Acceleratoren „Solche Start-ups sind oft nur dazu da, um die Manager zu bespaßen“

Alexander Mahr

Mit viel Geld und Aufwand wollen Unternehmen Start-ups anschieben. Dabei lohnt sich das in der Regel weder für etablierte Firmen noch für Gründer, sagt Alexander Mahr.

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Schnellere Innovationen, neue Arbeitskultur: Anfang des Jahres zeigten Studien, dass Konzerne und auch finanzkräftige Mittelständler sich immer intensiver um Start-ups bemühen. Lange Zeit waren dabei sogenannte Acceleratoren das Mittel der Wahl. Dabei legen etablierte Unternehmen mehrwöchige Programme auf, in denen Gründer wie in einem Trainingslager an ihrer Idee arbeiten können. Die Idee: Start-ups werden in einer frühen Phase mit Know-how und Kontakten unterstützt, die Konzerne erhalten als Gegenleistung meist ein paar Prozent der Anteile als Gegenleistung. 

Eine Studie des Unternehmens Stryber, der mit und für Unternehmen wie dem Handelsriesen Migros oder dem Telekommunikationskonzern Swisscom Start-ups entwickelt, zeigt jetzt aber: Die Acceleratoren-Programme liefern überhaupt keinen Startvorteil. Im Interview berichtet Stryber-Gründer Alexander Mahr, warum das Engagement so häufig scheitert – und wie sich die Pläne der Konzerne durch die Coronakrise verändern könnten.

WirtschaftsWoche: Herr Mahr, immer noch starten regelmäßig neue Acceleratoren-Programme. Was macht das Instrument so attraktiv?
Alexander Mahr: Etablierte Organisationen sehen das als Eintrittskarte in die Innovationswelt. Ein Antrieb ist häufig, dass man sich potenziellen Mitarbeitern als moderner Arbeitgeber präsentieren will. Oder man will die Unternehmenskultur verändern. Also beginnt man mit einem Accelerator, macht in einem nächsten Schritt ein Büro im Silicon Valley auf – und gründet am Ende vielleicht eine eigene Beteiligungsgesellschaft, um direkt in Start-ups zu investieren.

Was ist daran verkehrt?
Das Problem ist, dass bei Acceleratoren oft nichts herumkommt. Es ist kein Win-Win für Unternehmen und Start-ups, sondern in der Regel eher eine Lose-Lose-Situation. Wenn man als Start-up nur dazu da ist, um die internen Manager zu bespaßen, ist man als Gründer sicher fehl am Platz.

Start-ups hoffen auf gute Kontakte und erste Umsätze in einem Accelerator-Programm. Wieso sollte das verwerflich sein?
Viele Gründer sind etwas unbedacht und rennen zu Beginn jedem Umsatz hinterher. Auf kurze Sicht mag da so ein Accelerator-Programm verlockend erscheinen. Wenn es aber darum geht, Anteile in einer ganz frühen Phase abzugeben, sollten sich Start-ups schon genau fragen, warum sie da mitmachen. Und selbst wenn sich der Konzern nicht beteiligt, kann die Teilnahme an so einem Programm Auswirkungen haben. Wer da früh mit dem einem Autohersteller zusammenarbeitet, hat sicher schlechtere Chancen auf eine Zusammenarbeit mit der Konkurrenz.

Und wie sollten Konzerne oder größere Mittelständler das Thema stattdessen angehen?
Viele Unternehmen setzen sich die falschen Ziele. Wer ernsthaft über Innovation nachdenkt, sollte daran interessiert sein, dass die neuen Ideen auch komplett dem operativen Geschäft zugutekommen. Über sein Accelerator-Programm kann man sich an vielen Ideen beteiligen. Am Ende des Tages muss man aber über 50 Prozent an einem Start-up besitzen, sonst ist es erst einmal nur eine Auswirkung auf das Finanzergebnis.

Das bedeutet?
Wenn Unternehmen über die digitale Transformation sprechen, geht es typischerweise um drei Säulen: Erstens um die Prozessinnovation, also die Verbesserung von internen Abläufen durch Software. Zweitens haben sie verstanden, dass sie agiler sein müssen – und auch ihre Belegschaft dazu kriegen müssen. Und drittens geht es um das Wachstum in neue Geschäftsmodelle herein. Wenn es um den ersten und zweiten Punkt geht, lässt sich vieles auch intern umsetzen.

Aber die Suche nach neuen Geschäftsmodellen nicht?
Tendenziell muss das extern entstehen. Als Manager eines Konzerns gerät man sonst schnell in Konflikte: Will man eine neue Idee unterstützen, die einen vom bisherigen Kerngeschäft ablenken – oder vielleicht sogar die eigenen Umsätze kannibalisieren? Das heißt: Entweder baut man ein Start-up selbst komplett extern auf. Oder man kauft eine vielversprechende Idee in einem frühen Stadium dazu.

Zuletzt nahm das Engagement von Konzernen in der Start-up-Welt deutlich zu – auch durch direkte Investitionen. Wie wird sich Corona darauf auswirken?
Die Unternehmen, die stark unter der Corona-Krise leiden, werden ihr Engagement deutlich reduzieren. Innovation lässt sich leicht einsparen. Wer solche Instrumente heute nicht hat, wird sich nun nicht aus dem Fenster lehnen. In der Summe werden wir in den kommenden Jahren weniger Accelerator-Programme sehen, egal ob von Konzernen gesponsert oder direkt betrieben.

Was tun die, die sich mit einer ganzen Reihe an Werkzeugen um Start-ups kümmern – etwa Acceleratoren oder Beteiligungsgesellschaften?
Auch da werden viele die Instrumente nun ganz genau auf den Prüfstand stellen. Der Vorstand wird sich genau anschauen, welche Programme nichts hervorgebracht haben – und da den Rotstift ansetzen. Der Vorteil für die, die dranbleiben, weil sie etwa größere Kapitalpolster haben: Bei Übernahmen von Start-ups dürfte es einige günstigere Gelegenheiten geben.


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