Coaching Die Taktgeber

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Die Folgen einer falschen Wahl können teuer sein. So verpflichtete sich eine Bankerin gleich beim ersten Treffen mit einem Trainer für einen Beratungsprozess über zwölf Monate, ohne andere Angebote zu prüfen. Kosten: 34.000 Euro. Rauen vom Bundesverband kritisiert: „Die Bankerin hatte verinnerlicht, dass Teures automatisch gut ist.“ Aus dem Knebelvertrag kam sie nur mit anwaltlicher Hilfe wieder heraus. Weil es keine staatliche Qualitätskontrolle gibt, hat Wissenschaftler Geißler selbst mit der Begutachtung begonnen. Zwei Dutzend Coaches hat er bislang unter die Lupe genommen. Geißler setzt ein Hochschulstudium plus eine fundierte Coaching-Ausbildung von 150 Stunden sowie drei Jahre Berufserfahrung voraus. Weiteres Aufnahmekriterium für seine Online- Datenbank: Der Trainer holt sich selbst regelmäßig Rückmeldung von einem Kollegen oder Psychotherapeuten ein. Denn ein Coach braucht selber Coaching: Welches persönliche Problem beschäftigt ihn? Wieso regt er sich über einen bestimmten Klienten auf? „Solche Fragen müssen von Profi zu Profi geklärt werden“, sagt Geißler. Außerdem hört der Gutachter sich Tonbandaufnahmen von Sitzungen an, um sich von der Arbeitsweise eines Anwärters zu überzeugen. Eine gelungene Lehrstunde ist immer ein Dialog auf Augenhöhe. Fachleute in Unternehmen prüfen ebenfalls die Berater, die sie einsetzen. Christa Stienen, Leiterin der Personalentwicklung bei der Metro, bittet potenzielle Coaches zum Praxistest: „Machen Sie das mal mit mir.“ Stienen ist Sozialpädagogin mit Coaching-Ausbildung und bekommt eine Flut von Angeboten, darunter auch viele unseriöse. „Nichts, was es nicht gibt“, sagt sie. Da ist zum Beispiel der „Eye-Coach“, der angeblich viel bewirkt, indem er Menschen intensiv in die Augen schaut. Oder der Manager, der nach seinem letzten Burnout weitergeben möchte, worauf es im Job wirklich ankommt — aber keine spezifische Coaching-Ausbildung vorweisen kann. Ein Coach kann auch nicht die Arbeit eines Psychotherapeuten ersetzen. Kindheitstraumata, Depressionen, Sucht oder Burnout sind nicht sein Einsatzgebiet, er sollte sich auf den beruflichen Erfolg beschränken. Ebenso wenig bewirkt Coaching Persönlichkeitsveränderungen. „Einen Mitarbeiter zur Vollreinigung beim Trainer abgeben – das funktioniert nicht“, sagt Experte Looss. Aus dem verschwiegenen Controller wird kein wortgewandter Kommunikationschef. Ein Coach kann nur latent vorhandene Begabungen wecken, Impulse geben und auf Verbesserungen in der Praxis hinarbeiten. So verordnete Trainer Kottmann dem Carlsberg-Personalleiter Dombrowski regelmäßige Treffen mit seinem Kollegen aus der Technik. Denn ohne Konsequenz wird aus guten Vorsätzen nichts. „Wie so oft erledigt man im Alltag das Dringende vor dem Wichtigen“, sagt Dombrowski. Da war es gut, dass der Coach den 40-Jährigen am Telefon fragte, warum er den Termin schon wieder verschoben habe.

Dranbleiben, nachhaken, genau hinhören – das ist der professionelle Auftrag der Coaches. Passend zur Situation setzen sie dazu verschiedene Techniken ein. Um diffuse Konflikte zu erfassen, lässt der Berliner Thomas Bachmann seine Klienten in Koordinatensysteme eintragen, zu welchen Mitarbeitern, Kollegen und Vorgesetzten sie in guter persönlicher oder professioneller Beziehung stehen. Die frisch gekürte Chefärztin, die über Autoritätsprobleme klagte, sah schwarz auf weiß: „Zu vielen ehemaligen Kollegen hatte ich private Verbindungen. Aber Kontakte in die verschiedenen Abteilungen fehlten.“ Gespräche mit Mitarbeitern, die sich nicht an ihre Dienstanweisungen hielten, übte sie mit Trainer Bachmann. „Ich-Botschaften formulieren, Verbesserungen vereinbaren und den nächsten Feedback-Termin gleich festlegen“, weiß die Medizinerin jetzt. Die Methoden allein machen aber keinen guten Coach. Metro-Personalentwicklerin Stienen legt vor allem Wert auf Branchenkenntnis: „Wir brauchen keinen Theoretiker. Der Coach sollte bodenständig sein und die Schnelligkeit des Handels kennen, um zu verstehen, unter welchem Druck unsere Marktleiter stehen.“ Keine Breitband-Berater, lautet auch die Devise bei Volkswagen. „Der Trainer muss mit dem Umfeld vertraut sein, in dem sich sein Kunde bewegt“, betont Christine Kaul, Leiterin der Geschäftsstelle Coaching im Autokonzern. Eine Auswertung verschiedener internationaler Studien bestätigt: Der Erfolg eines Coaching hängt vor allem von diesem Fachwissen und der guten Beziehung zum Gesprächspartner ab. Weil sie selbst viele Jahre in der Geschäftsleitung großer Unternehmen saß, kann Dorothee Echter den Vorstandsvorsitzenden eines Dax-Konzerns beraten, der mehr Einfluss auf seinen Aufsichtsrat gewinnen will. Top-Manager beschäftigen schließlich andere Themen als Nachwuchsführungskräfte. „Meine Kunden genießen im Unternehmen und in der Öffentlichkeit viel Aufmerksamkeit. Da sollten sie regelmäßig reflektieren: ,Wofür stehe ich und wie trage ich das nach außen?‘“, sagt Echter. Ein Auftritt in einer TV-Sendung wie „Berlin Mitte“ müsse gut vorbereitet sein. Sonst passierten schnell Ausrutscher. Vorbeugen: Nach dem Motto beanspruchte auch Max Graf Kerssenbrock ein Coaching für die ersten 100 Tage in seiner neuen Position. Der 35-Jährige wurde vom Assistenten der Geschäftsführung zum Bereichsleiter von Dr. Oetker Food-Service befördert. Damit übernahm er Verantwortung für 80 Mitarbeiter sowie für das Europageschäft des Lebensmittelherstellers, der Großverbraucher wie Krankenhäuser beliefert. Die meisten Kollegen sind deutlich älter als Kerssenbrock, dazu haben sie einen Erfahrungsvorsprung von ein, zwei Jahrzehnten in der Branche. „Da war es wichtig, mich gleich zu Anfang richtig zu positionieren“, sagt er. Mit seinem Coach ging er die verschiedenen Zielgruppen durch und legte fest, wen er wie in seine Arbeit einbindet. Leute wie Kerssenbrock gelten als typische Vertreter einer neuen Generation von Führungskräften. „Die glauben nicht, dass sie einsam wie die Westernhelden klarkommen müssen“, beobachtet Verbandsmann Rauen. Beratung sei für sie kein Stigma: „Keiner kann alles können.“ Auch die Carlsberg-Manager schätzen ihre neue Erfahrung. Und sie verbindet das Führungsteam, hat Personalleiter Dombrowski schon jetzt festgestellt. So gaben die Coaches den Brauerei-Chefs eine Entspannungsübung für zwischendurch mit auf den Weg: in den Bauch atmen wie ein vollgefressener Löwe in der Mittagshitze. Ein Tipp, der bei echten Kerlen erst mal Stirnrunzeln hervorrufen muss. Aber seine Wirkung zeigt er doch, erzählt Dombrowski: „Wenn bei uns die Stimmung hochkocht, heißt es jetzt scherzhaft: ,Ganz ruhig, mach mal den Löwen.‘"

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