Fachkräftesuche So finden Sie den perfekten Chef

Fachkräfte finden ist schon schwierig, einen guten Chef finden, ist die Königsdisziplin. Diese fünf Tipps sollten Personalverantwortliche beherzigen, wenn sie eine Führungsposition neu besetzen müssen.

  • Teilen per:
  • Teilen per:

Blender und Fachidioten

Der Technologiekonzern General Electric hat es gerade wieder vorgemacht. Seit Anfang August ist John Flannery Vorstandsvorsitzender des US-amerikanischen Unternehmens – und das haben die Verantwortlichen seit langem geplant.
Schon im Jahr 2011 starteten sie mit der Suche nach einem geeigneten Nachfolger für den damaligen CEO Jeff Immelt. Zehn Kandidaten hatten sie ausgeguckt. Über Jahre beobachteten sie ihre Entwicklung, bildeten sie gezielt weiter – auch an der unternehmenseigenen Universität in Crotonville. Bei GE wird nichts dem Zufall überlassen, wenn es um die Besetzung von Chefposten geht. Dass der Konzern damit richtig liegt, zeigt die enorme Konstanz in der Vorstandsetage.

Elf CEOs in 125 Jahren

In der 125-jährigen Firmengeschichte ist Flannery erst der elfte Vorstandsvorsitzende. Sein Vorgänger Immelt leitete 16 Jahre die Geschicke von GE. Der legendäre Jack Welch stand sogar 20 Jahre an der Spitze. Zahlen, von denen andere Unternehmen nur träumen können. Die durchschnittliche Verweildauer eines CEOs in den 300 größten börsennotierten Unternehmen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz lag 2015 bei 7,8 Jahren.

Die Gründe für schnelle Chefwechsel sind vielfältig: Mal passen die Auserwählten nicht zur Kultur des Unternehmens, mal sind sie mit ihrer Aufgabe schlichtweg überfordert oder malträtieren ihre Angestellten solange, bis der Aufsichtsrat nicht mehr wegschauen kann und sie entlässt.

Das ganze Ausmaß der Fehlbesetzungen zeigt eine Studie der Internationalen Hochschule Bad Honnef aus dem vergangenen April. Knapp 1200 Berufstätige hatten dabei ein Online-Tool zur Selbsteinschätzung genutzt, hinzukamen Fremdeinschätzungen von Vorgesetzten und Kollegen. Das Ergebnis: Zwei Drittel aller Führungskräfte sind in ihren Unternehmen falsch eingesetzt. Etwa ein Viertel wäre besser Fachkraft geblieben. „Das ist die Folge unserer Beförderungskultur“, sagt Studienleiter Wilko Plabst. „Die Entscheidung, wer befördert wird, orientiert sich oft mehr am Erfolg in der alten Rolle als an der Eignung für die neue Aufgabe.“

Der oder die Falsche für den Job: Fehlbesetzungen in deutschen Unternehmen

Um dieses und weitere Probleme bei der Chefauswahl auszumerzen, sollten Sie die folgenden fünf Schritte beachten:

1. Vorausschauende Personalplanung

Nur wer weiß, auf welchen Posten in den kommenden Jahren Mitarbeiter ausscheiden, kann gezielt Nachfolger aufbauen und in Ruhe überlegen, wer für die vakante Stelle geeignet ist. Das hilft Fehlbesetzungen zu vermeiden. Denn einer der Hauptgründe für personelle Fehlentscheidungen ist laut einer Umfrage der Beratung Pape unter 3000 Personalverantwortlichen, der hohe Zeitdruck unter dem Positionen neu besetzt werden müssen.
Natürlich verabschieden sich hier und da Leistungsträger völlig überraschend aus dem Unternehmen. In vielen anderen Fällen ist das Ausscheiden aber absehbar – etwa aus Altersgründen. Regelmäßige Bedarfsanalysen und eine Übersicht über Austrittsdaten sind feste Bestandteile einer vorausschauenden Personalarbeit.

Die HR-Software Workday geht sogar noch einen Schritt weiter. Speisen Personaler den Algorithmus mit genügend Daten, errechnet er eine Abwanderungswahrscheinlichkeit für die betreffenden Mitarbeiter.

2. Ausführliches Anforderungsprofil

Egal ob plötzlich oder seit langem bekannt: Wenn eine Stelle neu besetzt werden muss, müssen die Verantwortlichen genau definieren, welche Fähigkeiten der neue Chef braucht. Dazu erstellen sie Anforderungsprofile. Wie essentiell dieser Schritt bei der Auswahl von Führungskräften ist, weiß auch Nicolas von Rosty, Deutschlandgeschäftsführer der Personalberatung Spencer Stuart. Er fragt bei seinen Mandanten im Detail nach: Woran messen sie den Erfolg der Führungskraft in einem Jahr? Woran in fünf Jahren? Welche strategischen Herausforderungen muss der Neue bewältigen? „Diese Gespräche können für Mandanten mitunter anstrengend sein“, sagt von Rosty, „weil sie sich weit öffnen müssen. Aber nur so können wir ein Suchprofil erstellen, dass auch wirklich passt.“

Wer passt zur Stelle?

Wirtschaftspsychologieprofessor Uwe Kanning von der Hochschule Osnabrück berät regelmäßig Behörden beim Erstellen von Anforderungsprofilen. Dabei fragt er Vorgesetzte, Kollegen und Mitarbeiter nach zentralen Situationen aus dem Arbeitsalltag und wie diese optimal gelöst werden müssten. Im Anschluss analysiert er die Gespräche und erstellt ein Anforderungsprofil. „Wenn die Unternehmen nun noch ausgeklügelte Leistungsbeurteilungssysteme hätten, könnten sie schon an dieser Stelle sehen, welche Kandidaten zum Anforderungsprofil passen“, sagt Kanning.

3. Externe Expertise

Geht es um Führungskräfte oder hoch spezialisierte Fachkräfte beauftragen viele Unternehmen Headhunter mit der Suche. Von Rosty, der vor allem Positionen im Top-Management besetzt, erstellt zunächst eine Liste mit Kandidaten, die die Voraussetzungen erfüllen. Diese spricht er mit den Auftraggebern durch. Wer übrig bleibt, wird kontaktiert und bei Interesse zu einem Vorgespräch bei Spencer Stuart eingeladen. Die Kompetenzen der Bewerber prüft von Rosty in einem Interview. Er fragt, die Kandidaten nach Situationen aus der jüngeren, beruflichen Vergangenheit und wie sie diese gemeistert haben. „Solche konkrete Verhaltensweisen sagen sehr viel mehr aus, als Standardfragen zur Motivation oder Stärken und Schwächen“, sagt der Personalberater. Aus diesem Gespräch erstellt von Rosty eine Auswertung für seinen Mandant. Auf deren Basis entscheidet der Auftraggeber, wen er zum persönlichen Gespräch lädt.

Die besten Tipps zur Chefauswahl
Uwe-Kanning Quelle: PR
Herwarth-Brune Quelle: PR
Nicolas-von-Rosty Quelle: PR
Nanne-von-Hahn Quelle: PR
Martin-Hofmann Quelle: PR
Jürgen-Deters Quelle: PR
Karsten-Ottenberg Quelle: PR

Diese professionelle Hilfe macht auch dann Sinn, wenn die Unternehmen bereits einen internen Aufsteiger für die Position im Visier haben. „So können sie den Kandidat mit anderen auf dem Markt verfügbaren Führungskräften vergleichen“, sagt von Rosty.
Experten raten auch Familienunternehmern dazu, sich Hilfe von außen zu holen. Vor allem wenn ein Familienmitglied die Nachfolge antreten soll, verlieren die Firmengründer häufig ihren objektiven Blick.

Aber auch bei der Auswahl des Personalberaters gilt es einiges zu beachten. „Headhunter sind dann gut, wenn sie nicht nur gute Leute vorschlagen, sondern sich im nächsten Schritt auch trauen, deren Kompetenzen kritisch zu hinterfragen“, sagt Wirtschaftspsychologe Kanning.

4. Strukturiertes Auswahlverfahren

Stehen die Finalisten fest, können ihre Kompetenzen vielfältig überprüft werden. Strukturierte Auswahlgespräche, bei denen jedem Kandidat dieselben Fragen gestellt werden, um die Antworten besser vergleichen zu können, sind eine Möglichkeit. Dabei sollten bei allen Gesprächen auch die gleichen Interviewer vor Ort sein – ebenfalls um die Vergleichbarkeit zu wahren.

Das Mehraugenprinzip in Bewerbungsgesprächen ist selbst bei vielen kleinen Mittelständlern mittlerweile Pflicht. „Viele Unternehmen erlauben es nicht mehr, dass der Chef alleine seine neuen Mitarbeiter aussucht“, sagt BWL-Professor Torsten Biemann von der Universität Mannheim. „Selbst in kleineren Firmen gibt es Auswahlgremien, um sich vor zu viel Homogenität zu schützen.“

Außerdem verwenden Unternehmen gerne so genannte Einzel-Assessments. Die Aufgaben dabei sind vielfältig, reichen von der Bearbeitung einer Case Study über Präsentationen bis hin zu psychologischen Tests.

Die Chef-Checkliste zur sozialen Kompetenz

Eine weitere Möglichkeit sind Onlinetests, um verschiedene Kompetenzen abzuprüfen. Je nach Anforderungsprofil können sie mathematische oder verbale Fähigkeiten testen oder den Führungsstil einer Person valuieren. Delegiert der Bewerber Aufgaben oder neigt er zum Mikromanagement? Führt er seine Mitarbeiter über Motivation oder setzt er ganz auf seine Weisungsbefugnis? Solche Fragen können psychologische Tests beantworten.

5. Kontinuierliche Weiterentwicklung

Mit der Beförderung ist der Weg zum perfekten Chef längst nicht abgeschlossen. Genauso wichtig wie der Auswahlprozess ist die kontinuierliche Weiterentwicklung der Führungskräfte. Natürlich kann nicht jeder Mittelständler eine eigene Weiterbildungsakademie unterhalten, wie das Technologieunternehmen GE oder andere große Konzerne. Aber gelegentliche Führungsseminare oder ein Mentorenprogramm helfen vor allem jungen Führungskräften, an sich zu arbeiten.
Dabei hilft auch die Rückmeldung der eigenen Mitarbeiter. Da diese sich aber häufig scheuen, den Chef zu kritisieren, können auch anonyme Bewertungen vorgenommen werden. Der Vorgesetzte kann dann auf Basis dieses Feedbacks und mit Hilfe eines Coaches an sich arbeiten.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%