Dass diese Verbindung immer mal wieder abreißt, verdankt die Hubertus Alpin Lodge einem quasi natürlichen Standortvorteil: Das Internet im Allgäuer Hochtal, einer Enklave an der Grenze zu Österreich, ist ziemlich langsam, die „Funkstille“ insofern das kongeniale Angebot im „Funkloch“ Balderschwang.
Marc Traubel, der Juniorchef, räumt ein, dass man aus der „digitaltechnischen Not eine Tugend“ gemacht habe, die freilich mit pädagogischem Eifer verfolgt wird. Wenn der Seniorchef zur Sonnenaufgangswanderung lädt, auf den Siplingerkopf, gegen 4.30 Uhr in der Früh, werden Redselige, die vom jüngsten Seychellen-Urlaub schwärmen, sanft zurechtgewiesen. Und wer im heiligen Moment, da es „taget“ und die Landschaft vom Schwarz-Weiß in die Farbe wechselt, das Smartphone zückt zum Fotografieren, erntet schon mal einen strengen Blick des Bergführers. Traubel versteht das Sonnenaufgangswandern als „Schule der Wahrnehmung“, die seine Gäste zur „Einfachheit“ hinführt, zur „Dankbarkeit“ gegenüber der Natur. Etwa 15 Prozent, sagt er, geben ihr Handy an der Rezeption ab – wahrscheinlich sind es deutlich weniger.
Stichproben ergeben, dass die Hubertus-Gäste mit dem Handyverzicht sympathisieren. „Finden wir gut“, sagt das Ehepaar aus Mayen, aber selber auf das Handy verzichten? „Wir fotografieren so gern.“ Immerhin: Der Chef einer Werbeagentur aus Hildesheim ist für seinen dreitägigen Hubertus-Quicky „runter“ von Facebook, Twitter und Snapchat. Trotzdem, den Kontakt mit dem „Office“ hält er. Für dringende Fälle. In seinem Job sei „Connectedness“ Pflicht.
Womöglich will er, was er zu müssen glaubt. Der Wunsch, gestört und abgelenkt zu werden, ist mittlerweile mindestens so stark wie der nach ungestörtem Bei-sich-Sein, das nicht mal in den Ruhepausen ertragen wird, an Wochenenden oder im Urlaub. Warum so viele nicht abschalten können? Weil ihnen dann etwas fehlt, weil sie sich langweilen und nicht komplett fühlen ohne die kleinen Glücks- und Zerstreuungsmaschinen.
Ulrike Stöckle spricht von „Abhängigkeit“: Das Smartphone funktioniere wie ein „einarmiger Bandit“: Wir starren immer wieder aufs Display, in der Hoffnung auf den nächsten Kick – und geraten, wie ein Junkie, in eine Art Dopaminschleife. „Das ist Las Vegas“, so Stöckle, „es macht süchtig“ – und stört empfindlich die Konzentration beim Lernen und Arbeiten: „Wer alle 16 Minuten gestört wird, kommt nie in den Flow.“
Damit sich das ändert, bietet die Betriebswirtin zweitägige „Digital Detox“-Seminare an (499 Euro), demnächst im neuen Hotel Quartier in Garmisch-Partenkirchen, dessen 18 Holz-Lodges „in der Grundausstattung“ offline sind, ohne Fernseher und Internetzugang. Die Seminarteilnehmer sollen zu einem reflektierten Digitalkonsum angeleitet werden, durch gemeinsamen Erfahrungsaustausch, Vorträge und Übungen. Es geht darum, wie Stöckle sagt, „sich selbst zu erleben“, beim „Glückskleeblattsuchen“ oder beim „Waldbaden“, das dazu einlädt, die „stressreduzierenden“ Substanzen der Bäume „zu atmen, zu riechen, zu fühlen“. Bei manchen Teilnehmern führt es zu Phantomwahrnehmungen: Plötzlich hören sie im Wald das Handy oder spüren eine Vibration in der Tasche.
Dabei bleiben die Handys ausgeschaltet. Wie in allen seriösen „Digital Detox“-Zonen. Beim Burning Man in Nevada, dem Festival der US-Techindustrie, nicht anders als im noblen Lanserhof am Tegernsee, wo sich die Gäste in kurklösterlicher Atmosphäre frei nach F.-X. Mayr gesundfasten dürfen (ab 3455 Euro pro Woche), mit gründlich durchgekauten Dinkelbrötchen zum Frühstück.