




Ich habe zweimal meinen Arbeitsplatz gewechselt. Zweimal wegen schlechter Führung. Mein Ausweg war Anfang 2016 die Selbstständigkeit. So bin ich jetzt mein eigener Chef und nicht mehr von launischen Führungslegasthenikern abhängig.
Rückblickend war das die beste Entscheidung. Eine Entscheidung, die übrigens auch viele andere – vor allem gut qualifizierte junge Menschen – treffen. Die Dropout-Rate gut qualifizierter junger Nachwuchskräfte in Unternehmen ist hoch. Schuld ist in den meisten Fällen die schlechte Führungsqualität direkter Vorgesetzter. Das zeigen jährlich auch Studienergebnisse des Gallup-Instituts.
Führung ist erwünscht!
Zur Person
Steffi Burkhart ist Jahrgang 1985 und gehört zur Generation Y. Sie ist professionelle Speakerin, Beraterin und Autorin zum Thema Generation Y.
Sind Sie der Meinung, junge Menschen wollen doch eigentlich nicht geführt werden: Sie streben nach maximalem Freiheitsgrad in sicheren Strukturen? Der erste Gedanke ist falsch, der zweite richtig. Junge Menschen wollen geführt werden – trotz hohem Freiheitsgrad. Und genau das ist der Knackpunkt. Führung findet in vielen Unternehmen nicht statt, weil viele Führungskräfte über ein falsches Auswahlsystem in ihre Führungsrolle befördert wurden.
Wir alle kennen solche Fälle: Herr Meyer, der beste Vertriebler im Team, wird zur Führungskraft befördert, ohne je systematisch gelernt zu haben, was Menschenführung bedeutet. Schlimmstenfalls ist Herr Meyer dann auch irgendwann von seiner Führungsrolle genervt. Er möchte nämlich lieber selber für beste Verkaufszahlen zu sorgen, als sich mit den Fragen, Anregungen und Problemen einer Horde von Mitarbeitern auseinanderzusetzen. Klingt nachvollziehbar, oder?





Mögen Sie Menschen wirklich?
Wolfgang Jenewein der Hochschule St. Gallen hat in einem Interview folgende Frage formuliert, die sich Führungskräfte stellen sollten: „Mögen Sie Menschen wirklich?“ Es ist eine kleine Frage, aber aus meiner Sicht birgt sie das größte Geheimnis guter Führung in sich. Denn erst wenn eine Führungskraft Menschen wirklich mag, kann sie auch aktiv auf Mitarbeiter zuzugehen (statt sie überwiegend per E-Mail zu kontaktieren), sie jeden Tag aufs neue motivieren und inspirieren, ihre Stärken erkennen und sie dabei unterstützen, diese auszubauen und weiterzuentwickeln.
Genau das ist es, was junge Menschen heute wollen. Deshalb brauchen wir heute, wenn wir Potenziale optimal entwickeln wollen, andere Auswahlkriterien für Führungskräfte. Führung ist im Kern eine Frage der Persönlichkeit, nicht eine Frage der Tools. Es reicht heute nicht mehr aus, nur Compliance zu erzeugen – es geht um Commitment. Und das geht langfristig – ohne selbst als Führungskraft auszubrennen – nur, wenn man Menschen wirklich mag.





Umso wichtiger wird es sein, das Profil von Führung neu zu hinterfragen: „Wie können wir die Rolle von Führung (in allen Hierarchiestufen) so definieren und gestalten, dass sie zu einer attraktiven Rolle im Unternehmen wird?“ (also abgesehen von der Bezahlung). Was muss die Rolle ausfüllen, wie müssen wir Führung neu denken und wo müssen wir differenzieren zwischen Führung, Management und Fachexpertise?
Fest steht: Unternehmen müssen in die Weiterbildung ihrer Nachwuchs-Führungskräfte investieren, statt nur in das Topmanagement. Denn sie schaden sich dadurch vermutlich unbewusst, wenn sie es zulassen, dass die Führungskräfte auf unteren Führungsebenen zu kurz kommen. Aus zwei Gründen:
1. Eine der größten Herausforderungen von Führungskräften ist der Übergang vom Mitarbeiter zum Vorgesetzten. Eine gute Vorbereitung und Begleitung dieses Wechsels ist von zentraler Bedeutung.
2. Talentierte Nachwuchskräfte fühlen sich möglicherweise unterfordert und das können Unternehmen vermutlich an der Dropout-Quote ihrer Nachwuchstalente beobachten.