
Klassik trifft Wirtschaft: Am 3. Mai wurde beim Studentenkonzert im Konzert- und Kongresszentrum Bamberg Gustav Mahlers Erste Symphonie zum Besten gegeben. Soweit, so gewöhnlich. Doch die Musiker, die dort vor zukünftigen Führungskräften spielten, arbeiten sonst als Manager, Geschäftsführer, Projektleiter, Anwälte, Ärzte, Klinikleiter, Hochschullehrer, Unternehmensberater oder Stadträte.
Ihre Arbeitgeber sind nicht die Bamberger Philharmonie, sondern das Helmholtz Zentrum München, die Generalstaatsanwaltschaft Dresden, die Technische Universität Berlin, der Pharmakonzern Novartis, das Verwaltungsgericht Leipzig, RWE, Bahlsen, Evonik, Boehringer Ingelheim, die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, ElringKlinger, Commerzbank, Tchibo, ThyssenKrupp oder Siemens.
Das Projekt nennt sich „The Management Symphony“ und ist eine gemeinnützige Initiative der Unternehmensberater Peter Gartiser und Nicolaus Steenken sowie des Gewandhausdirektors Andreas Schulz. „The Management Symphony ist das indirekte Ergebnis eines Beratungsprojektes im Bereich Vermarktung und Sponsoring - Aufbau eines Netzwerks in die Wirtschaft“, sagt Gartiser.
Zahlreiche Ärzte-, Polizei-, oder Feuerwehrorchester haben als Vorbild gedient. Für das Wirtschaftsorchester werden Persönlichkeiten mit Führungsverantwortung aus allen Bereichen und Unternehmensgrößen angesprochen.





Zusammenhänge zwischen Management und Kunst?
Warum vielbeschäftigte Führungskräfte monatelang zusammen mit Profimusikern üben, um ein oder zwei Konzerte zu spielen? Für Gartiser ist die Sache klar: „Lust am Musizieren mit Gleichgesinnten, professionelle Bedingungen, straffe Arbeitsphase, große Herausforderung in kurzer Zeit; eine große klassische Symphonie besonders gut kennenlernen; musizieren unter Pultstars wie Herbert Blomstedt, Riccardo Chailly, Sir Roger Norrington, Tomas Netopil, Andras Orozco-Estrada, Markus Stenz, Jonathan Nott.“
Die Konzertreihe, die es seit 1999 gibt, ist zum einen gemeinnützig: Der Erlös der Eintrittskarten kommt der Joseph-Keilberth-Orchesterakademie der Bamberger Symphoniker zugute. Und gemeinnützige Veranstaltungen, Spenden-Galas oder sonstige Charity-Events kommen in der Regel nicht ohne bekannte Gesichter und große Namen aus. Doch in diesem Fall sollen die Wirtschaftsmusiker nicht nur etwas Gutes tun und die Kunst fördern, sie sollen auch selbst davon profitieren.
„Persönlichkeiten mit Führungsverantwortung werden für die Besonderheiten des künstlerischen Betriebs eines Spitzenorchesters sensibilisiert und erkennen im Orchester die spannenden Zusammenhänge zwischen Management- und Kunst-Tätigkeit“, heißt es bei der Orchesterstiftung der deutschen Wirtschaft, die ebenfalls von Peter Gartiser, Andreas Schulz, Nicolaus Steenken sowie Lothar Jacobmeyer gegründet wurde. Während klassische Musik als Kreativitätsboost noch nachvollziehbar scheint, treibt die Manager-Optimierung aber auch deutlich kuriosere Blüten.
Schwitzen nach indianischer Tradition
So können Entscheider beispielsweise Anfang Juni für 990 Euro plus Mehrwertsteuer im Österreichischen St. Leonhard nach indianischer Tradition miteinander schwitzen. Quasi Sauna mit Friedenspfeife für Führungskräfte. Nachdem die teilnehmenden Manager zunächst über die Integration westlicher und indigener Weltbilder und über Managementtools auf der Basis zyklischen Denkens sprechen, bauen sie anschließend mit Lakota-Häuptling John Fire Lame Deer, einem Repräsentant der Vollversammlung der Häuptlinge der nordamerikanischen Indianerstämme, eine Inipi.
Diese aus Weiden- oder Haselnussruten gestaltete Hütte symbolisiert gemäß der Lakota das Zusammenwirken von Mutter Erde, Vater Sonne, Großmutter Mond und dem Lebensbaum, dem zentralen Motiv für den spirituellen Weg der Lakota. Jeden Abend geht es für die Teilnehmer am „indigenen Cross-Culture-Management Seminar“ dann zum Schwitzen in die selbstgebaute Hütte ans spirituelle Feuer.
Wer teilnehmen möchte, muss „neben einer ausgewiesenen Führungsposition“ über „Offenheit für völlig neue Erfahrungen und Denkweisen sowie eine Herzensbildung, die über dem fachlichen Wissen steht“, verfügen.
Manager, die sich entsprechend öffnen, sollen „unschätzbar wertvolle Impulse für Ihr aktuelles Handeln und Ihre Entscheidungen von morgen“ erlangen. Außerdem sollen sie „wertvolle Hinweise für die Bewältigung der komplexen Herausforderungen ihres Berufsalltages und für Managementaufgaben der nahen Zukunft in einer sich ständig wandelnden Welt“ gewinnen. Wohlgemerkt: Beim Diskutieren der Naturlehre der Lakota und dem gemeinsamen Schwitzen – letzteres findet allerdings nach Geschlechtern getrennt statt.
Felicitas von Elverfeldt bereiten solche Seminare eher Bauchschmerzen. Die Diplom-Psychologin arbeitet seit 1995 als Coach für Führungskräfte im mittleren und oberen Management. „Ich denke, die Methode sollte zur Unternehmenskultur und Zielgruppe passen und zielführend sein. In Finnland ist es vielleicht üblich, gemeinsam mit Kollegen und Vorgesetzten in die Sauna zu gehen. Das ist nicht für alle Kulturen und Zielgruppen anschlussfähig.“
Dass sich deutsche Führungskräfte gemeinsam nackt um ein paar Kohlen scharren, um ihre Führungsqualitäten zu optimieren und die anstehende Sanierungsrunde besser zu managen – der Gedanke mutet doch recht befremdlich an.