Werner knallhart
Bürokaffeekultur ist Firmenkultur. Quelle: imago images

Was der Bürokaffee über die Firmenkultur verrät

Geht der Kaffee in Ihrer Firma aufs Haus? Oder müssen Sie immer Hartgeld dabei haben? Rennt der Azubi rüber zu Starbucks? Gönnt sich Ihr Großraumbüro eine Gemeinschafts-Nespresso? All das sagt viel darüber aus, wie Ihre Firma tickt.

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Beim Kaffee geht es mittlerweile in deutschen Büros drunter und drüber. Und ich habe den Eindruck, das war nicht immer so. In meinem ersten Job als junger Redakteur bei Europas größtem Kindersender Super RTL in Köln war die Welt noch in Ordnung. Zur Jahrtausendwende stand da eine große Kaffeemaschine mit hängendem Filter.

Die Filtertüte hatte die Größe einer Badekappe. Am Ende pumpte man sich den Filterkaffee mithilfe eines großen Hebels in die Tasse, dass es nur so rauschte. Und bei wem spratzend der letzte Schluck in die Tasse schoss, der konnte den dann direkt wegkippen, denn mit dem letzten Schluck kamen immer so komische schwarze Kalkplättchen vom Kannenboden mit raus.

Ein paar Jahre später war Filterkaffee dann als billige Abfüllplörre für Koffeinjunkies verpönt. Da musste es schon eine Latte sein. Und dann kamen die Espressomaschinen in die Büros. Seitdem fehlt Deutschland die Bürokaffee-Leitkultur. Alle trinken anders. Das sagt immerhin viel aus über das Leben in der Firma.

1. Der Kaffee als Kompliment
Könnten die Deutschen am Arbeitsplatz wählen zwischen Büro mit Fenster und einer guten Kaffeemaschine, ich bin mir nicht sicher, wie das statistisch ausgehen würde. Arbeitgeber, die ihrer Belegschaft rund um die Uhr kostenlos frischen, heißen Kaffee anbieten, haben verstanden: Diese Geste sorgt für eine wohlige Grundzufriedenheit im Arbeitsalltag und hinterlässt den Eindruck von: Die Führungsetage liebt uns. Und es muss ja nicht immer ein Espresso aus der teuersten Angebermaschine mit Mahlwerk sein, die sich im Hochbetrieb großer Firmen ohnehin ständig selber reinigt wie eine gelangweilte Katze. Nein, nein. Hauptsache Kaffee satt. Der gute alte Filterkaffee tut es für die meisten ja auch. Ist ja kostenlos. Der geht runter - solange der Filter nicht umknickt…

2. Die Instantbrühe aus dem Münzautomaten
Neulich stand ich bei einem Auswärtstermin hinter einer Dame am Kaffeeautomaten. Sie warf das Geld ein und drückte auf Cappuccino. Kurz darauf fauchte der dann in einem dampfenden Strahl aus der Düse direkt ins Ablaufbecken. Die Dame kam offenbar von ganz unten - kaffeetechnisch betrachtet - denn sie ging wohl davon aus, dass vorher noch einer dieser dunkelbraunen geriffelten Becher raus geplumpst kommt.

Diese Art von Kaffeeautomaten kennt jeder aus amerikanischen Polizeiserien. Dass deutsche Arbeitnehmer ebenfalls schon auf diese Automaten konditioniert werden, tut mir sehr leid. Wer in einer Firma mit Plastikbecher-Münzautomaten arbeitet, der kassiert bestimmt auch eine Gehaltskürzung um den Anteil, den der elektrische Strom kostet, wenn er sein Handy am Schreibtisch auflädt. Das Beste an einem Plastikbecher-Münzautomaten ist die Taste „Abbruch“. In Ihrer Firma gibt es einen solchen Automaten? Sie sollten direkt über einen Abbruch der Geschäftsbeziehungen nachdenken.

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3. Das Heckmeck mit der Kaffeekasse
Es gibt Hightech-Unternehmen, die sind bei der Digitalisierung ganz vorne mit dabei, aber stellen in die Kaffeeküche ein Sparschwein für Bargeld: „pro Kaffee 30 Cent einwerfen“. Eigentlich ja kein Problem für die Bargeld-Nation Deutschland. Der Effekt allerdings:

1. Alle nölen, weil sie Kleingeld mit sich rumschleppen müssen: „Bei meiner Frau in der Firma haben se Guthabenkarten.“
2. Mangels Wechselgeld sinkt die Zahlungsmoral: „Zahl ich halt morgen“/„Ich glaub, ich habe gestern 2 Euro reingeworfen aber nur zwei Kaffees weg getrunken davon, meine ich zumindest.“
3. Das Ich-bin-doch-nicht-blöd-Phänomen: „Wenn die anderen nichts reinwerfen, weil sie es nicht passend haben, zahle ich auch nichts.“

So kommt der Arbeitgeber nicht auf seine Kosten und die Mitarbeiter nur umständlich an ihr Heißgetränk. Eine Verlier-verlier-Situation. Der positive Effekt aufs Betriebsklima verpufft. Kaffeekassen sind böse Konfliktherde. Modernes Management heißt: Kaffeekasse abschaffen.

Weg mit den braunen Riffelbechern!

4. Das selbstgemachte Kaffeekränzchen
Senseo, Tassimo, Nespresso. Da wird doch wohl ein System dabei sein, auf das sich alle einigen können. Am besten schmeckt sicherlich der Kaffee des Nespresso-Systems. Die Kapseln gibt es von vielen Herstellern in jedem Supermarkt - auch mit weniger Aluminium als die Originale von Nestlé. Wenn sich zwölf Kollegen zusammen tun und jeder gibt zehn Euro, steht einer gepflegten und handhabbaren Kaffeekultur im Büro in den nächsten Jahren nichts mehr im Wege. Ein Kapsel-Kaffee kostet dann rund 35 Cent, schmeckt aber besser als der übliche Automatenkaffee. Teambuilding in der Pause: In Firmen, in denen es so läuft, stimmt das Betriebsklima. Achtung: Wenn die Kapselmaschine in der Ecke verstaubt, ist es dringend Zeit für die Jahresgespräche.

Und für die, die nicht schon montags auf Freitag lauern wollen: Man braucht keine Work-Life-Balance, wenn Work und Life zusammenfallen. Lebensqualität im Büro - die lässt sich organisieren. Ich kenne Büros, da steht eine Edelmaschine mit Mahlwerk. Oft findet man sowas in kleinen Start-ups, die statt anstatt höhere Gehälter zu diskutieren, lieber in Konferenzen besprechen, welche Bohnensorte denn wohl gut zum Frühling passt.

Sie arbeiten in einer Firma mit Edelkaffee? Wow, Ihre Chefs bieten Ihnen doch bestimmt auch E-Bike-Leasing, einmal im Monat kostenlose Massagen, Ladestationen für Elektroautos und eine Kletterwand im Innenhof. Statt Gehaltserhöhung.

5. Der Azubi rennt
„Kommt jemand nachher bei Starbucks vorbei?“ Diese Frage zielt natürlich auf den Azubi. Der sammelt dann die Kohle ein und flitzt los. Vorteil für die Belegschaft: der Kaffee ist meist nur noch lauwarm und kann direkt getrunken werden. Vorteil für den Azubi: Er ist der Heilsbringer. Von sowas bleibt immer irgendetwas hängen. Niederschwelliges Networking nennt man das wohl. Nachteil für alle: Starbucks und diese ganzen anderen Ketten sind teuer. Firmen, deren Mitarbeiter ihren Kaffeedurst per to go stillen, müssen aufpassen: Der Belegschaft sitzt das Geld locker. In solchen Firmen wird sicher auch gerne bunt gedruckt, bei offenem Fenster geheizt und das Deckenlicht bei Sonnenschein angeschaltet, weil es so nette Contra-Akzente an den Wänden setzt.

Fazit: Bürokaffeekultur ist Firmenkultur. Wer in seiner Firma was verändern will, fängt am bestem beim Kaffee an: Weg mit den braunen Riffelbechern!

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