Die Unternehmen müssen dringend Abhilfe schaffen. Achtsamkeit und Meditation können da durchaus einen Beitrag leisten. Über Untersuchungen mit Magnetresonanztomografie (MRT) konnte zum Beispiel nachgewiesen werden, dass sich das Gehirn durch Achtsamkeitsmeditation verändert. Forscher der Universität Gießen haben herausgefunden, dass der Mandelkern – unter anderem der Sitz des Angstzentrums – kleiner wird, während der Hippocampus wächst. Die Gedächtnisleistungen der Probanden nahmen zu.
Und noch eine entscheidende Veränderung ließ sich an den Hirnscans ablesen: Die grauen Zellen im präfrontalen Cortex vermehrten sich – und die sind dafür zuständig, wie Menschen Situationen beurteilen und emotional auf sie reagieren.
Zu ähnlichen Ergebnissen kamen auch US-Wissenschaftler um die Harvard-Psychologin Sara Lazar, die als Pionierin der Meditationsforschung gilt. Sie fand heraus, dass die Hirnareale, die für Aufmerksamkeit und Sinneswahrnehmung zuständig sind, deutlich mehr neuronale Verschaltungen aufweisen.
Seit Jahren erforscht auch Niko Kohls, Professor für Gesundheitsförderung an der Hochschule Coburg, die Thematik. "Achtsames Handeln fördert nicht nur die Gesundheit, sondern auch Teamgeist, Kreativität und Produktivität", unterstrich er Anfang des Jahres gegenüber WirtschaftsWoche Online. Er hat 25 Unternehmen, Schulen und Hochschule untersucht, die Achtsamkeitsprogramme anbieten. Das Ergebnis: Bereits nach kurzer Zeit ließen sich psychologische und neurobiologische Veränderungen beobachten. Die Mitarbeiter fühlten sich nicht nur ausgeruhter, sie waren offenbar auch konzentrierter bei der Sache: So sank etwa der Zeitaufwand für Meetings um bis zu 30 Prozent. Durch das achtsame Handeln hatten die Teilnehmer gelernt, zu hinterfragen, ob ihr Einwand wirklich hilfreich und nötig ist – die Selbstreflexion und die Wahrnehmung der eigenen Emotionen hatte sich verbessert.
Einer der Lehrer ist Christopher Tamdjidi. Er ist Geschäftsführer der Kalapa Leadership Academy, die mit Kohls gemeinsam die bislang größte Achtsamkeitsstudie aufgesetzt und durchgeführt hat. Unternehmen wie Bosch, Beiersdorf und Continental setzen auf die Expertise der Akademie.
„ Es stellt sich nun nicht mehr die Frage, ob Achtsamkeitsmethoden wirken, sondern wir können noch differenzierter eruieren, wie Achtsamkeit im Kontext von Führung und Arbeitsalltag wirkt“, sagt Tamdjidi. „Dazu versuchen wir den Teilnehmer ganz klar, wieder die Freude an ihrer Arbeit zurückzugeben, zum Beispiel, indem sie ein Tagebuch schreiben, was gut gelaufen ist.“ Wir sehen schlicht das Positive nicht mehr, gibt er zu Bedenken. Dagegen kann man aber mit Achtsamkeit etwas tun. Außerdem verstehen die Teilnehmer durch das Programm, das sie ihre Kollegen – und eine gute Beziehung zu ihnen - brauchen. „Denn heute löst keiner Probleme mehr alleine.“ Meditation und Achtsamkeit hält Meditationsforscher Esch für einen guten Grundstein, aber nicht für ein Allheilmittel. Denn: Menschen, die diese Techniken anwenden, fangen auch an, über die Sinnhaftigkeit ihres Handelns und Seins nachzudenken. In der Folge könnten Missstände noch deutlicher zu Tage treten. Die Folge: Die Fluktuation der Mitarbeiter nimmt zu.
Latrache hat sich mittlerweile selbstständig gemacht – mit ihrem Wissen zu Achtsamkeit und Anteilsnahme. „Ich bin nicht nur eine bessere Führungskraft geworden, sondern haben für mich auch einen ganz neuen Weg gefunden, zu arbeiten,“ sagt sie. Ihre Sicht auf viele Dinge habe sich geändert: „Ich arbeite seit der Praxis viel fokussierter und konzentrierter, habe gleichzeitig aber auch mehr Spaß an der Arbeit und kann führen, in dem ich den ganzen Menschen mit einbeziehe.“