. Aber es ist wahrhaftig einer der Gründe, warum Männer andere Männer nicht in kurzen Hosen sehen wollen: „Nackte Frauenbeine gefallen mir besser.“ Haha! Wie ungerecht das ist, zeigt sich, wenn wir es uns mal umgekehrt vorstellen: Frauen dürfen nur im Hosenanzug, Männer in Shorts und T-Shirt.

Mit der Männerbeinphobie diskriminiert sich das betroffene Geschlecht aus reinem Chauvinismus leichtfertig selber. Wenn Frauen Bein zeigen dürfen, sollen es auch die Männer dürfen. Für ein besseres Körpergefühl an heißen Bürotagen. Denn Männerbeine sind schön. So! Die Frage darf also nicht sein, ob Männer im Job ihre Beine zeigen dürfen, sondern wie. Und da stehen die Zeichen der Zeit günstig. Denn:

1. Während vor zehn Jahren der Saum der Männershorts noch unentschlossen in der Mitte der Unterschenkel herum baumelte, enden moderne kurze Hosen seit rund fünf, sechs Jahren meist selbstbewusst straff über dem Knie. Das Männerbein darf raus.
2. Die junge Generation hat vorgelegt. Mit der nackten Fessel. Teenager und Twens begannen vor einigen Jahren, selbst im Winter ihre langen Hosen etwas hochzukrempeln. Und zeigen bis heute entweder Socken oder eben Haut. Mit Haaransatz und allem drum und dran. Das haarige Männerbein als Statement. Rasieren kann sich gerne das andere Geschlecht.

Dass Männer ihre Beine in zugegeben oft unbeholfener Art nackt zeigen, liegt daran, dass sie sich ja regelrecht genieren müssen, wenn sie es nur aussprechen: „Schatz, ich brauch mal wieder eine kurze Hose.“ Kondome kaufen ist heute längst kein Problem mehr. Kurze Hose kaufen aber ist für viele eine Schmach. Und so tragen viele ihre alten, vierzig Mal gewaschenen Vier-Fünftel-Shorts aus den Nullerjahren nicht mit Stolz, sondern aus reinem Pragmatismus. Weil es klimatechnisch eben sein muss. Und wenn die Hose schon so doof aussieht, wie von der Krankenkasse bezahlt, dann ist auch wurscht, wie die Socken und Schuhe dazu wirken. Wir Männer sind es eben selber schuld.

Eine gut ausgewählte kurze Hose ist hingegen doppelt attraktiv: Ist sie modern schlank und kurz geschnitten, wirkt ihr Träger selbstbewusst und zukunftsgewandt. Ein Verkäufer mit Ahnung vom Fach empfiehlt Ihnen dazu direkt noch passende Schuhe und Socken.
Jetzt müssen nur noch die Chefs einlenken. Als erstes die Chefinnen. Lassen Sie die Herren mit Ihnen – dem von der Männerwelt despektierlich „schönes Geschlecht“ Genannten – gleichziehen. Befreien Sie die Jungs aus der EDV aus dem textilen Käfig, schicken Sie die Mitarbeiter von Sales kurzhosenbeinig mit ihren berockten Kolleginnen auf Kundenbesuch.

Das bedeuten die verschiedenen Business-Dresscodes

Und dann die Chefs: Ja, die Beine vom Azubi Daniel haben weniger Krampfadern als Ihre eigenen. Da müssen Sie jetzt durch. Dafür verdienen Sie mehr. Das ist ja auch irgendwie sexy – vielleicht. Statt die Männerkleiderordnung simpel auf Sakko/kein Sakko/Schlips/kein Schlips/Lederschuh/Sneaker zu reduzieren und Ihr Team bei Hitze leiden zu lassen, spendieren Sie Ihrer Belegschaft eine Styling-Schulung und Typberatung. Welche Kombi geht, welche nicht? Was ziert einen schlanken Juniormanager, was einen gestandenen alten Hasen mit schweren Knochen? Investieren Sie mehr Herzblut, machen Sie die Mitarbeiter stilsicher. Und dann lassen Sie die Zügel locker.

Kleider machen Leute. Aber gut gekleidete Leute, die sich außerdem noch wohl fühlen, machen noch mehr her. Und kommen noch besser rüber. Sogar bei Hitze. Sogar mit Kundenkontakt. Sogar mit haarigen Beinen.

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