Downshifting Abschied vom Aufstieg

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War das alles?

Es hat sich einiges verändert in Deutschland. Bewusster Karriereverzicht – das kannte man bisher vor allem aus dem alternativen Hippiemilieu. Es erinnert an die verklärte Aussteigerromantik alter Herren, denen der Wiener Liedermacher Peter Cornelius schon 1981 mit der griffigen Zeile „Ich bin reif für die Insel“ aus der Seele sprach. Heute sind es die sogenannten High Potentials, die selbstbewusst entscheiden, auf welcher Höhe ihr Ausflug auf der Karriereleiter enden soll. „Wer bereits als 30-Jähriger in einer Leitungsposition sitzt, hat oft Jahre hinter sich, in denen er sein Privatleben vernachlässigt hat“, sagt Elisabeth Strack, Coach für Führungskräfte in Hamburg. Es fehlen Freunde, Freizeit, Familie, die die Überflieger auffangen. Am Anfang fällt das kaum einemauf. Der berufliche Erfolg überstrahltdie private Leere. Doch irgendwannwirkt die Droge nicht mehr. Dann stehen die Jungstars schon mit Mitte 30 vor derselben typischen Frage wie ihre älteren Kollegen in der Midlife-Crisis: „War das jetzt alles?“

Angst vorm Aufstieg

Da ist etwa die junge Unternehmensberaterin aus Berlin, die hier nicht genannt werden will und schnell zur Geschäftsführerin aufgestiegen ist. Sie hält bereits Anteile am Unternehmen und soll nun zur Partnerin ernannt werden. Sie ist gerade erst 29 geworden. Sie freut sich über die Anerkennung ihrer Leistung, gewiss. Stolz schwingt dabei auch mit. Doch statt zu feiern, fühlt sie bohrende Fragen in sich aufsteigen: Will ich wirklich schon jetzt so hoch hinaus? Was bleibt mir dann noch vom Leben?Sie lehnt den Posten schließlich ab und entscheidet sich zu einem radikalen Schritt: Sie fängt noch einmal ganz von vorne an, ganz unten – als Angestellte in einem Marktforschungsinstitut.  Und sie ist glücklich damit. Gesellschaftlich bleibt solch ein kalkulierter Karriereknick jedoch bis heute riskant. Wer freiwillig aufgibt und aussteigt, gilt schnell als Weichei, als Flüchtling, der lediglich schon jetzt vollzieht, was er später ohnehin schmerzvoll erfahren hätte: dass er es eben nicht packt, da oben mitzuspielen. „Lusche!“ – Auch so etwas bekommen manche der Downshifter auf den Fluren immer wieder zu hören. Die Zweifel der Betroffenen wachsen deshalb oft im Verborgenen, hat die Berliner Karrieretrainerin Petra Bock beobachtet. Selbst der Ehepartner ahnt oft nichts vom Unbehagen vor der steilen Laufbahn. Dabei spüren fast alle Downshifter typische Ängste: Was ist falsch mit mir? Warum will ich keine Karriere machen? Verbaue ich mir damit für immer meinen Lebenslauf? Was sie ihren Klienten dann rate?„Du bist nicht verrückt, nur weil du einen Schritt zurückgehen willst“, sagt Bock zum Beispiel. Fast immer ginge es darum, den Betroffenen Mut zu machen und eine Art Absolution zu geben. „Manche wünschen sich von mir geradezu die Erlaubnis, vom Karrierekarussell absteigen zu dürfen.“

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