Wenn sich ein US-Konzern mit einem japanischen Konkurrenten streitet, begegnen sie sich mitunter vor einem deutschen Gericht. So lief es zumindest bei der Auseinandersetzung zwischen dem amerikanischen Pharmahersteller Merck und Shionogi aus Japan.
Im Jahr 2015 trafen sich die beiden Parteien vor dem Landgericht Düsseldorf. Der Grund: Bei Patentstreitigkeiten können Unternehmen das Gericht praktisch weltweit aussuchen – und ihre Wahl fällt häufig auf Deutschland. „Düsseldorf, Mannheim und München stehen europaweit ganz oben auf der Beliebtheitsskala für Patentstreitigkeiten“, sagt Gisbert Hohagen, Patentrechtsanwalt bei der Großkanzlei Taylor Wessing.
Das hat vor allem drei Gründe. Die Verfahren gehen in Deutschland vergleichsweise schnell, sie dauern im Schnitt 12 bis 14 Monate. Sie sind günstig, in Großbritannien kosten Prozesse Experten zufolge drei- bis viermal, in den USA zehnmal so viel wie hierzulande. Und die deutschen Richter gelten als versiert und spezialisiert – was die Prozesse aus Sicht der Kläger berechenbarer macht.
Hinzu kommt: Wer in anderen Ländern klagt, geht ein erhebliches Risiko ein. Mitunter erklären die Richter das Patent für nichtig – und niemand hat mehr etwas davon. „Großbritannien ist ein wahrer Patente-Friedhof“, sagt ein prominenter Patentrechtsanwalt. In Deutschland dagegen sei es nicht zulässig, Patente vor den Zivilgerichten im Zuge solcher Streitereien für nichtig zu erklären.
Die Folge: 63 Prozent aller Patentstreitigkeiten in Europa landen vor den deutschen Patentgerichten, sagt Hohagen von Taylor Wessing. Zwei Drittel seiner Mandanten kommen aus dem Ausland.
Aber welche Anwälte sind ihr Geld wirklich wert? Und wer genießt im Kreis der Kollegen den besten Ruf? Diese Fragen beantwortet eine exklusive Rangliste der WirtschaftsWoche.
Top-Kanzleien für Patentrecht (Juristen) | |
Welche Sozietäten und Spezialisten die Jury besonders empfiehlt | |
Kanzlei | Anwälte |
Patentrechtsanwälte (Juristen) | |
Allen & Overy | Joachim Feldges |
Ampersand | Hosea Haag |
Arnold Ruess | Bernhard Arnold |
Bird & Bird | Christian Harmsen |
CBH | Stephan Gruber |
Freshfields | Frank-Erich Hufnagel |
Hogan Lovells | Andreas v. Falck, Martin Chakraborty, Steffen Steininger, Martin Fähndrich |
Hoyng ROKH Monegier | Klaus Haft |
Kather Augenstein | Peter Kather, Christof Augenstein |
Klaka | Olaf Giebe |
Krieger Mes & Graf von der Groeben | Axel Verhauwen |
Quinn Emanuel Urquhart & Sullivan | Marcus Grosch |
Rospatt Osten Pross | Thomas Musmann |
Taylor Wessing | Roland Küppers, Gisbert Hohagen |
Wildanger Kehrwald Graf v. Schwerin & Partner | Eva Geschke |
Quelle: WirtschaftsWoche 2017 |
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890 Anwälte in der Wertung
In der ersten Runde des Auswahlverfahrens identifizierte das Handelsblatt Research Institute (HRI) 269 Patentrechtsanwälte und 621 Patentanwälte. Der Unterschied: Erstere sind Juristen, Letztere haben in der Regel eine naturwissenschaftlich-technische Ausbildung. Alle sollten sich nun in einer Peer-Group-Befragung gegenseitig Punkte geben, wobei Eigenbewertungen ausgeschlossen waren. Aus den Anwälten mit den meisten Punkten stellte die Jury die Empfehlungslisten zusammen.
Die Jury
Zu den Juroren gehörten unter anderem die Unternehmensjuristen Franziska Preissinger von Novartis, Stephan Wolke von ThyssenKrupp Intellectual Property, Stephan Gürtler von Merck Group und Hermann Kremer von Audi. Die wissenschaftliche Seite vertritt Achim Schunder, Leiter Zeitschriften des Verlags C.H.Beck. Am Ende setzten sich in der Rangliste 20 Patentrechtsanwälte aus 15 Anwaltskanzleien sowie 21 Patentanwälte aus 18 Kanzleien durch – und Hohagen von Taylor Wessing ist einer davon.
Die Jury des Anwälte-Rankings
Achim Schunder ist Leiter Zeitschriften des Verlags C. H. Beck in München.
Stephan Wolke ist Geschäftsführer der ThyssenKrupp Intellectual Property.
Franziska Preissinger ist Head Patent Litigation ex US beim Pharmakonzern Novartis.
Hermann Kremer ist Leiter Rechtsberatung bei Audi in Ingolstadt.
Stephan Gürtler ist Senior Patent Counsel bei Merck, Darmstadt.
Er und seine Kollegen erhalten ihre Mandate derzeit vor allem aus zwei Branchen, Mobilfunk und Pharma. Außerdem treffen sie vor Gericht neuerdings häufig auf Patentverwerter – also Unternehmen wie Nokia, die vieles nicht mehr selbst produzieren, aber selbst entwickelte Patente halten und lizenzieren.
Das Geschäftsmodell der Trolle
Oder Firmen, die nie etwas hergestellt haben, aber zusammengekaufte Patente halten – Insider nennen sie Trolle. Dazu zählen Experten das Private-Equity-Unternehmen IP Com aus dem Münchner Vorort Pullach. Im Jahr 2007 erwarb es 1000 Mobilfunkpatente von Bosch – und verklagt nun Unternehmen weltweit, um Patenteinnahmen zu generieren.
Moralisch mag man das zweifelhaft finden, aber solche Maßstäbe sind vor Gericht zweitrangig. Ebenso unwichtig ist es, ob ein Patent absichtlich oder aus Versehen verletzt wurde. Gerade im Mobilfunkbereich gibt es ein Riesenportfolio von Patenten, die alle dicht beieinander liegen, laut Christian Harmsen, Anwalt bei Bird & Bird in Düsseldorf. Patentrichter prüfen nur: Macht ein Produkt von dem Patent Gebrauch?
Top-Kanzleien für Patentrecht (Ingenieure u. a.) | |
Welche Sozietäten und Spezialisten die Jury besonders empfiehlt | |
Kanzlei | Anwälte |
Patentrechtsanwälte (Ingenieure u. a.) | |
Andrejewski Honke | Bernd Lorenz |
Bardehle Pagenberg | Joachim Mader |
Cohausz & Florack | Gottfried Schüll |
df-mp Dörries Frank-Molnia & Pohlmann | David Molnia, H. Ulrich Dörries |
Dreiss | Thomas Knapp |
Eisenführ Speiser | Jochen Ehlers |
Freischem & Partner | Stephan Freischem |
Glawe Delfs Moll | Christof Keussen |
Hoffmann Eitle | Thorsten Bausch |
KNH | Matthias Rößler |
König Szynka Tilmann von Renesse | Gregor König, Dirk Szynka |
Lederer & Keller | Günter Keller |
Maikowski & Ninnemann | Felix Gross, Gunnar Baumgärtel |
Mitscherlich | Christian Rupp |
Ter Meer Steinmeister & Partner | Bernd Aechter |
von Kreisler Selting Werner | Alexander von Kirschbaum |
Winter, Brandl, Fürniss, Hübner, Röss, Kaiser, Polte | Willi Polte |
Witte, Weller & Partner | Gabriele Laufer |
Quelle: WirtschaftsWoche 2017 |
Harmsen vertrat kürzlich in einem viel beachteten Prozess den einstigen Weltmarktführer bei Mobiltelefonen: Nokia warf dem iPhone-Hersteller Apple vor, 32 Patente verletzt zu haben – darunter Technologien für Displays, Videos und Software. Im vergangenen Mai legten die Unternehmen ihren Streit bei und einigten sich auf Lizenzzahlungen. Der juristische Aufwand lohnte sich für Nokia erheblich: Apple zahlte dem Konzern seitdem bereits 1,7 Milliarden Dollar.
Derartige Auseinandersetzungen sind für die Spezialisten profitabel. Angestellte Anwälte rechnen bis zu 250 Euro pro Stunde ab, Partner bis 550 Euro und die Topstars bis 900 Euro. Patentanwälte liegen mit maximal 300 Euro deutlich darunter.