Werner knallhart

Wie sage ich dem Kollegen: „Dein Deo streikt“?

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Zwei Gruppen von Deo-Nutzern

Es gibt aber nunmal Leute, die haben eine - wie soll ich sagen? - ja, eine gedämpfte Eigenwahrnehmung. Die haben ihren eigenen Körpergeruch eingepreist und dann ihre Nase neu auf null geeicht. Die riechen sich nicht.

Ich finde, es gibt im groben zwei Gruppen, die man strikt trennen muss. Die einen sind die mit dem auf Hochtouren laufenden Deo. Das sind die meisten von uns. Wir liefern eigentlich den üblichen sommerlichen Großraumbürogeruch. So eine Mischung aus dem Duft, wenn man eine chemische Reinigung betritt, und einer Turnhallenumkleide. Ein bisschen muffig aber eben auch dieser gut gemeinte seifige Parfümduft, der Wohlwollen auslöst. Doch wem soll man da etwas vorwerfen bei 35 Grad? Darüber käme nur die Schweißdrüsenverödung, aber mit der ist es so wie mit Klimaanlagen: Für die paar Tage im Jahr lohnt es sich nicht. Und wer rechnet denn mit sowas wie dieses Jahr? Und haben Sie schonmal Ihre verschwitzte Achsel unauffällig unterm Hemd mit einem Deoroller nachbehandelt? Es fühlt sich auf schlimme Weise wie eine Notlösung an.

Anders die Kollegen der Gruppe 2. Das ist die, bei der man zwischen Mitleid und Ekel schwankt. Denn hier hat das Deo längst aufgegeben und die Bakterien feiern und fressen. Und ihr Wirt, der eigentlich liebe Kollege, merkt es nicht. Stichwort Naseneichung. Was soll man nun tun?

Weltweite Strategien gegen Hitze

Die meisten Büro-Leute machen nun einen schlimmen Fehler. Aus Angst, den „Müffler“ zu demütigen, machen sie ihm gegenüber gute Miene zum bösen Spiel. Aber hintenrum spricht man untereinander drüber wie übers Wetter und schafft sich Erleichterung: „Mensch, du, wer ist denn da bei euch oben diese alte Sau?“
„Gott, hast du es auch gerochen? Wir atmen schon alle durch den Mund.“
Dieses Wehklagen auf Kosten eines Arglosen geht schnell rum wie ein Lauffeuer. Mobbing-Alarm!

Aber darf man es dem Betroffenen selber denn einfach so auftischen? Wäre das nicht ein schlimmer Schlag ins Selbstbewusstsein? Ein irreparabler Gesichtsverlust? Und wie peinlich für den Überbringer der schlechten Nachricht!
Ich hatte mal einen solchen Kollegen, der vielleicht einfach Stunden schlecht in Tage umrechnen konnte. Zumindest war sein Deo meist off. Ein sympathischer Kerl aus der IT mit einem Hang zu Synthetik-Klamotten. Jeder konnte im Hochsommer riechen, ob er im Hause war. Und es wurde zum Kantinen-Thema. Wie sollte man es ihm beibringen?

Irgendwann nahm sich eine Kollegin ein Herz. Auf dem gemeinsamen Heimweg im bullenheißen Linienbus verströmte der Kollege seine typisch beißende Note, wie es bissiger kaum ging. Da holte sie tief durch den Mund Luft und ohne einen verschwendeten Gedanken an die Kunst der Diplomatie, ohne rhetorischen Kunstgriff, sagte sie etwas wie: „Sag mal, weißt du eigentlich, dass du ganz oft ganz schön nach Schweiß stinkst? Ich sag’s dir nur, weil oftmals merkt man das ja selber nicht.“
Das saß. Seine Reaktion: Scham und Dankbarkeit. Und ganz offensichtlich eine neue Duschroutine und ein neues Verhältnis zum Deo. Und zwar ab jenem Abend. Und eine Menge neuer Oberhemden. Ab diesem Tag: kein Müffeln mehr.

Unter vier Augen Müffel-Klartext zu reden, ist ein grandioser Beweis von Wertschätzung und Kollegialität. Und 96-Stunden-Deos sind eine peinliche Verirrung der menschlichen Zivilisation. Denn was gibt es Schöneres, als sich regelmäßig mit dem frisch zu halten, was man sogar trinken kann? Leitungswasser. Wenn bald dann noch das Zähneputzen von einem Kosmetikkonzern als Zeitverschwendung verlacht wird, dann sprechen wir uns hier wieder.

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