Zukunft des Büros Das Ende der Homeoffice-Pflicht – und der Anfang einer Revolution!

Büros werden trotz allem der zentrale Ort bleiben. Denn zu Hause, auch das haben Wissensarbeiter gelernt, geht Kreativität verloren, Ablenkung ist immanent, findet der Autor. Quelle: www.imago-images.de

Arbeit ist kein Ort mehr. Daher stehen wir vor der größten Umwälzung der Arbeitswelt seit der Industrialisierung. Das Homeoffice allein reicht als Antwort darauf nicht aus. Wir müssen kreativ werden. Jetzt.

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Es gab Zeiten, da wagte es nur die Avantgarde der Remote Worker ein geschäftliches Telefonat zu führen, aus dessen Hintergrundgeräuschen eindeutig hervorging, dass der Teilnehmende sich in einem Café befand und dies auch noch als Distinktionsmerkmal empfand. Damals herrschte die Frage vor: Kann Arbeit überhaupt in einem Café stattfinden? Vor dem Tresen, wohlgemerkt, nicht dem Service-Team angehörig. 15 Jahre und eine Pandemie später haben wir alle Erfahrung mit Entgrenzung und Dezentralisierung der Wissensarbeit gemacht und wissen, dass weder Homeoffice noch Büro ausschließlich Vorteile bringen.

Bis letzte Woche war das Büro verbotene Zone, per Gesetz. Viele Menschen, die lange nicht dort waren und ihm jetzt einen Besuch abstatten, fühlen sich ähnlich wie bei der Begegnung mit einem alten Freund. Einerseits verstehen sie sich sofort wieder miteinander, weil sie wissen, welche Rituale die Freundschaft einmal ausmachten: ein wenig zu viel Small Talk am Anfang des Meetings. Bewusst etwas länger als nötig bleiben, damit die Vorgesetzte das Engagement wahrnimmt. Zugleich erkennen sie auch, warum man damals begann, immer weniger Zeit mit dem Freund zu verbringen: Die Flexibilität und den damit verbundenen Zuwachs an Autarkie will kaum jemand mehr missen. Viele suchen nach einem Grund, die Begegnung kurz zu halten, und fragen sich abends: Wie konnte ich früher nur so viel Zeit mit diesem Freund verbringen?

Nun werden wir dieser durchaus belasteten Freundschaft wieder vermehrt begegnen. Die Homeoffice-Pflicht ist gefallen, die Unternehmen sehen das Büro immer als Anlaufstelle Nummer eins, an der Wissensarbeit stattfinden soll. Arbeitnehmer und Führungskräfte haben neben einer gewissen Vorfreude auch ein mulmiges Gefühl. Wie wird es sein? Wie fühlen sich die alten Rituale an?

Büros werden trotz allem der zentrale Ort bleiben. Denn zu Hause, auch das haben Wissensarbeiter gelernt, geht Kreativität verloren, Ablenkung ist immanent. Und nicht jeder hat das perfekte Homeoffice. Deshalb ist es höchste Zeit, Büros neu zu denken.

Mit der Wiedereröffnung der Büros entsteht nun die einmalige Gelegenheit zur Neugestaltung der Arbeitswelt. Die im Moment vorherrschende, scheinbar alles entscheidende Frage, an wie vielen Tagen Homeoffice künftig möglich sein wird, wird uns im Rückblick, auf die vor uns liegenden Umwälzungen der Arbeitswelt, wie eine Randnotiz erscheinen. Denn die Entgrenzung und Dezentralisierung der Arbeit wird Einfluss nehmen auf Stadtplanung, Lebensentwürfe, Internationalisierung, Tourismus, Unternehmensstandorte, den ländlichen Raum, Mobilität. Die Veränderung wird sichtbar sein, wo immer Menschen arbeiten: in Parks, Hotellobbys, an Stränden, in Zügen, Wohnungen, auf Golfplätzen.

Satellitenbüros im Umland

Unternehmen sollten diese Chance nutzen, nicht nur über Flächeneffizienz nachdenken und hoffen, dass schon irgendwie alles wieder wie vorher sein wird, eben nur nicht an allen Tagen der Woche. Das Homeoffice ist sicherlich ein wichtiger Ort, aber nicht der einzige neben den herkömmlichen Arbeitsplätzen. Satellitenbüros für Pendler, flexible Arbeitsplätze in der Nähe von Kindergärten, Co-Working-Spaces auf dem Land sind Lösungen, die Unternehmen auch im Verbund angehen können. Wir werden Lösungen sehen, an die wir heute noch gar nicht denken.

Doch damit es so weit kommt, müssen Arbeitnehmer nicht einfach nur „Nein“ sagen, wenn der Ruf zurück in die Zentrale erschallt, und die Frage der Anzahl an Homeoffice-Tagen als Kampfzone aufmachen. Es braucht jetzt einen mutigen Dialog. Positive Erfahrungen von Vereinbarkeit von Familie und Beruf, von gesunden Freiräumen dürfen nicht einfach weggewischt werden. Genauso gehört die fehlende soziale Interaktion mit Kolleginnen und Unternehmenskultur wieder hergestellt. Es wird keine One-Size-Fits-All-Lösung geben und es wird Experimente brauchen, nicht zuletzt wie das gerade unfreiwillig durchgeführte namens Pandemie, um herauszufinden, was für welches Team eine gute Lösung ist. Dafür müssen die richtigen Fragen gestellt und mutig beantwortet werden. Welche Räume werden für welche Arbeit benötigt? Welche Orte des informellen Austauschs sollte es geben? Wie kann die Arbeit möglichst wirksam gestaltet werden, und was bedeutet das für die Ausstattung des Büros und anderer Orte?



Unternehmen sind gut beraten, wenn sie nun die Bürokosten pro Mitarbeiter senken, aber die Investitionen pro Quadratmeter für die Veränderung des Büros erhöhen. Und auch jenseits der Unternehmen brauchen wir einen runden Tisch mit Politik, Familien, Wirtschaftsvertretern, Arbeitnehmern, Stadtplanern, Mobilitätsanbietern. Die gesellschaftlichen Auswirkungen der Veränderungen werden größer sein, als sie jetzt absehbar sind.

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Zu guter Letzt muss ich das arme Büro in Schutz nehmen. Was hat es alles schon für Veränderungen durchmachen müssen und diese doch immer still ertragen. Auch diesmal wird es nicht verschwinden. Es wird erneut seine unendliche Veränderbarkeit unter Beweis stellen. Dafür will ich dem alten Freund an dieser Stelle auch einmal danken. Egal, wie wichtig die Nähe zum Zischen einer Kaffeemaschine in Zukunft sein wird, wir werden in den kommenden Jahren die größte Umwälzung der Arbeitswelt seit der Industrialisierung sehen. Diese schöne Herausforderung können wir nur alle gemeinsam stemmen.

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