Großer Gehaltstest Wo und wie Sie jetzt noch mehr Geld herausholen können

Sind Sie unterbezahlt? Wie viel verdienen Ihre Kollegen und Ihr Chef? Der große Gehaltstest der WirtschaftsWoche Personalmarkt liefert die Antworten. Und zeigt, wer – trotz Krise – noch etwas herausholen kann.

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gehalt_beyer Quelle: Arne Weychardt für WirtschaftsWoche

Wahrscheinlich wäre im Leben von Nicole Beyer vieles anders gekommen, wenn sie an einem Novembertag im Jahr 2007 nicht in die Kölner Messehallen gefahren wäre. Die BWL-Studentin wollte sich auf dem dortigen Absolventenkongress nach potenziellen Arbeitgebern umsehen – obwohl sie eigentlich schon eine bestimmte Branche anvisiert hatte.

Nach einer Ausbildung zur Bankkauffrau bei der Deutschen Bank, anschließender Mitarbeit in deren Personalwesen und einem Praktikum in derselben Abteilung von Volkswagen in Südafrika wollte Beyer einen Job als Personalerin finden. Doch in Köln traf sie Christian Jost.

Mit dem Rekrutierungsleiter der Unternehmensberatung Hays unterhielt sich Beyer auf dem Absolventenkongress über die dortigen Karrierechancen. Wenige Wochen später saß sie im Vorstellungsgespräch. Kurz darauf hatte sie den Job als Account Managerin in der Tasche.

Mit ihrem ersten Gehalt sei sie zufrieden: „Ich hatte mir vor den Bewerbungen eine Untergrenze gesetzt.“ Wo diese Grenze lag, will sie nicht sagen. Nur, dass ihr momentanes Einkommen „glücklicherweise weit darüber“ liegt. Einsteiger bekommen bei Hays ein Fixgehalt von 40.000 Euro.

Die Frage – „Wie viel verdienen Sie im Jahr?“ – ist in Deutschland immer noch weitgehend tabu. Erst kürzlich beschwerte sich Michael Sommer, Vorsitzender des Deutschen Gewerkschaftsbundes, im Interview mit der „Süddeutschen Zeitung“ darüber, dass hierzulande beim Thema Geld immer „ein fürchterliches Getue“ gemacht werde.

Das muss nicht so bleiben. Um Licht ins Gehälter-Dunkel zu bringen, hat die Hamburger Vergütungsberatung Personalmarkt gemeinsam mit der WirtschaftsWoche Dutzende Gehaltstabellen analysiert. Zudem hat das Personalmarkt-Team rund 55.000 Datensätze von Führungskräften und 334.000 von Mitarbeitern ausgewertet. Das Ergebnis: Deutschlands größter Gehaltstest.

Um die Vergleichbarkeit der Saläre zu erhöhen, wurden sie in Grundgehälter und diverse Indexzahlen umgewandelt. In der Haupttabelle finden Sie insgesamt 480 Basisgehälter, aufgeteilt nach je 23 Branchen und Berufsgruppen, vom Geschäftsführer im Bankensektor über den Forschungsleiter in der Chemiebranche bis zum Sachbearbeiter in der Zeitarbeit. 

gehalt_behrend Quelle: Simon Koy für WirtschaftsWoche

Gewiss, die Lage am Arbeitsmarkt ist aktuell nicht die beste für Gehaltsverhandlungen. Knapp ein Drittel der deutschen Unternehmen baut wegen der momentanen Wirtschaftskrise Stellen ab, hat die Beratung Kienbaum in einer Umfrage herausgefunden. Großunternehmen wie beispielsweise Metro oder SAP haben bereits angekündigt, Stellen in vierstelliger Höhe zu streichen. Allein im Januar ist die Zahl der Arbeitslosen in Deutschland um fast 400.000 gestiegen. Bis Ende 2009 könnten es insgesamt vier Millionen sein — eine halbe Million mehr als heute.

Entsprechend schlägt sich die ökonomische Misere in den Gehaltserwartungen nieder.

Gehaltserhöhungen nur noch bedingt möglich

2008 rechneten noch 70 Prozent der deutschen Arbeitnehmer für dieses Jahr mit einer Gehaltserhöhung, ergab eine Umfrage des Personaldienstleisters Randstad. Im Februar 2009 waren es nur noch 45 Prozent.Die Management-Beratung Towers Perrin wiederum befragt zweimal jährlich die Unternehmen nach ihren Gehaltsplänen. Im August 2008 resümierte die Beratung, dass die Gehälter in 2009 um durchschnittlich 3,9 Prozent steigen werden. Zwei Monate später war die Prognose auf 2,2 Prozent gesunken. Vor allem Automobilhersteller und Technologieunternehmen hatten die Angaben inzwischen gesenkt.Eine Umfrage der Unternehmensberatung Hewitt Associates prognostizierte noch im August vergangenen Jahres Gehaltssteigerungen von 3,7 bis 4,0 Prozent in 2009. Gegen Ende des Jahres waren es nur noch maximal 3,2 Prozent.

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Bei den Prognosen bleibt es längst nicht mehr. So hat beispielsweise der Auto-Konzern Nissan bereits seinen Vorständen und männlichen Mitarbeitern ab sofort das Gehalt gekürzt und den Reiseetat um 75 Prozent gekappt. „Von der effizienten Neuorganisation“, sagte Nissan-Chef Carlos Ghosn, „werden wir nach der Krise profitieren.“

gehalt_keller Quelle: Oliver Rüther für WirtschaftsWoche

Kann man in so einer Zeit also überhaupt mehr Gehalt verlangen? Die meisten Hochschulabsolventen sind doch schon froh, wenn sie nach dem Abschluss überhaupt eine feste Stelle ergattern; die Fach- und Führungskräfte wiederum sind erleichtert, ihre eigene zu behalten.

Dennoch: Der Pessimismus trügt. Der Gehaltstest zeigt eindeutig, dass es – trotz Krise – in einigen Bereichen aufwärts geht. So betrug das durchschnittliche Einstiegsgehalt der zehn bestbezahlten Fachrichtungen nach Personalmarkt-Berechnungen im vergangenen Jahr noch 37.618 Euro, in diesem Jahr sind es 39.565 Euro – eine Steigerung von 5,2 Prozent.

Wirtschaftswissenschaftler gewinnen

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Auch wenn das Feld von den Juristen angeführt wird: Zu den großen Gewinnern gehören die Wirtschaftswissenschaftler. Sie kommen im Jahresvergleich auf ein Plus von über sechs Prozent und verdienen 2009 im Schnitt 41.295 Euro.

Relativ am stärksten profitieren dieses Jahr laut Personalmarkt die Mediziner, deren Gehälter um über zehn Prozent gestiegen sind. Das durchschnittliche Anfängersalär liegt aktuell bei 43.268 Euro. Einer der Gründe dafür: die zunehmende Ärzteknappheit.

Vor allem bei Allgemeinmedizinern, Neurologen sowie Kinder- und Jugendärzten sieht Frank Ulrich Montgomery, Vizepräsident der Bundesärztekammer, derzeit „einen akuten Mangel“.

Entsprechend sind die Vergünstigungen: Wer sich etwa als junger Arzt in Ostdeutschland niederlässt, bekommt in einigen Gemeinden kostenloses Bauland. In Niedersachsen winkt in bestimmten Regionen gar eine Umsatzgarantie. Zudem profitieren die Mediziner von den Tariferhöhungen, die die Gewerkschaft Marburger Bund im vergangenen April mit der Vereinigung kommunaler Arbeitgeberverbände erreichte.

gehalt_trompeter Quelle: Ingo Rappers für WirtschaftsWoche

Auch Thomas Keller hat es gut getroffen. Der 27-jährige Wirtschaftsingenieur ist beim Mannheimer Energieversorger MVV derzeit Junior Inhouse Consultant, eine Art Trainee-Stelle.

Sicher kam ihm bei der Bewerbung zugute, dass er während seines Studiums an der Fachhochschule Köln nicht nur ein Praktikum im Unternehmen absolviert hat, sondern gleich auch seine Diplomarbeit dort schrieb. Sein momentanes Einkommen kann sich mehr als sehen lassen: Hochschulabsolventen in seiner Position bekommen bei MVV durchschnittlich 49.000 Euro pro Jahr.

Für die Mehrheit der Berufsanfänger bleiben solche Gehälter derzeit allerdings Wunschdenken. Ihre Einstiegssaläre sind meist reine Verhandlungssache. Und wer nicht gerade in den gefragtesten Fachrichtungen studiert hat, der muss sich aktuell eher auf ein mageres Jahr einstellen. Die Mehrheit der Absolventen, so die Personalmarkt-Studie, erhält in diesem Jahr durchschnittlich 38.511 Euro Jahresgehalt – knapp 500 Euro weniger als im vergangenen Jahr. Das ist zwar nur ein kleiner Unterschied. Trotzdem sind die Einstiegsgehälter damit seit dem Jahr 2005 erstmals wieder gesunken.

Wie also sollten sich betroffene Berufsanfänger derzeit am besten verhalten?  Marco Reiners, Vergütungsexperte der Managementberatung Hewitt Associates, rät zu Bescheidenheit.

Top-Absolventen werden umworben, alle anderen müssen geduldig sein

Das Gros der Absolventen müsse beim Gehalt in diesem Jahr Abstriche machen. Denn in vielen Bereichen wie der Ingenieurbranche, aber auch im Controlling oder Rechnungswesen liefert der Arbeitsmarkt ein widersprüchliches Bild: Zwar gibt es mehr Stellen als Bewerber, „trotzdem verhängen 80 Prozent der Unternehmen derzeit einen Einstellungsstopp“, beobachtet auch Martin Hofferberth, Vergütungsexperte der Unternehmensberatung Towers Perrin.

Wer bei der Gehaltsfrage zu kühn auftritt, verbaut sich nur Jobchancen. Wer ein Jobangebot habe, sollte es annehmen, empfiehlt Reiners: „Besser man hat etwas als gar nichts.“ Es ist leider so: Der Arbeitsmarkt ist gespalten. Die wenigen Top-Absolventen werden enorm umworben und bekommen höhere Gehälter als 2008 – alle anderen aber müssen in diesem Jahr geduldig sein.

Dieses Schicksal teilen sie mit vielen Fachkräften. Denn auch hier deuten die Daten auf eine Abwärtsbewegung hin. 49.450 Euro verdienen Fachkräfte derzeit im Durchschnitt, etwas weniger als im vergangenen Jahr. Inzwischen nähmen die Unternehmen „Abstand vom Gießkannen-Prinzip“, sagt Vergütungsexperte Reiners. Heißt: Die Masse der Mitarbeiter muss sich auch hier mit einer Nullrunde begnügen – nur für Leistungsträger gibt es etwas mehr Geld.

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