Business-WG Die neue WG-Romantik der modernen Jobnomaden

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WG-Bewohner Quelle: Andreas Fechner für WirtschaftsWoche

Zwischen Samstagsbrunch und Saunagang klagen sich die Jobnomaden ihr branchenübergreifendes Leid, helfen sich bei Bewerbungen und diskutieren Geschäftsideen. So entstehen neben einem privaten sozialen Netzwerk auch nützliche berufliche Kontakte.

Überhaupt vermischt sich in den Riesen-WGs häufig Berufliches und Privates. Oft bis in die Nacht sitzen die Bewohner dann gemeinsam an dem langen schwarzen Holztisch mit den roten Hängelampen und diskutieren bei Käsetoastbrot und Tiefkühlpizza über Programmierungsprobleme, Investmentstrategien oder das nächstgelegene Manikürestudio.

Job und Sozialleben liegen für viele der Bewohner eng beieinander: Bei nicht wenigen ist das Büro ohnehin gleich dort, wo sie ihren Laptop aufklappen. Und das kann auch schon mal in der gemeinsamen WG-Küche sein.

So ergibt sich inmitten der vielen freischaffenden Jobnomaden eine kollektive Ressource, auf die viele gerne zurückgreifen. So wie Deborah Heidt.

Die 24-jährige Unternehmerin zog bewusst wegen solcher Synergien in die Düsseldorfer Business-WG. Vor neun Monaten entwickelte sie dort ihre Geschäftsidee: das Internet-Portal Snamibo, auf dem sich Kunden seit April persönliche Snackboxen zusammenstellen können.

Den schnellen und erfolgreichen Start verdankt sie ihren Mitbewohnern: Der freie Programmierer Andreas Grieb gestaltete ihre Homepage, L’Oréal-Marketingmanager Wilhelm Joubert wiederum stand für die Werbefotos Modell. Auch die Zulieferer für die verschiedenen Snacks wählte Deborah Heidt mithilfe ihrer Mitbewohner aus: Sie durften von dem Knabberzeug kosten und mussten es anschließend bewerten.

Auch als Karriere-Katalysator liegt die Business-WG damit voll im Trend. „Soziale Kontakte sind heute das A und O für den beruflichen Erfolg“, weiß der Kölner Psychologe und Karriereberater Manuel Tusch. „Mitarbeiter mit einem weiten sozialen Netzwerk sind einfach innovativer und produktiver.“

Robby Gill etwa hat sich an das Leben und Arbeiten im Dauer-Provisorium längst gewöhnt: In Stuttgart und Neuseeland hat er studiert, in Karlsruhe, Stuttgart, Heidelberg und Frankfurt gearbeitet. Noch bis Ende Juli will er bei Ogilvy Internet-Projekte betreuen – was danach kommt, weiß er nicht.

„In meiner Branche ist es normal, ständig die Stadt zu wechseln. Familiäre Strukturen sind mit diesem Lebensstil nicht zu vereinbaren“, erzählt der Dauermobile. „Die Business-WG ist da eine gelungene Alternative: eine nette Zweckgemeinschaft.“

Doch in die Gemeinschaft darf nicht jeder: Veronique Peters, Chefin der Düsseldorfer WG, entscheidet in einem persönlichen Gespräch mit den Anwärtern allein, ob ein Bewerber passt oder nicht.

Ein festes Schema habe sie dabei zwar nicht, aber sie lege Wert darauf, dass der Kandidat sich natürlich und authentisch präsentiere. Außerdem achte sie auf eine Ausgewogenheit bei Berufsgruppen und Geschlecht: In Derendorf sind derzeit nur 30 Prozent der WG-Bewohner weiblich. Es dürften aber mehr sein.

Ein weiteres Ausschlusskriterium ist für manchen Anwärter allerdings auch der Preis: Ein etwa 28 Quadratmeter großes Zimmer kostet in Derendorf 475 Euro zuzüglich 30 Euro für die WG-Kasse, für 18 Quadratmeter muss man 330 Euro berappen. In dem zweiten Düsseldorfer WG-Projekt sollen die 20 Quadratmeter großen Zimmer sogar 500 Euro kosten. Das ist nicht gerade günstig, nicht einmal für Düsseldorf.

Allerdings ist das damit verbundene Angebot durchaus sehenswert: Neben Whirlpool und Sauna wird es einen nutzbaren Konferenz- sowie einen Fitnessraum geben.

Die Kündigungsfristen sind zudem sehr flexibel: nur zwei Wochen zum Ende des Monats. Auch Möbel können mitgebracht werden oder im WG-eigenen Möbel-Pool geliehen werden. „Wir wollen noch stärker auf die Bedürfnisse der Berufstätigen eingehen“, sagt Investor Bernd Prasuhn.

Auch in der Hamburger Students-Lodge, wo Sascha Eggers allein bestimmt, wer einzieht und wer nicht, sind die Preise nicht gerade ein Schnäppchen: Die möblierten Zimmer kosten bei ihm zwischen 375 und 530 Euro und sind zwischen 10 und 30 Quadratmeter groß.

Und trotz aller WG-Romantik: Die Riesenwohngemeinschaften haben auch ihre anonyme Seite. So kennen sich die meisten Bewohner oftmals nur beim Vornamen und wissen allenfalls, in welcher Stadt ihr Gegenüber zuvor gewohnt hat. Weil jeder nur auf der Durchreise ist, bleibt das Gros der Kontakte oft zwangsläufig oberflächlich – und die Bewohner zumindest gemeinsam einsam. 

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