Talane Miedaner, Coach und Autorin, rät in ihrem Buch "Coach dich selbst zu einer neuen Karriere", mit dem Neustart nicht bis zur Rente zu warten. Wenn etwas ins Ungleichgewicht geraten sei, solle man das Problem lieber gleich angehen.
Klar: Wer familiäre Verpflichtungen hat, wird sich gut überlegen, ob er sich freiwillig eine mehrjährige Ausbildung mit geringem Verdienst antut, wie es Schwesinger getan hat. Aber es muss ja nicht gleich die Friseurlehre sein.
Beispiele erfolgreicher Quereinsteiger, Downshifter und sonstiger Aussteiger gibt es viele - und nicht jeder wurde vom Manager zum brotlosen Künstler. Oft kann es schon hilfreich sein, die Branche zu wechseln, dem gelernten Beruf aber treu zu bleiben. So sind beispielsweise viele Juristen in Unternehmensberatungen tätig.
Umschulung kann helfen
Miedaner rät außerdem, auch eine Umschulung oder Weiterbildung in Betracht zu ziehen. "Vorher sollten Sie allerdings genügend Informationsgespräche geführt haben und sich auch über Ihre Werte klargeworden sein, um sicherzugehen, dass Sie Ihre Zeit nicht mit einer Fortbildung verschwenden, die für Ihren beruflichen oder geschäftlichen Erfolg gar nicht notwendig ist", sagt sie. Allerdings darf man sich nicht der Illusion hingeben, dass mit einem neuen Job alles gut wird. Schattenseiten und nervige Kollegen gibt es schließlich überall.
Worauf Sie beim Neustart in der Lebensmitte achten sollten
Quälen Sie sich zur Arbeit? Halten Sie Ihre Fähigkeiten für unerkannt? Heißt Ihr Fazit „mehr Frust als Lust“? Dann denken Sie über Veränderungen nach.
Stellen Sie Ihr Können auf den Prüfstand: Welche Kompetenzen habe ich zu bieten? Wie kann ich sie einsetzen?
Ihr Ziel soll Ihr Leben verbessern, realistisch erreichbar sein und Ihnen auch in fünf Jahren noch Freude machen.
Formulieren Sie einen Zeitplan, berücksichtigen Sie Widerstände. Meiden Sie Miesmacher, suchen Sie konstruktive Kritiker. Und legen Sie los.
Wer aber wirklich etwas grundlegend ändern will, dem empfiehlt Angelika Gulder, Karriere-Coach in Hofheim im Taunus, einmal zu träumen und in Gedanken zurück in die Kindheit zu schweifen. "Überlegen Sie, was Ihnen früher am meisten Spaß gemacht hat. Und stellen Sie sich einmal vor, dass einfach alles möglich wäre. Was würden Sie dann tun?"
Diese Luftschlösser können ein Hinweis darauf sein, in welche Richtung es beruflich gehen kann. Neben der Träumerei gehört jedoch auch eine gute Portion Realismus zur Beurteilung der Lage.
Über Prioritäten klar werden
Fragen Sie sich also selbst, was Sie wirklich können - und was Sie noch erreichen wollen. Bei der Bestandsaufnahme der eigenen Fähigkeiten kann die Einschätzung von Freunden und Ex-Kollegen helfen. Ziele definieren müssen Sie dagegen selbst. Dabei können plötzlich völlig andere Dinge wichtig sein als der Job, sagt Diplompsychologin Brigitte Scheidt.
"Manche sind dann vielleicht mit einem etwas langweiligeren Arbeitsplatz zufrieden, bei dem sie aber pünktlich Feierabend und dann Zeit für ihre Familie und ihre Hobbys haben. Oder sie akzeptieren eine unbefriedigende Tätigkeit, weil sie damit viel verdienen und ihren Kindern so ein Studium ermöglichen können." Befriedigung zieht man eben nicht nur aus dem Job an sich - sondern auch daraus, dass man weiß, wofür man ihn macht.
Wer sein berufliches Soll und Haben genau analysiert, läuft natürlich auch Gefahr, herauszufinden, dass er den völlig falschen Beruf gelernt hat. Wer auf seine Eltern gehört und eine Lehre nach deren Geschmack gemacht hat, anstatt zum Theater zu gehen, muss sich nicht wundern, wenn er später unzufrieden ist.
Für manche Jobwechsel ist man ab einem gewissen Zeitpunkt zu alt. Doch auch dann gibt es Möglichkeiten, sich beruflich zumindest anzunähern, sagt Gulder. "Wenn ich 50 bin und immer Arzt werden wollte, dann ist es für ein neues Studium vielleicht zu spät. Aber bestimmt findet man andere Berufe, in denen man Menschen helfen kann, gesünder zu werden."
Wichtig ist, dass man nicht in die Gemütlichkeitsfalle tappt und sich jahrelang jeden Tag mit einer mehr oder weniger großen Unlust ins Büro schleppt - aber nichts an seiner Situation ändert. Wer nur noch mit Bauchschmerzen zur Arbeit geht und schon montags den Freitag herbeisehnt, muss etwas unternehmen.
Noch besser allerdings wäre es, wenn man mit diesen Überlegungen nicht erst anfängt, wenn einen alles nur noch nervt. "Eigentlich sollten wir regelmäßig überlegen, ob wir noch zufrieden mit unserem Leben und unserer Arbeit sind, oder ob man irgendwo nachsteuern muss", sagt Gulder. Einmal im Jahr sollte man sich dafür auf jeden Fall die Zeit nehmen.