WirtschaftsWoche Online: Herr Tusch, wann waren Sie während der Arbeit zuletzt wütend und frustriert?
Manuel Tusch: Das ist so lange her, ich kann mich gar nicht mehr erinnern. Ich werde nur sehr selten wütend oder frustriert.
Glückwunsch, dann sind Sie offenbar eine Ausnahme: Laut der neuesten Studie von Gallup hat in Deutschland bereits jeder siebte Arbeitnehmer innerlich gekündigt, 70 Prozent schieben nur Dienst nach Vorschrift. Woran liegt das?
Viele haben das Gefühl, dass sie zu wenig verdienen, klagen über fehlende Anerkennung und zu wenige Möglichkeiten zur kreativen Entfaltung. Arbeit wird als stumpf und sinnlos empfunden. Einige denken sogar, dass ihre Kollegen und Kunden geisteskrank sind.
Geisteskrank? Jetzt übertreiben Sie aber.
Keineswegs. Genau so formulieren es viele meiner Klienten.
Alle reden vom Fachkräftemangel – da dürfte es doch nicht so schwierig sein, einen besseren Job zu finden.
Da muss ich Sie enttäuschen, den perfekten Arbeitsplatz gibt es leider nicht. Ich coache seit 15 Jahren Menschen aus den verschiedensten Branchen und Hierarchieebenen. Ob Apotheker, Bäcker, Busfahrer, Chirurg oder Fernsehmoderator: Jeder hat gute Gründe, unzufrieden zu sein. Ich bezweifle aber, dass an einem neuen Arbeitsplatz dann alles besser wäre. Die Grundprobleme tauchen überall wieder auf. Klar, es gibt durchaus ein paar Einzelfallprobleme, bei denen ein Jobwechsel angeraten ist. Wenn Sie objektiv unterbezahlt sind oder gemobbt werden, haben Sie guten Grund, sich anderweitig umzuschauen. Aber mehr Geld hätten wir alle gerne, und nicht jede Reiberei mit Kollegen ist gleich Mobbing. Da hilft kein Wechsel, vielmehr muss an der inneren Einstellung gearbeitet werden.
Haben wir überhöhte Erwartungen an unseren Job?
Ja, wir Deutschen sind da in gewisser Weise nimmersatt. Wir erwarten, dass der Job uns steinreich macht und wir jeden Tag gebauchpinselt werden. Die Arbeit soll zudem immer spannend sein und gleichzeitig auch noch die Welt retten. Das geht aber alles nicht. Auch den Herz-Chirurgen, der unzählige Leben rettet, quält irgendwann die Routine.
Wie äußern sich denn diese Unzufriedenheit und der Frust bei der Arbeit?
Wissenschaftliche Studien zeigen, dass Menschen sich mehr reinknien und mehr leisten, wenn sie die entsprechende Anerkennung und Wertschätzung erfahren. Frustrierte Mitarbeiter hingegen machen vielfach nur noch Dienst nach Vorschrift oder sabotieren gar. Da verschwindet dann schon mal ein Aktenordner oder eine Computerdatei wird gelöscht.
Wie wär’s mit Reden statt Sabotieren?
Die meisten Probleme am Arbeitsplatz resultieren in der Tat aus einer unglücklichen Kommunikation. Es entstehen häufig Missverständnisse mit Kollegen oder Vorgesetzten, die wir nicht ganz zuordnen können. Wir sollten uns trauen, dies anzusprechen. Meistens stellt sich heraus, dass der Kollege uns nicht absichtlich wütend machen wollte und es nicht böse gemeint hat.