
Darf man bei uns den Islam kritisieren? Ja.
Darf man bei uns Witze über die Bundeskanzlerin machen? Ja.
Man darf in unserem schönen, freien Land sogar behaupten, dass Frauen nicht ordentlich rückwärts seitwärts einparken können, weil sie beim Blick nach hinten nicht mehr wissen, in welche Richtung sie dabei das Lenkrad vor sich drehen müssen. Sogar das!
Aber jemanden zu fragen: "Was verdienst du eigentlich?" - das wäre an Kaltschnäuzigkeit nicht mehr zu überbieten.
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Ist das nicht albern? In vielen unserer Nachbarländer macht man kein solches Theater. In Schweden kann man sogar die Steuerbescheide des Nachbarn, eines beliebigen Fernsehstars oder der Königin einsehen.
So weit will Bundesfrauenministerin Manuela Schwesig nicht gehen. Aber sie hat immerhin mal mit dem Gedanken gespielt, ob Arbeitgeber zukünftig nicht einfach die Gehaltslisten ihrer Mitarbeiter von sämtlichen Kollegen einsehbar machen sollen. BÄNG! Nach dem Fall der Mauer wäre das der größte Umbruch in Deutschland in der Nachkriegsgeschichte!
Durch die große Transparenzoffensive hätten Arbeitnehmer bei Gehaltsverhandlungen einen besseren Überblick über das Niveau der Bezahlung im Betrieb. Insbesondere Frauen, die sich heute oft noch mit weniger Geld abspeisen lassen (2013 mit 22 Prozent weniger als Männer), hätten dann grandiose Argumente.
Aber so viel Fairness kann für die deutsche Wirtschaft nicht gut sein. Meint die Wirtschaft.





Und prompt ging es los: Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag, der Bundesverband der Deutschen Industrie und auch die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände befürchten "starke Unruhe" und "Unfrieden" in den Betrieben. Und dann der Datenschutz!
Auch die Union mosert: Nach Frauenquote, Pflegezeit und Mindestlohn seien die Unternehmer genügend belastet. Nach menschenwürdiger Bezahlung durch den Mindestlohn jetzt auch noch mehr Gerechtigkeit bei Gehaltsverhandlungen? CDU und CSU fehlt das offenbar gerade noch.





So, mal überlegen:
Die Wirtschaft sagt: Wenn die Kollegen wüssten, was die anderen Kollegen verdienen, dann würde das für Unfrieden und starke Unruhe sorgen.
Anders formuliert heißt das: Es ist besser, wenn die Wahrheit nicht ans Licht kommt.
Ich muss sagen: Ich bin überrascht, dass man der Wirtschaft diese öffentlichen Einlassungen einfach so durchgehen lässt.
Denn entweder hält man die Arbeitnehmer für zu dämlich für vernünftige Argumente ("Herr Wagner verdient pro Monat 500 Euro mehr als Sie, weil er schon drei Jahre länger im Betrieb ist und außerdem mit seinen Projekten für deutlich mehr Umsatz sorgt als Sie mit Ihren"). Oder die Arbeitgeber befürchten, dass sie dann gar keine gut vermittelbaren Argumente zur Hand hätten und dafür zu den weniger überzeugenden greifen müssten ("Sie verdienen weniger, weil Sie schlechter pokern. Sie fertige ich mit einem müden Lächeln ganz einfach mit weniger ab").