Was haben Stephen Kaufer, Elon Musk, Howard Schultz, Larry Page, Jeff Bezos und Rupert Murdoch gemeinsam? Vom offensichtlichen – US-Amerikaner, männlich, weiß – einmal abgesehen, vor allem dieses: Sie hatten eine Idee, an die sie geglaubt haben, sie hatten den Mut, aus dieser Idee ein Unternehmen zu machen – und sie sind damit steinreich geworden.
Amerikanische Selfmade-Multimilliardäre
Stephen Kaufer hob das größte Reiseportal der Welt aus der Taufe. Das Vermögen des Tripadvisor-Gründers wird auf gut 39 Millionen Dollar geschätzt. Tesla- und SpaceX-Erfinder und Gründer Elon Musk kommt Dank seiner Ideen und seines Mutes auf circa 12,7 Milliarden Dollar, Medienmogul Rupert Murdoch ist rund 11,9 Milliarden Dollar schwer. Gegen ihn sowie Google-Gründer Page und Amazon-Erfinder Bezos ist der Startbucks-Gründer Schultz mit seinen 2,9 Milliarden ein armer Schlucker.
Karrieren wie ihre ziehen sich durch die amerikanische Wirtschaft, wie eine Studie der Executive-Search- und Talent-Management-Beratung Korn Ferry zeigt, die der WirtschaftsWoche exklusiv vorliegt. Die Berater haben die Lebensläufe der Chefs aller im Nasdaq, im DowJones und im Dax gelisteten Unternehmen unter die Lupe genommen.
Das Ergebnis: Chefs von US-Konzernen, die weltweit aktiv und erfolgreich sind, haben ihr Unternehmen in sehr vielen Fällen auch gegründet und tragen das volle unternehmerische Risiko. Dax-Chefs haben dagegen Jura, BWL oder Ingenieurswesen studiert und sich in bestehenden Unternehmen hochgearbeitet. „Wer heute CEO eines gelisteten Großunternehmens ist, der hat seine Karriere in der Linie und im Anschluss im angestellten Management verbracht“, bestätigt Hubertus Graf Douglas, Geschäftsführer von Korn Ferry in Deutschland.
Das sind die Karrierestationen der Dax-Chefs
Der Noch-Adidas-Chef ist Diplom-Betriebswirt (FH) und hat außer bei dem Sportartikelhersteller noch bei P&G gearbeitet. Nach seinem Studium hat er allerdings eine Bar eröffnet und diese später mit Gewinn verkauft. Er ist also ein klassischer Unternehmer.
Quelle: Korn Ferry-CEO-Studie
Der neue Allianzchef ist gelernter Bankkaufmann und hat einen MBA. Außer für die Allianz war er noch für die Unternehmensberatung McKinsey tätig.
Kurt Bock war vor seinem Job als BASF-Chef bei Bosch tätig. Ein klassischer Unternehmer ist der promovierte Betriebswirt jedoch nicht.
Dekkers ist seit dem 1. Mai 2016 Aufsichtsratsvorsitzender bei Unilever. Zuvor war der Chemieingenieur fünf Jahre lang Chef von Bayer. Dekkers hat zwar einen Doktortitel und blickt auf Stationen bei GE, Honeywell und Thermo Fisher zurück – ein Unternehmen aufgebaut hat er jedoch nie.
Der Beiersdorf-CEO Heidenreich ist von Hause aus Diplom-Kaufmann. Vor seinem Job bei dem Konsumgüterkonzern arbeitete er bei P&G, Reckitt B., Bertelsmann und Hero – ein Unternehmen gegründet und aufgebaut hat er nicht.
Der BMW-Chef Krüger ist Diplom-Ingenieur für Maschinenbau – ein klassischer Unternehmer ist er jedoch nicht.
Der scheidende Commerzbank-Chef Blessing ist gelernter Bankkaufmann. Er sattelte noch einen MBA oben drauf und arbeitete bei McKinsey, bevor er zu Deutschlands zweitgrößter Bank wechselte. Auch hier: Eine Unternehmerbiografie sieht anders aus.
Der Boss des Automobilzulieferers Continental, Elmar Degenhart, ist von Hause aus Diplom-Ingenieur für Luft- und Raumfahrt. Degenhart hat einen Doktortitel und war vor seinem Job bei Continental bei ITT und Bosch sowie Keiper und Schaeffler tätig. Eine beeindruckende Vita, keine Frage. Aber nicht die eines Unternehmers.
Auch Daimler-Boss Zetsche hat eine beeindruckende Karriere gemacht. Der Diplom-Ingenieur der Elektrotechnik ist seit 1976 beim Daimlerkonzern und hat sich hochgedient, wie man so schön sagt. Zwischen seinen beruflichen Stationen promovierte er quasi nebenbei. Im Januar 2006 wurde er zum Vorstandsvorsitzenden des Konzerns. Dr. Z ist also mit Sicherheit ein Macher – nur eben nicht im klassischen Sinne Unternehmer.
Der neue Chef der Deutschen Bank ist ein gestandener Manager, Master of Arts, und war zuvor bei Arthur Anderson, Warburg, UBS und Temasek. Ein eigenes Unternehmen hatte aber auch er nie.
Jürgen Fitschen, ebenfalls Chef der Deutschen Bank, ist gelernter Groß- und Außenhandelskaufmann. Auf seine Ausbildung sattelte er noch ein BWL-Studium oben drauf. Bevor er zur Deutschen Bank ging, war er bei der Citibank. Auch er hatte nie ein eigenes Unternehmen.
Der Chef der Deutschen Börse, Carsten Kengeter, hat einen Master of Science in Finance and Accounting und ist außerdem Diplom-Betriebswirt (FH). Bevor er zur Deutschen Börse ging, stellte er seine Kenntnisse in den Dienst von Barclays, Goldman und der UBS.
Dass der Lufthansa-Chef Spohr ein Manager erster Güte ist, musste und hat er schon bewiesen. Eines ist der Diplom-Wirtschaftsingenieur aber auch nicht: ein klassischer Unternehmer.
Post-Chef Appel ist von Hause aus Diplom-Chemiker. 1993 promovierte er im Fach Neurobiologie an der ETH Zürich. Im gleichen Jahr ging er zur Unternehmensberatung McKinsey, wo er sechs Jahre später in die Geschäftsführung aufstieg. 2000 wechselte er als Zentralbereichsleiter für die Konzernentwicklung zur Deutschen Post AG, wo er sich bis zur Spitze hocharbeitete. Auch er ist ein Macher, nur eben kein Unternehmer.
Der Telekom-CEO ist Diplom-Kaufmann. Bevor er zur Telekom wechselte, war er bei Mummert und Viag beschäftigt. Eine unternehmerische Tätigkeit fehlt allerdings in Höttges Vita.
Der E.On-Chef ist sowohl Jurist als auch Volkswirt. Er hat einen Doktortitel in Jura und war schon Vorstandsmitglied, Aufsichtsratsmitglied, Leiter des Finanzressorts und stellvertretender Vorstandsvorsitzender. Er ist Mitglied diverser Stiftungen und seit 2010 CEO des Stromriesen E.On. Nur ein eigenes Unternehmen hat er nie gegründet.
Der Amerikaner an der Spitze von Fresenius Medical Care ist Biologe und war vor seinem Wechsel zu Fresenius bei Ergo Science, Biogen und Baxter tätig. Auch er hat nie ein Unternehmen gegründet.
Stephan Sturm (53) ist seit dem 1. Juli 2016 Vorstandsvorsitzender von Fresenius. Zuvor war er elfeinhalb Jahre Finanzvorstand des Unternehmens. Vor seinem Einstieg bei Fresenius arbeitete Sturm als Managing Director bei Credit Suisse First Boston (CSFB), zuletzt als Leiter Investment Banking für Deutschland und Österreich. Seine berufliche Laufbahn begann er 1989 als Unternehmensberater bei McKinsey & Co. Stephan Sturm studierte Volks- und Betriebswirtschaftslehre an der Universität Mannheim mit dem Abschluss Diplom-Kaufmann.
Scheifele, Chef von HeidelbergCement ist promovierter Jurist und Master of Laws. Entsprechend begann er seine berufliche Laufbahn Ende der 1980er Jahre in einer Wirtschaftskanzlei in Stuttgart. 2004 wurde er zum Aufsichtsratsvorsitzender von HeidelbergCement und ein Jahr später – am 1. Februar 2005 – Vorstandsvorsitzender.
Der Adidas-CEO Rorstedt hat in Kopenhagen BWL studiert. Nach seinem Studium hatte er verschiedene Management-Positionen bei Oracle und DEC inne. Von 2002 bis 2004 war er Senior Vice President und General Manager bei Hewlett-Packard, 2005 wurde er zum Mitglied der Geschäftsführung bei Henkel, wo er sich bis zum CEO hocharbeitete. Auch hier: Macher und Manager ja, Unternehmer nein.
Der CEO von Infineon Technologies, Reinhard Ploss, ist Diplom-Ingenieur für Verfahrenstechnik. Sein Studium schloss er mit der Promotion ab. Er ist seit 1. Oktober 2012 Vorstandsvorsitzender der Infineon AG. Nach Stationen bei Siemens wurde er 1999 Leiter des Infineon-Geschäftszweigs Industrial Power und Geschäftsführer der Infineon-Tochter eupec. Seit Oktober 2012 ist er Vorstandsvorsitzender der Infineon AG.
Der Diplom-Chemiker Büchele hat nicht nur einen Doktortitel, der Chef der Linde-AG blickt auch auf berufliche Stationen an der Universität Ulm, bei BASF und Blackstone sowie bei BorsodChem und Kemira zurück. Nur ein Unternehmen gegründet und aufgebaut hat er noch nie.
Der promovierte Jurist und Industriekaufmann Kley begann seine Karriere 1982 bei Bayer. Anschließend wechselte er zu Lufthansa, wo er bis 2006 dem Vorstand angehörte. Von dort aus wechselte er in die Geschäftsleitung des Chemie- und Pharmakonzerns Merck. Im April 2007 wurde er zum Vorsitzenden der Geschäftsleitung. Diesen Posten gab er am 29. April 2016 an Stefan Oschmann ab und verabschiedet sich damit in den Ruhestand.
Der promovierte Jurist von Bomhard ist seit 2004 Vorstandsvorsitzender des Rückversicherers Munich Re. Seine Karriere begann er dort nach Ende seines Studiums 1985 als Trainee.
Der Chef des Dax-Neulings ProSiebenSat.1Media hat ursprünglich Psychologie studiert. Seine Karriere begann er als Produktmanager bei Reemtsma und als Marketing Manager bei Pepsi-Cola Deutschland. Es folgten diverse Managementpositionen bei Novartis. Seit März 2009 ist er Vorstandsvorsitzender der ProSiebenSat.1 Media.
Der RWE-Chef Terium ist gelernter Buch- und Steuerprüfer. Entsprechend arbeitete der gebürtige Niederländer zu Beginn seiner beruflichen Laufbahn auch für das niederländische Finanzministerium. 1985 ging er zur Unternehmensberatung KPMG. 2003 begann Terium seine Karriere bei RWE – auch hier zunächst gemäß seiner Ausbildung als Leiter des Konzerncontrollings. Später übernahm er den Posten des Vorstandsvorsitzenden bei verschiedenen RWE-Tochterfirmen, bevor er im Juli 2012 Vorstandsvorsitzender des gesamten Konzerns wurde.
Der gebürtige Amerikaner McDermott, Leiter des Softwarekonzerns SAP, ist neben Herbert Hainer der einzige Dax-Chef, der unternehmerische Erfahrungen gemacht hat. Im Alter von 17 Jahren gründete McDermott ein Delikatessengeschäft. Erst später kam die klassische Ausbildung dazu: McDermott machte den Master of Business Administration und den Bachelor in Betriebswirtschaftslehre.
Seine berufliche Laufbahn startete er bei der Xerox Corporation, wo er zum jüngsten Corporate Officer und Geschäftsbereichsleiter der Unternehmensgeschichte aufstieg.
Anschließend war er Präsident beim Marktforschungsunternehmen Gartner Inc. und beim Softwarehersteller Siebel Systems für den Vertrieb zuständig. 2002 wurde McDermott zum CEO von SAP America berufen, acht Jahre später leitete er SAP im Tandem mit Jim Hagemann Snabe. Seit Mai 2014 ist er alleiniger CEO.
Kaeser ist Diplom-Betriebswirt (FH) und arbeitet seit 1980 für Siemens. 2006 wurde er zum Finanzvorstand des Konzerns, was er sieben Jahre lang blieb. Im August 2013 tauschte er den Job des CFOs gegen den des CEOs.
Auch Hiesinger begann seine berufliche Laufbahn bei Siemens: Nachdem er es an der Technischen Hochschule München zunächst zum Diplom-Ingenieur für Elektrotechnik gebracht hat, sattelte er 1991 noch einen Doktortitel obendrauf und begann dann eine beachtliche Karriere bei dem Technologiekonzern. Im Herbst 2010 verließ Hiesinger den Siemensvorstand und übernahmen ab Januar 2011 die Nachfolge von Ekkehard Schulz als Vorstandsvorsitzender des Stahlkonzerns Thyssenkrupp.
Der aktuelle VW-Chef ist ursprünglich gelernter Werkzeugmacher. Müller ging vor seinem Informatikstudium nämlich zunächst bei der Audi NSU Auto Union in die Lehre, wo er nach seinem Studium auch als Diplom-Informatiker (FH) arbeitete. Später leitete Müller das Produktmanagement für den Audi A3, ab 2002 verantwortete er die Markengruppe Audi, Lamborghini und Seat des VW-Konzerns. Als Martin Winterkorn 2007 Chef der Volkswagen AG wurde, stieg Müller zum Leiter der VW-Produktstrategie auf. Drei Jahre später wurde er zum Vorstandsvorsitzenden der Porsche AG ernannt. Der Dieselskandal und der damit einhergehende Rücktritt Winterkorns machten den ehemaligen Werkzeugmacher im September 2015 zum Vorstandsvorsitzenden der Volkswagen AG sowie zum Aufsichtsratsvorsitzenden seines ehemaligen Lehrherren, der Audi AG.
Buch, Diplom-Ingenieur und Betriebswirt, begann seine berufliche Laufbahn bei Bertelsmann. 1991 begann er dort als Assistent der Geschäftsleitung. In den folgenden Jahre kletterte Buch bei Bertelsmann auf der Karriereleiter einige Sprossen nach oben und wurde 1996 Geschäftsführer von Bertelsmann Services France. 2002 wurde Buch zum Vorstandsmitglied der arvato AG. Bis Dezember 2012 blieb er der Bertelsmann-Gruppe treu, im April 2013 übernahm er den Posten des Vorstandsvorsitzenden der Vonovia (damals Deutsche Annington).
Nur zwei Dax-Chefs haben je ein Unternehmen gegründet und geführt: Noch-Adidas-Chef Herbert Hainer eröffnete nach dem Studium eine Bar, die er mit Gewinn verkaufte, bevor er Manager wurde, SAP-Chef Bill McDermott gründete mit 17 Jahren ein Delikatessengeschäft. Ein größeres Unternehmen hat jedoch keiner der heutigen Konzernlenker selbst aufgebaut.
Das sagt eine ganze Menge über die Mentalität in Deutschland und den USA: Jenseits des Teichs ist man Macher, hierzulande Manager.
Vom Trainee zum CEO in 30 Jahren
Das soll nicht heißen, dass die Karrieren der Dax-Chefs nicht beeindruckend wären: Daimler-Chef Dieter Zetsche ist seit 1976 bei Daimler. Zuvor hat er einen Abschluss als Diplom-Ingenieur in Elektrotechnik gemacht. Den Doktortitel erledigte er en passant zwischen seinen zahlreichen Stationen im Konzern. 30 Jahre nach seinem ersten Arbeitstag bei dem Autobauer wurde „Dr. Z“ Vorstandsvorsitzender des Konzerns. Das spricht fraglos für große Fähigkeiten und vor allem Beharrlichkeit – typisch deutsche Ingenieurstugenden eben - nur eben nicht für Mut und Unternehmergeist.
Eine ganz ähnliche Vita haben Siemens-Chef Joe Kaeser und der CEO des Rückversicherers Munich Re, Nikolaus von Bomhard: Von Bomhard begann 1985 als Trainee, 19 Jahre später ist er CEO. Kaeser geht 1980 zu Siemens, 26 Jahre später ist er Finanzvorstand, im Jahr 2013 wird er Vorstandsvorsitzender. „Die aktuelle Chef-Generation ist einer Zeit entsprungen, in der Gründergeist weniger gefragt war, als das Erbe der Gründergeneration davor zu mehren oder zu erhalten“, sagt Douglas.
Dass die großen Zugpferde der deutschen Wirtschaft nicht mehr eigentümergeführt sind, liegt natürlich auch daran, dass sie deutlich älter sind als Facebook, Netflix und Starbucks. Als Kaeser bei Siemens schon an seiner Karriere feilte, war Zuckerberg noch ein Funkeln im Auge seines Vaters.
Entsprechend sind auch die älteren amerikanischen Konzerne in der Hand von Managern. IBM, American Express, Procter & Gamble, Apple, Walmart, Boeing, Coca-Cola – im amerikanischen Dow-Jones-Index sind 30 US-Schwergewichte gelistet und keiner der CEOs hat ein eigenes Unternehmen gegründet und geführt.
Warum die Deutschen gründen
43 Prozent der 5.508 Unternehmen, die in der Zeit von 2005 bis 2007 gegründet wurden, entstanden, weil die Gründer selbstbestimmt arbeiten wollten.
Eine konkrete Geschäftsidee umsetzen wollten 22,5 Prozent der von KfW und ZEW befragten Neugründer.
Die Gründung als Ausweg aus der Arbeitslosigkeit liegt mit 12,8 Prozent auf Platz drei.
Für gut zehn Prozent gab es keine alternative Beschäftigung in einem Unternehmen.
8,5 Prozent sahen ihre Chance, eine Marktlücke auszunutzen.
Rund zwei Prozent sagten, ihr ehemaliger Arbeitgeber habe eine Gründung forciert.
Steuerliche Anreize waren für 1,5 Prozent ausschlaggebend.
Aber: Schaut man sich den amerikanischen Technologie-Index Nasdaq 100 an, in dem all jene Konzerne gelistet sind, vor denen die Welt kuscht – Einzelhandelsschreck Amazon, die Netzgiganten Alphabet (Google) und Facebook, Autobauers Albtraum Tesla -, sieht es anders aus.
Fast ein Drittel – konkret 29 von 100 - der CEOs sind oder waren selbst Unternehmer. Und 19 der 29 sind Software-, Internet- und IT-CEOs. Gründen und der Tech-Sektor gehören offenbar zusammen. „Technologie erfordert Innovation. Und Innovation erfordert Unternehmertum, da sie stets mit großem Risiko einhergeht“, sagt Alexander Wink, Leiter der Digital-Sparte von Korn Ferry in Europa, dem Nahen Osten und Afrika. „Darum ist es wenig verwunderlich, dass die Unternehmerdichte hier sehr hoch ist.“
Der Wechsel muss jetzt kommen, nicht in 20 Jahren
Das wiederum liege auch daran, dass die Eintrittsbarrieren in diesen Markt vergleichsweise gering sind. „Für die Umsetzung einer originären Idee ist zunächst nur wenig Kapital notwendig“, sagt Wink. „Sie brauchen vor allem helle Köpfe, keine Maschinenparks oder teure Prototypen. Firmen wie Amazon, Facebook und Google, aber auch Autodesk und Activision Blizzard zeigen, dass Erfolgsgeschichten noch immer im Wohnzimmer starten können.“ Etwas ganz ähnliches berichtete vor Kurzem auch Tijen Onaran, Gründerin und Initiatorin des Netzwerks Women in Digital, im Interview mit der WirtschaftsWoche.
"Tatsächlich mache ich die Erfahrung, dass der Beginn in der Onlinewelt etwas leichter ist, als in der sonstigen Welt, weil man mit relativ geringem Aufwand starten kann. Wer eine gute Idee für ein Produkt oder eine Dienstleistung hat, die man online vertreiben kann, kann sich selbst schnell eine Website zusammen basteln. Dafür braucht man auch nicht wahnsinnig viele IT-Kenntnisse und kann auch mit wenig Man- oder Womanpower relativ schnell etwas hochziehen", sagte sie. "Gerade am Anfang ist es sehr einfach, mit geringen Mitteln von Zuhause aus den Laptop aufzumachen und zu sagen: „Ich hab ne coole Idee und ich stell das jetzt einfach mal ins Netz und probiere es aus.“ Fehler zu machen und dann aufzustehen und weiterzumachen ist in der digitalen Welt viel einfacher als woanders."
"Mädels, traut euch"
Doch genau das ist es, was den jungen Tech-Gründer in seinem Ein-Zimmer-Appartement im Silicon Valley für das deutsche Traditionsunternehmen mit seinem fleißigen Juristen oder Betriebswirt an der Spitze so gefährlich machen kann. Mit ganz wenig Aufwand und noch weniger Kosten weckt er Wünsche bei den Kunden, die diese letztlich auch vom Dax-Konzern oder dem Mittelstand erfüllt haben wollen. Dass der Global Player etwas nicht kann - immer überall auf dem Smartphone für den Kunden da sein - was ein Harvard-Student im dritten Semester IT mit links macht, ist aus Kundensicht nur schwer nachzuvollziehen. Deshalb würde auch Deutschland mehr Mut zum Risiko gut tun, also mehr Gründer und weniger Fokussierung auf schnurgerade Lebensläufe.
So ist es weltweit um den Gründergeist bestellt
Für den Amway Entrepreneurial Spirit Index (AESI) 2015 haben das Konsumgüterunternehmen Amway und die Technische Universität München 49.775 Menschen aus 44 Ländern dazu befragt, wie erwünscht es in ihrem Heimatland ist, Unternehmen zu gründen, wie leicht es ist, sich selbstständig zu machen und wie es um die Stabilität gegen sozialen Druck bestellt ist. 100 Punkte sind zu erreichen.
Im weltweiten Durchschnitt wird ein Wert von 51 erreicht, in Schulnoten entspräche das einer vier, was die Gründerfreundlichkeit auf unserem Planeten angeht.
Nur in wenigen Ländern ist der Gründergeist noch schwächer ausgeprägt als in Deutschland. Mit einem Indexwert von 31 (von 100 möglichen Punkten) liegt Deutschland nur noch vor Polen, Kroatien und Japan.
In Deutschland ist eine Unternehmensgründung für nur 26 Prozent der Befragten eine erwünschte Karriereoption. Lediglich 29 Prozent halten eine Gründung mit ihren eigenen Fähigkeiten für durchführbar. Immerhin 38 Prozent würden sich von ihrem sozialen Umfeld nicht von der Idee eines eigenen Unternehmens abbringen lassen. Auch die Generation Y in Deutschland steht kaum besser da. Zwar halten 37 Prozent der 14- bis 34-Jährigen eine Gründung für erstrebenswert, allerdings vertraut nur ein Viertel auf seine eigenen Fähigkeiten (26 Prozent).
Türkei
Die Türkei rutscht mit 62 Punkten noch in die Top 10 der AESI 2015 und ist damit eines der freundlichsten Länder für Gründer weltweit.
Brasilien
Knapp hinter der Türkei befindet sich Brasilien mit 69 Punkten. Die persönlichen und sozialen Faktoren, welche die Absichten einer Person beeinflussen, ein Unternehmen zu gründen scheinen hier deutlich über dem weltweiten Durchschnitt zu liegen.
Slowenien
Slowenien ist mit 70 Punkten auf Platz 8 der 44 befragten Länder - ein befriedigendes Ergebnis.
Malaysia
Der Staat in Südostasien belegt mit 73 Punkten Platz 7 des weltweiten Gründergeist-Rankings.
Mexiko
Der Gründergeist Mexikos hat sich mit 74 erreichten Punkten bis auf Platz 6 gekämpft.
Südafrika
74 Punkte erhielt Südafrika als Indexwert, der aus dem Durchschnitt der drei gleich gewichteten Dimensionen "Erwünschtheit", "Durchführbarkeit" und "Stabilität gegen sozialen Druck" gebildet wird.
Vietnam
Mit mehr als drei Viertel (77 Punkte) der erreichbaren Punkte landet Vietnam auf Rang 4 von 44.
Thailand
Ein nahezu ähnlicher Gründergeist besteht in Thailand. Der Staat in Südostasien bekam bei der Umfrage durchschnittlich 79 Punkte.
China
Kurz hinter Indien auf Platz 2 befindet sich China mit ebenfalls 79 Punkten.
Bei Gleichheit des Wertes entscheidet die ungerundete Zahl über den Rang.
Indien
Mit 79 Punkten ist Indien der Spitzenreiter des AESI 2015 und hat somit den weltweit besten Gründergeist.
Douglas ist überzeugt, dass es in 20 Jahren einen signifikanten Anteil an ehemaligen Gründern in Vorständen großer Konzerne geben wird. „Und damit eine Generation an Chefs, die über eine immens hohe Lernagilität verfügt und am eigenen Leib erfahren hat, was es heißt, Risiken einzugehen und mit ihnen umzugehen.“ Aber 20 Jahre lang darauf zu warten, dass die junge Generation die Chefreife erreicht hat und ein Wandel stattfinden kann, dauert einfach zu lange. Es muss schon heute etwas passieren. "Gerade in einer Zeit, in der viele Firmen sich den ‚Unternehmer im Unternehmen‘ wünschen, ist es geboten, sich von den geraden Lebensläufen der Vergangenheit abzuwenden. Und auf diejenigen zu schauen, die das größte Potenzial haben. Um die Probleme von morgen zu lösen", sagt Douglas. Das kann auch jemand sein, der schon einmal mit einem Unternehmen gescheitert ist. Denn auch aus einer Pleite – in Deutschland immer noch ein Tabu - kann man lernen.
Und diese Erfahrung bringen im Unternehmensalltag viel, wie Wink glaubt. „Chefs mit unternehmerischer Erfahrung würden auch heute schon vielen Konzern gut tun“, sagt er. "Nicht umsonst schauen viele Unternehmen auf die Digitalwirtschaft in Berlin und gründen dort eigene Einheiten, die überwiegend von Persönlichkeiten geführt werden, die keine Konzernkarriere gemacht haben."