Bildung iPad & Co. erobern das Klassenzimmer

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Ein dutzend Vorreiter

Ralf Loskill Quelle: Matthias Jung für WirtschaftsWoche

Wer all das für hoffnungslose Utopie hält, der sollte nach Prüm fahren. Das Städtchen liegt inmitten der Eifel und ist von jeder Großstadt so weit entfernt, dass es kein Hype bis hierhin schafft. Dem Gebäude der örtlichen Berufsschule sieht man an, dass es beim letzten Konjunkturpaket leer ausgegangen ist. Doch drinnen steht Michaela Widowsky und sagt: „Jana, schau während des Vortrags doch nicht so oft auf dein iPad.“ Widowsky, 34, mit viel Schlagfertigkeit und dem Dialekt der Region gesegnet, unterrichtet gerade Pädagogik in der zwölften Klasse des beruflichen Gymnasiums. Jana Brosche ist 17, und in ihrer Hand hält sie wie alle ihre Mitschüler einen Tablet-Computer. Gerade spricht sie über „Direkte und indirekte Erziehungsmaßnahmen“ und muss jetzt erfahren, wie eine ebensolche auf sie niederprasselt. „Klammer dich nicht so an das Gerät, die andern wollen dein Gesicht sehen, nicht deinen Computer“, schimpft Widowsky.

Hier ist Alltag, wovon selbst Produktmanager im fernen Cupertino, dem Sitz von Apple, noch träumen. Deutschlandweit ist es gerade einmal ein knappes Dutzend Schulen, die nach Angaben des Unternehmens mit iPads arbeiten. In Prüm ist man dennoch überzeugt, dass es bald reihenweise Nachahmer geben wird. „Die Geräte werden dann zum Erfolg, wenn man jeden Schüler mit einem persönlichen Exemplar ausstattet“, sagt Ralf Loskill, stellvertretender Schulleiter der Prümer Berufsschule und Initiator des iPad-Projekts.

Bisher in vielen Schulen gescheitert

Vor einem Jahr schaffte er zunächst zwei Dutzend Geräte an, die Schüler konnten sie in den Klassen benutzen. Nach positiven Rückmeldungen entschied sich die Schule dann, einen ganzen Jahrgang damit auszustatten. Ein Drittel der Kosten übernahm die Schule, ein weiteres Drittel örtliche Sponsoren, den Rest zahlten die Eltern. „Die Tablets müssen seitdem nicht mehr in der Schule bleiben, sondern sind persönlicher Besitz der Schüler“, sagt Loskill. Darin liegt aus seiner Sicht der entscheidende Vorteil: Die Schüler nutzen die Geräte auch privat, zum Kommunizieren, Spielen und Arbeiten. Und sie hüten und pflegen die Apparate entsprechend. In Widowskys Pädagogik-Klasse kramt Jana Brosche erst mal Desinfektionsspray und Brillenputztuch aus der Schultasche, nachdem sie die Belehrung über sich hat ergehen lassen. Der Bildschirm wird kräftig poliert und wieder auf Hochglanz gebracht, dann verschwindet das Tablet in der eleganten Schutzhülle.

So trivial das klingt, es sind zumeist diese kleinen Dinge, an denen der Einsatz digitaler Medien bisher in vielen Schulen scheitert. Denn über einen Computerraum verfügt inzwischen fast jede Einrichtung, auch Notebookwagen mit der Ausstattung für eine ganze Klasse und Beamer sind meist vorhanden. Doch welcher Lehrer weiß im Zweifel schon, wo der Notebookwagen gerade ist? Und ob irgendein Witzbold nicht wieder die Akkus aus den Laptops versteckt hat? Wer die Geräte einsetzt, muss oft die erste Viertelstunde allein für die technische Ausrüstung einplanen. Wenn davor schon der gemeinsame Gang in den Computerraum lag und am Ende auch noch der Beamer hängt, ist die Stunde fast gelaufen. Zuständig für Wartung und Instandhaltung ist meist ein Lehrer, der das neben seiner üblichen Lehrverpflichtung freiwillig übernimmt. Auch wenn das Engagement dieser Technikliebhaber oft jeden Lehrplan sprengt, genügt es meist vorne und hinten nicht. Wen wundert, dass viele Lehrer da lieber gleich verzichten.

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