Work-Life-Balance Ein Plädoyer für den Feierabend

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"Dead Man Working"

Deutsche leiden am meisten unter Arbeitslast
Fast jeder fünfte Deutsche (19 Prozent) empfindet seine Arbeitsbelastung als zu hoch, weitere 47 Prozent als „hoch“. Das ergab eine Studie der HR Partners Von Rundstedt in Düsseldorf. Quelle: dpa
Demnach sind in puncto Arbeitslast besonders Brasilianer und Spanier am wenigstens belastet. Mehr als zwei Drittel (68 Prozent) der Brasilianer empfinden die Arbeitsbelastung als normal oder niedrig, bei den Spaniern sind es immerhin 60 Prozent. Quelle: dpa
Am meisten unter der Arbeitsbelastung leiden nach den Deutschen laut der Studie die Schweizer (63 Prozent gaben an, einer zu hohen oder hohen Arbeitsbelastung ausgesetzt zu sein) und die Franzosen (61 Prozent). Quelle: dpa
Im Mittelfeld der 16-Länder-Umfrage liegen Staaten wie China und Italien: Dort empfindet jeweils fast jeder Zweite (49 Prozent) die Arbeitsbelastung als hoch oder zu hoch, in Italien und Finnland sind es jeweils 48 Prozent. Quelle: dpa
Die meiste Arbeit nach Hause nehmen sich die Marokkaner und Chinesen mit. 57 Prozent (beziehungsweise 45 Prozent) der Befragten gaben an, oft Arbeit zu Hause zu erledigten, um Deadlines einzuhalten. In Deutschland sind liegt die Quote bei immerhin noch 28 Prozent. Quelle: dpa
Für die meisten Russen allerdings bleibt Arbeit Arbeit und Freizeit Freizeit. Nur 16 Prozent erledigen Arbeit zu Hause, um Fristen einzuhalten. In den meisten anderen Ländern trifft das auf etwa jeden Vierten zu (etwa Frankreich: 25 Prozent, USA: 27 Prozent, Schweiz sogar: 35 Prozent). Quelle: dpa
In den Interviews haben die Forscher auch die Zustimmung zu Statements im Bezug auf die Loyalität des Arbeitsnehmers zu seinem Unternehmen abgefragt. Der Aussage „Ich sage nie etwas Schlechtes über meine Firma zu anderen“, stimmen 68 Prozent der Deutschen zu und liegen damit im oberen Bereich. Quelle: obs

Ihr Lebensglück aber finden die meisten Menschen nicht in der Tätigkeit, mit der sie ihren Lebensunterhalt verdienen (müssen). Sonst wären die Fußballstadien nicht so voll. Sport und andere Hobbies sind mentale Fluchten für Menschen, die das Glück außerhalb der Arbeit suchen (müssen). Diese Menschen haben ein verständliches Bedürfnis nach einem vor ökonomischen Zwängen geschützten Rückzugsraum, nach einem Leben jenseits der Arbeit, das sie selbstbestimmt ihren Interessen und Leidenschaften widmen können, ohne dauernd mit einem Anruf der Chefin rechnen zu müssen.

Nur die wenigen Glücklichen, die vollkommen in ihrem Beruf aufgehen, werden dazu neigen, die Grenzen zwischen Arbeit und Leben aufzulösen. Wenn aber diese Entgrenzung von außen aufgezwungen wird, dann ist das Ergebnis der "Dead Man Working", den Carl Cederström und Peter Fleming in ihrem gleichnamigen Buch beschreiben: Ein Mensch, der das "Gefühl des Nicht-Lebens" bekommt. Ein Mensch, der seinen Job nicht mehr nur ausübt, sondern wider seine Natur gezwungen ist, dieser Job zu sein. Ein unglücklicher, erschöpfter, vielleicht sogar kranker Mensch. Und kein produktiver Arbeitnehmer.

Bei der Rheinbahn in Düsseldorf hat man das begriffen. Auf Werbeplakaten präsentiert die städtische Verkehrsgesellschaft ihre Mitarbeiter nicht bei der Arbeit, sondern bei ihren Hobbies. Ein Handballtorwart ist da zu sehen, eine Trommlerin, ein Langstreckenläufer im Neandertal und ein Mann, der seine Freizeit am liebsten im Indianerkostüm verbringt. Die Botschaft der Kampagne: Wir wissen, dass die Firma einen Anspruch auf die Arbeitskraft ihrer Beschäftigten hat, aber nicht auf den ganzen Menschen. Das dürfte bei Arbeitnehmern sehr viel besser ankommen als Teambuilding-Events oder ein Betriebsfest in der schönsten Feierabendzeit.

Die "Wertschätzung", von der Personalmanager neuerdings so viel reden, zeigt sich nicht durch den Kickertisch im Pausenraum, sondern im Respekt für das Bedürfnis nach einem Leben jenseits der Erwerbsarbeit.

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