Abgeschreckte Investoren? Die Kritik an der Fraunhofer-Gesellschaft wird noch lauter

Rafael Laguna, Chef der Agentur für Sprunginnovation, fordert von der Fraunhofer-Gesellschaft einen anderen Umgang mit Ausgründungen. Quelle: dpa

Der Druck auf die Fraunhofer-Gesellschaft nimmt zu: Prominente Stimmen kritisieren den Umgang mit Ausgründungen – und schlagen radikale Veränderungen vor.

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Der Druck auf die Fraunhofer-Gesellschaft steigt: Immer mehr prominente Stimmen aus der Wissenschaft, der Wirtschaft und der Politik melden sich zu Wort – und fordern vor allem, dass die Einrichtung Forschern, die aus den unter ihrem Dach entwickelten Ideen ein eigenes Start-up machen wollen, weniger Steine in den Weg legt.

Rafael Laguna, der Leiter der Agentur für Sprunginnovation, klagt: Hohe Beteiligungen an den Start-ups, Lizenzzahlungen und Umsatzbeteiligungen – wie sie etwa die Fraunhofer-Gesellschaft häufig bei einer Ausgründung verlangt – machten einen Einstieg von Investoren unattraktiv. „Ihr Geld soll ja dem Aufbau der neuen Firma dienen, nicht nochmal den Instituten zufließen“, betont Laguna - und fordert Reformen: „Eine dreiprozentige stille Beteiligung, ohne Stimmrechte, aber mit Verwässerungsschutz.“ Das schrecke keinen Investor ab. „Und sollte die Ausgründung ein Unternehmen mit Milliardenbewertung werden, ist Zahltag - auch für die Institute“, so Laguna. 

Die von ihm geleitete Agentur soll Innovationen in Deutschland aufspüren und zu wirtschaftlichem Erfolg führen. Sie ist eine dem Bundeswirtschafts- und dem Bundesforschungsministerium unterstellten Behörde. Lagunas Vorschlag gelte für alle universitären und außeruniversitären Forschungseinrichtungen, nicht nur für Fraunhofer.

Die WirtschaftsWoche hatte vor einigen Tagen berichtet, dass zahlreiche Fraunhofer Ausgründungen sich schon beim Start in Schieflage befinden, weil die Organisation in den ersten Jahren fixe Lizenzgebühren von teilweise mehreren 100.000 Euro von den Start-ups fordert. Hinzu kommen variable Lizenzgebühren auf den Umsatz, sowie Beteiligungen an den Unternehmen von bis zu 25 Prozent. Das zusammen schreckt vor allem Wagniskapitalgeber ab. Unter anderem, weil die von Anfang an geringen Anteile der Gründer an ihrem Unternehmen durch spätere Investitionsrunden auf ein Niveau sinken, wo sich diese kaum noch als Unternehmer fühlen könnten.

Eine Reform, wie sie nun Laguna ins Spiel bringt, würde nicht nur den Unternehmergeist stärken. Sie könnte auch den oft langwierigen Ausgründungsprozess beschleunigen. Bisher seien die Verhandlungen zwischen der Fraunhofer-Gesellschaft und den Gründern über Lizenzgebühren und Beteiligungen kompliziert und würden sich oft über Monate und Jahre hinziehen. „Allein diese Durststrecke zu überleben ist eine Herausforderung für die Gründer und führt dazu, dass die Bemühungen abgebrochen werden“, sagt Laguna. „Statt kleinteilig einzelne Positionen langwierig zu optimieren und damit Ausgründungen zu verhindern, sollte ein einfaches Standardmodell dafür sorgen, dass auch die Fraunhofer-Institute im Erfolgsfall partizipieren - ohne Investoren und Gründer abzuschrecken.“

Fraunhofer schärfer als andere

„Auch wir erhalten immer wieder Klagen, dass Fraunhofer-Ausgründung schwere Probleme mit den Ausgründungsbedingungen haben“, sagt Christian Miele, Präsident des Bundesverbands Deutscher Start-ups. Oft gehe es dabei um überzogene Ansprüche, Vorauszahlungen, Beteiligungsansprüche oder überhöhte Lizenzzahlungen. Insgesamt müssten Universitäten und Forschungseinrichtungen viel mehr tun, um Ausgründungen zu erleichtern und zu forcieren. „Das gelte für Fraunhofer in besonderem Maße“, so Miele. 


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Auch der Start-up-Verband will in den nächsten Monaten Vorschläge erarbeiten, wie es besser gehen könnte. Miele bedauert, dass aus der exzellenten deutschen Forschung nicht zuletzt wegen der Haltung der Fraunhofer-Gesellschaft zu selten erfolgreiche Unternehmen entstehen. „Hier werden Wirtschaftskraft, Innovation und Arbeitsplätze verschenkt“, sagt er. Forschung dürfe kein Selbstzweck sein.

Selbst aus der Bundesregierung sind inzwischen kritische Stimmen zu hören. Thomas Jarzombek, Beauftragter im Wirtschaftsministerium für Start-ups und Koordinator der Bundesregierung für Luft- und Raumfahrt, sieht deutlichen Reformbedarf bei der Fraunhofer-Gesellschaft: „Fraunhofer hat die wichtige Rolle, für deutsche Deep-Tech-Start-ups die Basistechnologien zu liefern. Der Ausgründungsprozess muss dafür aber in globalen Vergleich wettbewerbsfähig sein“, sagt der CDU-Politiker. Das gelte nicht nur gegenüber einer Max-Planck-Gesellschaft, sonder auch gegenüber Weltklasseeinrichtungen wie dem Massachusetts Institute of Technology oder der Stanford University. Viele solche Einrichtungen haben deutlich Start-up-freundlichere Ausgründungskonditionen – sowohl bei ihren Lizenzverträgen als auch bei Beteiligungen. 

Ein Treiber der Debatte um die Ausgründungsbedingungen bei Fraunhofer ist der FDP-Bundestagsabgeordnete, Fraunhofer-Kurator und Ex-Telekom-Vorstand Thomas Sattelberger. „Mir geht es nicht darum, Fraunhofer schlecht zu reden“, betont er. „Mein großes Anliegen ist es, dass wir ein vitales, wachstumsstarkes Ökosystem an forschungsintensiven Ausgründungen in diesem Lande aufbauen. Und da muss Fraunhofer noch eine kräftige Lernkurve durchlaufen.“ Er werde Fraunhofer so lange auf die Finger schauen, bis sich dort eine unternehmerische Ausgründungskultur entwickelt habe. Auch fordert er vom Bundesforschungsministerium, „den Rahmen für Ausgründung und Transfer zu verbessern“.

Mehr zum Thema: Die mächtige Fraunhofer-Gesellschaft wird vom Staat Jahr für Jahr mit Milliarden versorgt. Doch sie bremst Gründer und Investitionen in wichtige Zukunftsfelder.

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