Werner knallhart
Schweißgeruch im Büro: Wie sage ich Kollegen „Dein Deo streikt“? Quelle: Getty Images, Montage

Wie sage ich dem Kollegen: „Dein Deo streikt“?

Bis zu 35 Grad im Büro gelten in Deutschland zumindest vorübergehend als zumutbar. Die Hitze ist das eine. Die Gerüche sind das andere. Trotz 96-Stunden-Deo kann einem ein einzelner Kollege die Stimmung im Großraum empfindlich stören. Was tun?

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Ich sage es frei heraus: Ich möchte bei dieser Sommerhitze nicht, dass jemand neben mir die Vorzüge eines Langzeit-Deos ausprobiert. Und ich kann mir auch nicht vorstellen, wie heiß es in den Marketing-Etagen von Dove (Dove Men 48h-Deo), Garnier (Garnier Men Mineral Protection 72h-Deo) und L´Oréal (L´Oréal Men Expert 96h-Deo) war, als die sich ausgedacht haben, sich auf Kunden zu stürzen, die sich tagelang nicht die Achseln waschen wollen.

Das hat noch nicht mal etwas mit Naturburschen-Romantik zu tun. Es gibt die Mehr-Tages-Deos auch für Frauen. Machen wir uns klar: Wer ein 96-Stunden-Deo kauft, der könnte sich laut Rechnung des Anbieters das Deo demnach montags nach der Dusche auftragen und am Freitag müsste er mal wieder etwas mit seiner Achselhygiene machen.

Aber wenn man sich im Bad mit Wasser und Seife um die anderen kritischen Stellen des Körpers kümmert, sollte man dann nicht noch eben die Zeit aufwenden, direkt noch schnell die Arme zu heben? In einem Aufwasch, sozusagen?

Also, aus Markenimage-Gründen finde ich ein 96-Stunden-Deo geradezu entwaffnend mutig. Oder wie nennt man das nochmal, wenn man sich in den Abgrund stürzt? Eine Kosmetikfirma wie L´Oréal, die vermittelt: Mit uns kannst du einen großen Bogen um die Seife machen. Das ist so, als würde Mercedes damit werben, dass man mit dem neuen X-Klasse Pickup ganz easy Krankenhausmüll zur Entsorgungsstation fahren kann. Oder als wenn Michael Kors in Zeitungsannoncen darauf abstellte, in seinen Damen-Handtaschen könne man bis zu acht halbe Hähnchen unterbringen. Es passt irgendwie nicht. Mir kommt es so vor, als hätten sich die Deo-Fabrikanten in ihrem Leistungs-Wettrennen verrannt. Blind vor Konkurrenzdruck galt das neue Ziel: Nie mehr waschen ist der neue Megaluxus.
So wie einst die Hersteller von Rasierklingen. Mittlerweile heißt es: Gillette Fusion 5 und Wilkinson Hydro 5. Und man fragt sich: Warum lassen die vier Klingen denn so viel stehen, dass es eine fünfte braucht? Ich habe schonmal 6er-Aufsätze gesehen. Da kriegt man allein vom Rasieren Armmuckis.

Die größte Absurdität: Ein Haarspray von Schwarzkopf mit neuer Formel. Im Kampf um Höher-Schneller-Weiter kommen die jetzt mit einem „3 Wetter Taft 7 Tage“. Oho, aha, kombiniert mit dem 96-Stunden-Deo von L´Oréal kann man die Duschkabine daheim eigentlich zu einer netten Gelkaminecke umbauen. Könnte man meinen. Aber auf der Rückseite der Taft-Flasche steht dann die Wahrheit: „3 Tage lang, bei jedem Wetter.“ Hä? Ach so, „7 Tage“ im Sinne von „für jeden Tag der Woche“? Blöd ausgedrückt. Denn wozu muss man das erwähnen? Gab es denn bislang schon Sprays für werktags und andere für Sonn- und bundeseinheitliche Feiertage?

Naja, ich komme vom Thema ab. Die Deos. Es gibt Tests in Lifestyle-Zeitschriften, bei denen sich zeigt: Einige Deos halten wirklich mehrere Tage. Ohne Witz: Die Probanden durften zwar duschen, aber mussten die Achseln aussparen. Ist das lebensnah? Gut, es gibt Situationen, da kommt man wirklich nicht dazu, sich um die Bakterien unter den Armen zu kümmern. Leute, die von einem Tyrannosaurus auf einen Baum hochgejagt wurden, haben zum Beispiel wirklich andere Sorgen als Achselgeruch. Aber sonst?
Wie sieht es etwa mit dem Großraumbüro aus? Bei diesen Temperaturen wäre es einigen Menschen angeraten, über ihre Körperpflegegewohnheiten nachzudenken. Ich sage das ohne Häme. Ich selber habe in den vergangenen Sommerwochen wieder von aluminiumfrei auf die gesalzene Aluminiumvariante umgestellt. Vorübergehend. Den Kollegen und Freunden zuliebe. Als Kompromiss zwischen persönlichem Image und Krebs.

Zwei Gruppen von Deo-Nutzern

Es gibt aber nunmal Leute, die haben eine - wie soll ich sagen? - ja, eine gedämpfte Eigenwahrnehmung. Die haben ihren eigenen Körpergeruch eingepreist und dann ihre Nase neu auf null geeicht. Die riechen sich nicht.

Ich finde, es gibt im groben zwei Gruppen, die man strikt trennen muss. Die einen sind die mit dem auf Hochtouren laufenden Deo. Das sind die meisten von uns. Wir liefern eigentlich den üblichen sommerlichen Großraumbürogeruch. So eine Mischung aus dem Duft, wenn man eine chemische Reinigung betritt, und einer Turnhallenumkleide. Ein bisschen muffig aber eben auch dieser gut gemeinte seifige Parfümduft, der Wohlwollen auslöst. Doch wem soll man da etwas vorwerfen bei 35 Grad? Darüber käme nur die Schweißdrüsenverödung, aber mit der ist es so wie mit Klimaanlagen: Für die paar Tage im Jahr lohnt es sich nicht. Und wer rechnet denn mit sowas wie dieses Jahr? Und haben Sie schonmal Ihre verschwitzte Achsel unauffällig unterm Hemd mit einem Deoroller nachbehandelt? Es fühlt sich auf schlimme Weise wie eine Notlösung an.

Anders die Kollegen der Gruppe 2. Das ist die, bei der man zwischen Mitleid und Ekel schwankt. Denn hier hat das Deo längst aufgegeben und die Bakterien feiern und fressen. Und ihr Wirt, der eigentlich liebe Kollege, merkt es nicht. Stichwort Naseneichung. Was soll man nun tun?

Weltweite Strategien gegen Hitze

Die meisten Büro-Leute machen nun einen schlimmen Fehler. Aus Angst, den „Müffler“ zu demütigen, machen sie ihm gegenüber gute Miene zum bösen Spiel. Aber hintenrum spricht man untereinander drüber wie übers Wetter und schafft sich Erleichterung: „Mensch, du, wer ist denn da bei euch oben diese alte Sau?“
„Gott, hast du es auch gerochen? Wir atmen schon alle durch den Mund.“
Dieses Wehklagen auf Kosten eines Arglosen geht schnell rum wie ein Lauffeuer. Mobbing-Alarm!

Aber darf man es dem Betroffenen selber denn einfach so auftischen? Wäre das nicht ein schlimmer Schlag ins Selbstbewusstsein? Ein irreparabler Gesichtsverlust? Und wie peinlich für den Überbringer der schlechten Nachricht!
Ich hatte mal einen solchen Kollegen, der vielleicht einfach Stunden schlecht in Tage umrechnen konnte. Zumindest war sein Deo meist off. Ein sympathischer Kerl aus der IT mit einem Hang zu Synthetik-Klamotten. Jeder konnte im Hochsommer riechen, ob er im Hause war. Und es wurde zum Kantinen-Thema. Wie sollte man es ihm beibringen?

Irgendwann nahm sich eine Kollegin ein Herz. Auf dem gemeinsamen Heimweg im bullenheißen Linienbus verströmte der Kollege seine typisch beißende Note, wie es bissiger kaum ging. Da holte sie tief durch den Mund Luft und ohne einen verschwendeten Gedanken an die Kunst der Diplomatie, ohne rhetorischen Kunstgriff, sagte sie etwas wie: „Sag mal, weißt du eigentlich, dass du ganz oft ganz schön nach Schweiß stinkst? Ich sag’s dir nur, weil oftmals merkt man das ja selber nicht.“
Das saß. Seine Reaktion: Scham und Dankbarkeit. Und ganz offensichtlich eine neue Duschroutine und ein neues Verhältnis zum Deo. Und zwar ab jenem Abend. Und eine Menge neuer Oberhemden. Ab diesem Tag: kein Müffeln mehr.

Unter vier Augen Müffel-Klartext zu reden, ist ein grandioser Beweis von Wertschätzung und Kollegialität. Und 96-Stunden-Deos sind eine peinliche Verirrung der menschlichen Zivilisation. Denn was gibt es Schöneres, als sich regelmäßig mit dem frisch zu halten, was man sogar trinken kann? Leitungswasser. Wenn bald dann noch das Zähneputzen von einem Kosmetikkonzern als Zeitverschwendung verlacht wird, dann sprechen wir uns hier wieder.

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