Gefühle Haben Sie heute schon die Sau rausgelassen?

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Wut ist nicht gleich Wut

Dazu muss allerdings auch die Unternehmenskultur stimmen. „Wenn ich generell sage, jegliche Wut ist schlecht, habe ich ein Problem“, so Lindebaum. Mitarbeiter müssen sie deshalb zum Ausdruck bringen können, ohne gleich als Choleriker abgestempelt zu werden.

In Verhandlungen kann Wut ebenfalls hilfreich sein – vorausgesetzt natürlich, sie wird richtig eingesetzt. Marwan Sinaceur von der ESSEC Business School in Paris und Larissa Tiedens vom amerikanischen Scripps College konnten in Experimenten zeigen, dass Verhandlungsführer größere Zugeständnisse von ihrem Gegenüber bekommen, wenn sie wütend auftreten. Ehrlicherweise beobachteten die Wissenschaftler diesen Effekt aber nur, wenn der Verhandlungspartner keine Alternativen zu einer Einigung hatte.

Umgang mit Wut üben

Hinter den guten Seiten der Wut lauert immer auch die Gefahr, spontan überzureagieren. Aber: Den richtigen Umgang kann jeder trainieren. Der Aggressionstherapeut Michael Kopper bringt seinen Patienten eine Art Frühwarnsystem bei, damit die Wut nicht überkocht. „Solche Erregungszustände waren in der Steinzeit hilfreich, wenn ein Säbelzahntiger auf uns zu rannte“, sagt Kopper. Heute brauchen wir so viel Energie meistens nicht. Wer also richtig wütend ist, sollte zunächst durch Atemübungen oder Zähltechniken versuchen, den ersten Affekt von der darauffolgenden Handlung zu entkoppeln.

So entkommen Sie Wut und Frust im Job
eine Frau meditiert Quelle: Fotolia
Frau hat einen Wutanfall Quelle: Fotolia
Mann hält sich den Mund zu Quelle: Fotolia
Frau hält sich die Ohren zu Quelle: Fotolia
Ein Mann und eine Frau unterhalten sich Quelle: Fotolia
Eine Frau trinkt aus einer Wasserflasche. Quelle: dpa
Ein Mann im Anzug kurz vor'm Sprint Quelle: Fotolia

„Neid ist ein hässliches Wort“

Wenn Bilal Zafar an die Unternehmer-Brüder Marc, Oliver und Alexander Samwer denkt, überkommt ihn ein Gefühl, dass er eigentlich nicht mag: „Neid ist ein hässliches Wort“, sagt der Gründer des Start-ups Richtiggutbewerben.de. „Aber jeder Mensch empfindet diese Emotion ab und zu.“

Worauf er neidisch ist? Zafar gründete sein Unternehmen zusammen mit seinem Bruder Adil. Das läuft gut, ist aber weit entfernt von einem Imperium. Wenn er sich dann anschaut, was die Samwers mit Rocket Internet – trotz dessen derzeitiger Krise – in kurzer Zeit erschaffen haben, wünscht er sich einen ähnlichen Erfolg.

Zafar findet dabei nichts Schlimmes. „Wer neidisch ist, aber dem anderen seinen Erfolg gönnen kann, ist motivierter, alles zu tun, um genauso erfolgreich zu sein.“

Solche Töne sind selten, Neid gilt doch als eines der niederträchtigsten Gefühle. „Das ist auch kein Wunder, wenn man bedenkt, dass der Neid es auf die gleiche Liste geschafft hat wie ,Du sollst nicht töten!‘“, sagt Niels van de Ven von der Universität Tilburg. Der Professor erforscht das Gefühl schon seit einiger Zeit. Den Kern des Neidischseins sieht van de Ven im Vergleich mit anderen. Fühlen wir uns dabei minderwertig, werden wir neidisch. Doch es gibt eine Einschränkung: Das Gefühl tritt vor allem dann auf, wenn es realistisch ist, das Gleiche zu erreichen. Usain Bolts Sprintrekorde erwecken deshalb in den meisten Menschen keinen Neid, die clevere Idee eines Kollegen schon.

Außerdem muss der Erfolg verdient sein. Denn um aus Neid Motivation zu ziehen, muss der Mensch anerkennen, dass die andere Person hart dafür gearbeitet hat. Diese Einsicht ist nicht immer einfach, aber nur daraus entsteht der wohlmeinende Neid und damit auch der Ansporn, es den Beneideten gleichzutun. Die Wirksamkeit konnte Forscher van de Ven in mehreren Experimenten nachweisen.

Man muss auch gönnen können

In einer Studie aus dem Jahr 2011 etwa sollten sich die Teilnehmer an eine Situation erinnern, in der sie jemand anderen beneidet hatten. Die eine Hälfte der Probanden stellte sich dabei vor, derjenige hätte den Erfolg verdient, der andere Teil gönnte ihm den Erfolg nicht. Anschließend gab van de Ven ihnen drei Wörter vor, die Probanden mussten ein viertes, dazu passendes, ergänzen.

Ein Beispiel: Kaffee, Kuchen, Butter. Ein mögliches viertes Wort wäre Tasse. Und siehe da: Diejenigen, die anderen ihren Erfolg gönnten, fanden deutlich mehr Lösungen. Der wohlmeinende Neid motivierte die Teilnehmer also mehr als sein böswilliger Bruder. Problematisch wird es, wenn das mit der Umwandlung nicht funktioniert. Dann führt er nämlich dazu, dass man den Erfolgreicheren auf das eigene Niveau herunterziehen will – und zwar indem man ihm schadet.

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