Best of WiWo Wer von „Die Höhle der Löwen“ profitiert

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„Scheitern als Show“ unkten die Kritiker zu Beginn

Jochen Schweizer beugt sich über Körnerbrot mit Avocado und pochiertem Ei; sein eigenes „Powermüsli“ das vor Ort hergestellt wird, empfiehlt er zeitgleich. „Die Pitches sind für die Löwen die einzige Chance, sich zu entscheiden“, sagt Schweizer. Sie wissen vorher nichts und haben in der Sendung nur die Möglichkeit, dem Gesagten zu glauben.

Einige Deals – so nennen sie die Zusage zu einer Beteiligung – seien deswegen in der dreimonatigen Phase zwischen Aufzeichnung und Ausstrahlung doch nicht zustande gekommen. Mal seien die Informationen in der Sendung schlicht falsch, sagt Schweizer, mal hätten sich die Gründer umentschieden. Der Handschlag in der Sendung ist nicht mehr als eine Absichtserklärung; die Verlobung, nicht die Heirat.

Ob Deal oder nicht – für die Start-ups lohnt sich schon der Auftritt in der Sendung. „Start-ups, die dort auftreten, sind gut beraten, ihre Serverkapazitäten vor der Sendung nach oben zu fahren“, sagt Professor Nicolai. Allerdings sei das Portfolio an Ideen in der Sendung nicht repräsentativ für Start-ups. Gründer für digitale Themen oder B2B-Konzepte seien in der Sendung kaum zu finden. Zudem verzerre der Schnitt der Regie die Vorstellung, wie ein Pitch in echt ablaufe. Auch Schweizer fand sich in der Sendung mit seinen Bemerkungen oft an anderer Stelle im Ablauf wieder, als er sie wirklich gesagt hatte.

Obwohl es Detailunterschiede zu den Erlebnissen echter Start-ups gibt, betrachtet Nicolai die Sendung als Gewinn. Sie könne einen Beitrag leisten, die Gründerkultur in Deutschland positiv zu beeinflussen.

Kein Schlag ins Wasser - mit der Mehrheit seiner Deals in

Das war zu Beginn der Sendung im August 2014 noch nicht abzusehen. Das ursprünglich in Japan unter dem Namen „Dragons' Den“ gestartete Format wurde vielfach als reine Unterhaltung belächelt. „‘Die Höhle der Löwen‘ produziert vor allem Verlierer in Serie“, urteilte die Kritik des Spiegel unter der Überschrift „Scheitern als Show“. Doch schon eine der ersten „Verliererinnen“, Anita Lassak aus Meßkirch, konnte mit ihrem Herrenoberhemd Jobbello bei der Höhle der Löwen zwar keinen Deal mit einem der Löwen der ersten Stunde aushandeln, aber durch ihren Auftritt Aufmerksamkeit generieren. „Ich bin nicht unglücklich, dass es nicht geklappt hat“, sagte Lassak damals unmittelbar nach der Sendung.

Erfolg in der Sendung, mehr Erfolg außerhalb von ihr

Auf der anderen Seite steht das Extrem, dass am liebsten alle fünf anwesenden Löwen gleichzeitig zuschnappen würden – aber nicht alle zum Zug kommen können. Der Gründer Markus Dworak konnte so mit einem Nahrungsergänzungsmittel, das besseren Schlaf fördern soll, stolze 1,5 Millionen Euro verbuchen.

Auch die Hersteller des Low-Carb-Pizzateigs „Lizza“ bekamen 2016 nicht nur von Carsten Maschmeyer und Frank Thelen zusammen 200.000 Euro – Ende Oktober diesen Jahres sammelten sie mit Crowdfunding auf der Online-Plattform GLS Crowd zudem 1,7 Millionen von tausenden Kleininvestoren ein. Nun können sie verfolgen, ob sich der Erfolg des Pizza-artigen Produkts auch auf Pasta und Wraps übertragen lässt.

Für die Investoren lohnt die Teilnahme am Schaulaufen der Gründer ebenfalls. „Keinen Deal zu viel“ habe man getätigt, sagte der Investor Ralf Dümmel vor zwei Jahren in einem Interview mit der „Lebensmittel-Zeitung“. Dümmel nutzt die Zeit zwischen Aufzeichnung und Ausstrahlung, um seine Deals nicht nur vor der Kamera, sondern auch im echten Leben sofort umzusetzen. Dümmels Mitarbeiter seien ab der Minute von dessen Zusage dabei, das Produkt marktreif zu machen, um kurz vor Ausstrahlung mit den Produkten in den Geschäften zu sein und so die Aufmerksamkeit des Millionenpublikums nicht verpuffen zu lassen, erzählt Ex-Löwe Schweizer lobend.

Er selber habe die besseren Deals in seinem Investment-Unternehmen allerdings außerhalb der Sendung gemacht, räumt Schweizer ein. „Es ist einfach mehr Zeit, das Geschäftsmodell sorgfältig zu prüfen“, sagt Schweizer. Bis zu 1.000 Pitch Decks träfen pro Jahr bei ihm ein, vielleicht 30 bis 40 würden ernsthaft geprüft und davon würde nur ein Bruchteil bei ihm auf dem Schreibtisch landen, von denen dann wiederum nur wenige zu einem Investment führen würden.

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