Dresscode im Job Wie Anzug und Krawatte uns im Job beeinflussen

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Informelle Kleidung: eine Frage der Branche

Karen Parker, Personalchefin bei adidas, findet, dass Kleidung ein Ausdruck von Kreativität ist. Deshalb gibt es in den Räumen des Sportherstellers auch keine Anzug-und-Krawatten-Politik. “Wir wollen sicherstellen, dass jeder einzelne Mitarbeiter sich bei adidas willkommen fühlt”, sagt sie. Formelle Kleidervorgaben stünden dem bloß im Weg, findet die Personalerin und rät auch Bewerbern, nicht in Anzug und Krawatte zum Vorstellungsgespräch zu erscheinen. Bloß auf die richtige Schuhmarke sollten diese Acht geben.

Doch nicht überall sind Individualität und Sportlichkeit willkommen. Eine Umfrage im Londoner Bankensektor, die Business Insider UK durchführte, ergab, dass sich Menschen dort vor allem darum bemühen, kleidungstechnisch nicht aus der Rolle zu fallen. Als wichtigste Faustregel gilt: “Wer sich unsicher ist, ob die Kleiderwahl passt, ist wahrscheinlich schon zu weit gegangen.” Grundsätzlich sollte man sich an einen formellen Dresscode halten, konservative Farben und Muster beim Anzug oder Kostüm wählen und dabei nicht die Krawatte vergessen. Auch der sogenannte Casual Friday, an dem sich Mitarbeiter zur Ausnahme mal lässig kleiden dürfen, ist in Banken eher ungewöhnlich.

Eine Frage der Manieren?

Rainer Wälde, Vorsitzender des deutschen Knigge-Rates, findet es gut, dass die Bekleidungsregeln sich gelockert haben. Allerdings ist er persönlich kein Freund davon, im beruflichen Alltag mit Jogginghose zur erscheinen. “Meine Empfehlung: typische Freizeitgarderobe wirklich erst nach Feierabend tragen” sagt der Anstands-Experte. Die wichtigste Regel sei laut Wälde, dass man sich dem Anlass und der Branche gerecht kleide: „In seriösen Branchen sollte Kleidung Sicherheit und Vertrauen ausstrahlen. Im kreativen und handwerklichen Bereich kann die Business-Kleidung auch funktional oder trendy sein.”

Grundsätzlich gilt: Straffe Kleiderregeln werden weiterhin in Branchen gern gesehen, in denen Hierarchien geordnet werden müssen. In anderen, in denen es kollegialer zugehen darf und der Austausch wichtiger ist, als die analytische Denkfähigkeit, darf es kleidungstechnisch immer lässiger werden. In Unternehmen, die bei Bewerberinnen und Bewerbern mit flachen Hierarchien punkten wollen, kann ein legerer Dresscode deshalb zusätzlich überzeugen.
Zudem hat die Tatsache, dass formelle Kleidung das abstrakte Denken fördert weniger mit Anzug, Kostüm oder Krawatte zu tun, sondern vielmehr damit, dass Menschen genau das für förmlich halten. Denn, so sagt die Studie hinter dem Dresscode, wenn jetzt jeder anfängt, Anzug zu tragen, wirkt die formelle Kleidung auch gar nicht mehr formell - und hilft am Ende auch nicht mehr dabei, abstrakter zu denken.

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