Gehalt Alter ist kein Verdienst mehr

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Die Zentrale der Metro Group Quelle: dpa

Ähnlich sieht es in der Metallindustrie aus: Das Entgeltrahmenabkommen beendete nicht nur die Trennung von Kopf- und Handarbeit, von Angestellten und Arbeitern. Es schaffte auch das Senioritätsprinzip ab. Denn für die Eingruppierung der Mitarbeiter in die jeweilige Gehaltsstufe ist nun die Funktion entscheidend, das Alter spielt keine Rolle. Und selbst im Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst wurde die Kopplung von Vergütung und Altersstufen zurückgeschraubt.

Hauptgrund für diesen Trend: die demografische Entwicklung. Die Bevölkerung‧ altert – und mit ihr die Belegschaften in den Unternehmen.

Laut Statistischem Bundesamt sinkt der Anteil der 20- bis 65-Jährigen unter den Deutschen bis 2060 von 61 auf 50 Prozent. Während gleichzeitig der Anteil der Unter-20-Jährigen von 19 auf 16 Prozent zurückgeht, verdreifacht sich der Anteil der Über-80-Jährigen im gleichen Zeitraum auf 14 Prozent. Bei gleichzeitig schrumpfender Bevölkerung bedeutet das, dass dann in diesem Land nur noch eine Million mehr Menschen unter 20 als über 80 leben.

Wer bekommt die dicken Schecks?

Die Folgen für den Wirtschaftsstandort Deutschland sind gewaltig: Lebten zwischen Flensburg und Passau 2009 noch 50 Millionen Menschen im erwerbsfähigen Alter, werden es 2060 noch nur 33 Millionen sein. Und die werden älter und älter: Die Gruppe der Arbeitnehmer, die zwischen 50 und 65 Jahre alt sind, wird von derzeit rund 31 Prozent Schritt für Schritt auf 40 Prozent steigen – spätestens 2024 soll es so weit sein.

„Höchste Zeit zum Umdenken“, sagt Hans-Carl von Huelsen von der Personalberatung Kienbaum. „Die traditionellen Vergütungssysteme werden durch die demografische Entwicklung infrage gestellt.“

Kein Wunder, dass Deutschlands Personalchefs laut Kienbaum-Umfrage Demografie und strategische Personalplanung derzeit zu den wichtigsten Herausforderung für die kommenden Jahre sehen.

Denn diese demografische Entwicklung belastet Unternehmen mittelfristig doppelt: Zum einen müssen sie den immer rarer werdenden jungen Talenten mehr bieten als die Perspektive, auf Jahre hinaus mit Kollegen zusammenzuarbeiten, die allein aufgrund ihres Alters am Monatsende stets den dickeren Scheck nach Hause tragen.

Paradigmenwechsel der Branche

Zum anderen drohen beim Festhalten am Senioritätsprinzip die Personalkosten zu einer ernsthaften Bedrohung der finanziellen Solidität eines jeden Unternehmens zu werden.

Um dieser Entwicklung baldmöglichst einen Riegel vorzuschieben, ringt der Einzelhandel seit geraumer Zeit um ähnliche Lösungen, wie sie Chemie- und Metallindustrie schon gefunden haben. Das Ziel von Arbeitgebern und Gewerkschaft: ein Reformpaket, das die Berufsjahrestaffel beseitigt. Und die Gehälter weder nach Alter oder Berufsjahren im Unternehmen oder der Branche bemisst, sondern in erster Linie nach Leistung.

Ein Paradigmenwechsel für eine Branche, deren Tarifbild noch von den Fünfzigerjahren geprägt ist und Gehälter für längst ausgestorbene Berufsbilder wie Fahrstuhlführer oder Telefonistin regelt. Und ein Kampf gegen festgeschriebene Besitzstände, der mutmaßlich aber nicht vor Ende 2012 ausgefochten sein wird.

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