Work-Life-Balance Ein Plädoyer für den Feierabend

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Glück ist nicht der Daseinszweck von Unternehmen

Welche Berufe glücklich machen
die glücklichsten Menschen arbeiten in Hamburg Quelle: dpa
Die Jobsuchmaschine Indeed hat sich der Zufriedenheit deutscher Arbeitnehmer angenommen und nachgefragt, wer mit seinem Job besonders zufrieden ist. Die glücklichsten Berufe in Deutschland sind demnach eine bunte Mischung aus allen Ausbildungswegen und Hierarchiestufen. So gehören zu den Top 20 der zufriedensten Berufe viele traditionelle Handwerksberufe wie Maurer, Tischler oder Elektriker. Zufrieden sind allerdings auch - entgegen aller Klischees - Lehrer und Krankenschwestern. An der Spitze der Liste stehen Trainer, studentische Hilfskräfte und, wenig überraschend, Geschäftsführer. Laut dem Meinungsforschungsinstituts YouGov sind allgemein nur sieben Prozent der Deutschen wirklich unzufrieden mit ihrem Job, 75 Prozent der Arbeitnehmer macht ihre Arbeit mehrheitlich Spaß. Damit sie sich im Beruf wohl fühlen, brauchen 27 Prozent der Beschäftigten neue Herausforderungen, für 18 Prozent ist ein abwechslungsreicher Arbeitsalltag wichtig, für 15 Prozent bessere Gehaltsaussichten. Immerhin 14 Prozent wollen „etwas Sinnvolles“ für die Gesellschaft tun. Die folgenden Berufe erfüllen diese Kriterien - und machen glücklich. Quelle: Fotolia
Gärtner und Floristen sind zu 87 Prozent glücklich. "Ich arbeite in einer Umgebung, die ich mag, und tue etwas lohnendes und sinnvolles", gaben sogar 89 Prozent von ihnen an. Quelle: Fotolia
Jemand frisiert einen Puppenkopf Quelle: dpa
Männer arbeiten an Toiletten. Quelle: AP
Die ersten Nicht-Handwerker in der Glücksrangliste sind ausgerechnet Marketing- und PR-Leute (75 Prozent). Die Wahrheit steht offenbar nicht in direktem Zusammenhang mit dem Glück. Quelle: Fotolia
Jemand hält einen Glaskolben mit einer Flüssigkeit darin. Quelle: AP

Karriere-Berater und wichtigtuerische Sachbuchautoren wollen uns nun einreden, dass wir nicht schwitzen müssen. Dass für jeden Menschen irgendwo der Traumjob wartet, eine Karriere, die die totale Erfüllung bedeutet. Sie stellen uns dann gerne Menschen vor, die sich erfolgreich selbständig gemacht haben. "Hört auf zu arbeiten" von Anja Förster und Peter Kreutz ist so ein Buch.

Natürlich sollte jeder Mensch mit kreativen Ambitionen versuchen, sie auszuleben. Und jedem Menschen ist zu wünschen, dass er mit seinen Interessen und Leidenschaften seinen Lebensunterhalt verdienen kann. Aber die Selbstverwirklichungsapostel blenden aus, dass sehr viele Menschen mit diesem Ziel scheitern, oder von vornherein gar keine Chance haben, es zu erreichen. Wenn Förster und Kreutz den Leser auffordern, dass zu tun, "was Ihnen viel mehr entspricht, nämlich das, was Sie tun würden, wenn Sie die Haltung eines Künstlers einnehmen würden!", dann unterstellen sie, dass es für dieses Tun auch eine ökonomische Umsetzung gibt. Schön wär's. Aber nicht jeder hat das Glück des Thomas Vašek.

Auch viele Angehörige der von Richard Florida besungenen "kreativen Klasse" können nicht von ihrer Kreativität leben. Ich kenne eine Schriftstellerin, sogar eine recht erfolgreiche. Sie hat zwölf Romane bei angesehenen Verlagen veröffentlicht, mehrere Preise gewonnen. Und doch musste sie lange Jahre als Lehrerin arbeiten, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Die Schriftstellerei war und ist für sie keine Arbeit, es ist ihr Leben. Die Arbeit als Lehrerin war nicht ihr Leben. Und gerade darum hat sie immer dafür gesorgt, dass diese begrenzt blieb, um Zeit fürs Schreiben frei zu halten.

Der Daseinszweck von Wirtschaftsunternehmen ist nicht das vollkommene Glück ihrer Angestellten, sondern finanzieller Gewinn durch die Produktion von rentablen Waren oder Dienstleistungen. Auch wenn uns mancher Buchautor das Gegenteil einredet. Will man wirklich dem Produktmanager, dem Monteur am Fließband, der Sachbearbeiterin empfehlen, sie sollen entweder ihre Arbeit zum Lebensinhalt erklären oder damit aufhören und "die Haltung eines Künstlers einnehmen"?

Die meisten Menschen müssen sich wohl oder übel damit zufrieden geben, einen Beruf auszuüben, der möglichst angemessene Bezahlung und soziales Ansehen einbringt. Einen Beruf, in dem sie sich einigermaßen wohlfühlen, weil sie ihn für einigermaßen sinnvoll halten und ihre Begabungen einigermaßen anwenden können.

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