Gesundheit Doping im Büro: Was Leistungsdruck anrichtet

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Besser sein als andere – diesen Wunsch hat es unter den Menschen schon immer gegeben. Und seit jeher greifen sie zu stimulierenden Substanzen, um andere abzuhängen.

Heute ist das nicht anders, dafür extremer. Die Grenze zwischen zugelassenen Medikamenten und illegalen Drogen verschwimmt zusehends. Einerseits warnen Institutionen wie die US-amerikanische Drogenbehörde DEA vor dem zunehmenden Missbrauch von Medikamenten, die » zur Leistungssteigerung eingesetzt werden. Andererseits wittern Nahrungsmittelkonzerne das große Geschäft mit „Brain-Food“.

Wissenschaftler erforschen, mit welchen Wirkstoffen das möglich sein könnte. So verabreicht der Münsteraner Neurologe Stefan Knecht Probanden Naturstoffe, um zu untersuchen, wie diese die Gedächtnisleistung beeinflussen. Mit dem Parkinson-Medikament Levodopa hatte er schon Erfolg: Gesunde Probanden konnten sich damit Vokabeln deutlich besser merken. Auch als US-Forscher Piloten ein Alzheimer-Medikament gaben, stellten sie fest, dass diese sich Gelerntes leichter merken und im Flugsimulator besser reagieren konnten.

Gleichzeitig wächst das Verlangen, den Geist zu pushen: „Der Leistungsdruck in unserer globalisierten Arbeitswelt hat stark zugenommen“, sagt Professor Götz Mundle. „Wer mit seinen natürlichen Ressourcen allein nicht mithalten kann, greift eben zu Drogen und Medikamenten.“

Mundle spricht aus Erfahrung. Der Psychiater und Psychotherapeut leitet die Oberberg-Klinik in Hornberg im Schwarzwald, die sich unter anderem auf die Behandlung von Abhängigkeitserkrankungen spezialisiert hat. Allein in den letzten drei Jahren hat sich die Zahl der suchtkranken Führungskräfte und Manager, die sich von Mundle therapieren ließen, verdoppelt.

Sie kommen, wenn sie auch die andere Seite der Aufputschmittel und Drogen kennengelernt haben: Die Halluzinationen, die Übelkeit und all die anderen Nebenwirkungen, die der Rausch mit sich bringen kann. Den „Crash“, die Erschöpfung und die Krisen, wenn die Wirkung nachlässt; das „Craving“, wenn Körper und Geist nach mehr Stoff lechzen.

Der junge Mann, der sich an einem regnerischen Herbstabend den Weg in die Suchtberatung der Frankfurter Innenstadt bahnt, sieht nicht aus, wie sich viele Menschen einen Abhängigen vorstellen. Sein Hemd ist glatt gebügelt; seine Schuhe sind nicht löchrig, sondern glänzen matt im Licht der Stehlampe. Er hängt nicht am Bahnhof herum, sondern lebt in einem schicken Apartment; er muss nicht klauen, sondern finanziert seinen Kokainkonsum aus seinem Einkommen. Auch die anderen in der Runde würde man nicht für Drogenabhängige halten, sondern für Bankangestellte oder für Anwälte. Nur sagen wird das keiner, denn in diesem Kreis sind Drogen und Anonymität das Einzige, das verbindet.

„Ich habe mitgezählt“, sagt der junge Mann, „ich habe heute bestimmt 50-mal an Kokain gedacht.“

Der Therapeut nickt verständnisvoll. Und erklärt, warum Kokain, Amphetamin oder Aufputschmittel wie ein Kraftverstärker wirken, „wie ein Ständer im Hirn“.

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