Don't Stop Me Now Wie man für Rückenwind sorgt

Nähern wir uns einem Ziel, werden wir schneller, haben einen höheren Output und sind entschiedener. Manipulativ wird diese Erkenntnis oft bei Verhandlungen und Flirts eingesetzt. Bei eigenen Aufgaben hilft ein strategischer Umgang mit diesem Beschleunigungs-Gradienten, denn er sorgt für Rückenwind.

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Don't stop me now: Wie man für Rückenwind sorgt Quelle: REUTERS

Stellen wir uns vor, wir wollen die Intelligenz von Ratten testen und setzen sie hungrig in ein Labyrinth an dessen Ende ein Käsestückchen als Belohnung wartet. Wie schnell lernen die Ratten wohl, den richtigen Weg durch das Labyrinth zu finden? Genau diese Frage stellte sich der US-amerikanische Psychologe Clark L. Hull in den 1930er Jahren und machte eine spannende Zufalls-Beobachtung: Im Laufe der Zeit rennen die Ratten insgesamt zwar schneller durch das Labyrinth - haben also den Weg gelernt, aber während des Laufens verändern sie ihr Tempo.

Sie laufen relativ ruhig los und werden immer schneller und schneller je näher sie dem Ziel kommen. In einem anderen Experiment wurde den Ratten ein Geschirr angelegt und die Zugkraft gemessen, indem man sie an verschiedenen Punkten der Strecke stoppte. Kurz vor dem Ziel ist die Kraft am Größten.

Huskys machen es ähnlich: Sie ziehen ihren Hundeschlitten immer schneller und kraftvoller, je näher sie ihrem Heimatdorf kommen. Und Menschen? Menschen verhalten sich bezüglich der anvisierten Belohnung genauso: Sie werden mit wachsender Zielnähe schneller, schaffen mehr und bleiben länger dran - sie steigern sich demnach bezüglich der Zeit, der Quantität und der Beharrlichkeit der Anstrengung. Anregende Erkenntnis!

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Autopilot auf der Zielgerade

Sie werden jetzt vielleicht einwenden, das läge nur an dem gesteigerten Gefühl, wirksam zu sein, aber dem ist nicht so: Es gilt auch, so eine Amsterdamer Forschergruppe in aktuellen Befunden, wenn wir, wie beim Glücksspiel etwa, gar nichts zum Erfolg beitragen können: Wir spielen gegen Ende hartnäckiger. Wir scheinen so etwas wie einen inneren Autopiloten zu haben, der uns auf der Zielgrade beschleunigt, fokussiert und willensstark werden lässt - einen Ziel-Gradienten.

Erklärt wird dies zum einen neurobiologisch: Verspricht eine Aufgabe erfolgreich zu werden ("Ich kann das schaffen" oder "Ich kann das gewinnen!") und Belohnung zu bringen ("Wie geil wird das denn?"), beginnt das Gehirn, den erregenden Neurotransmitter Dopamin auszuschütten, der ein tiefes Verlangen nach der erfolgreichen Bewältigung weckt. Dopamin ist das Motivationshormon schlechthin.

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Eine andere Erklärung kommt verhaltensökonomisch daher: Wir haben ja im Laufe der Tätigkeit schon einiges an Zeit, Emotion und Kraft investiert und mit wachsender Investition steigt der Wille, dass Ziel tatsächlich zu erreichen. Die Vorleistung soll sich lohnen! - ansonsten hätten wir ja bisher nur Energie verschwendet.

Lover, Arbeitgeber und Low-Balls

Und so raten Flirtcoaches im Netz immer wieder schlicht dazu, Singles sollten evtl. interessante Partner/innen erst einmal etwas investieren lassen, bevor sie zum Zuge kommen, denn der Wille zum Beziehungserfolg wächst mit steigenden Investitionen an Zeit, Geld und Gefühl ("Lassen Sie den Anderen die Steaks zum ersten Date mitbringen oder lassen Sie ihn erstmal Ihre neue Lampe aufhängen - der Heißbegehrte soll in Ihre gemeinsame Zeit investieren!"

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Ähnliches gilt bei Verhandlung. Es scheint gang und gäbe, den Verhandlungspartner in langen Gesprächen zur Zeit-Investition zu verführen und schließlich - wenn das Ziel in Sichtweite ist - auf der letztendlichen Zielgerade schnell noch eine letzte Forderung nachzuschieben, von der bisher nur am Rande die Rede war ("Wenn wir uns nun noch bei dem Gehalt auf xy einigen können, könnte ich zum 01.07. anfangen!").

Als "Low-Ball-Technik" bezeichnen Sozialpsychologen diese Strategie: Die Zielperson wird zu einem generellen "Ja" bzgl. eines Produkts oder Bewerbers gebracht, kommt auf der Zielgerade so richtig in Fahrt und im letzten Moment fällt noch ein klitzekleiner "Preisaufschlag" an, der im Eifer des in Sichtweite befindlichen finalen "JAs", wie ein tiefer Ball durch die Beine rollt und dann eben noch "mit durchgeht" - weil wir ja nun schon so weit fortgeschritten sind auf dem Weg zum Wollen. Der Rest geht dann eben auch noch.

Was wir tun können

Überhaupt scheinen Musiker ihre ruhige Vertiefung hartnäckig zu verteidigen: Über Ludwig van Beethoven ist bekannt, dass er in wütende Raserei verfiel, wenn man ihn bei der Arbeit störte.

In diesem Sinne auch Freddie Mercury rund 200 Jahre später: Don't stop me now - cause I'm having a good time!

Having a good time! Don't stop me now!

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