Prinz Harry steigt bei BetterUp ein Die royale Coaching-Plattform und ihre deutschen Angreifer

Quelle: imago images

Die Coaching-Plattform BetterUp holt mit Prinz Harry maximale Prominenz ins Management. Und demonstriert damit auch, dass digitale Coach-Vermittlung längst ein globales Geschäft ist. Dabei mischen auch ein paar deutsche Start-ups mit.

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Viel mehr Aufmerksamkeit geht kaum: Der britische Prinz Harry, der gemeinsam mit seiner Ehefrau Meghan jüngst einen öffentlichen Schlagabtausch mit dem Londoner Königshaus vom Zaun brach, wird Mitglied des Vorstands beim US-Konzern BetterUp. Chief Impact Officer darf Harry sich dort nennen, wie genau er diesen Titel mit Leben füllen wird, ist noch unklar. Der Konzern selbst ist hierzulande kaum bekannt, in den USA aber längst eine große Nummer. Das 2013 gegründete Start-up vermittelt über seine Plattform Coaches an Privatleute und Unternehmen und hat mit Konzernen wie Chevron, Hilton oder Salesforce bereits einen durchaus sehenswerten Kundenstamm. Das spiegelt sich auch am Finanzmarkt wider: Seit der letzten Finanzierungsrunde im vergangenen Herbst ist BetterUp gut 1,7 Milliarden Dollar wert. 

Die Anstellung des verstoßenen Prinzen dürfte die Bekanntheit nun noch weiter steigern. Zwar soll Harry bei BetterUp nicht direkt in Berichtslinien eingebunden sein, sondern vor allem als Botschafter nach Außen auftreten. Genau das aber dürfte für BetterUp von besonderer Bedeutung sein, müht der Konzern sich doch gerade, seine Bekanntheit auch jenseits der USA zu steigern. Vor allem in Europa nämlich wächst die Konkurrenz, die härtesten Gegenspieler kommen dabei aus Deutschland. 

Die besten Karten, BetterUp dauerhaft die Stirn zu bieten, dürften dabei Yannis Niebelschütz und sein Bruder Matti haben. Die beiden Seriengründer, die zuvor zusammen unter anderem den Onlineshop MyParfum aufgebaut hatten, sind die Köpfe hinter der Plattform Coachhub. Aus dem 2018 gegründeten Start-up ist ein Unternehmen mit mehr als 250 Mitarbeitern und mehreren hundert Kunden geworden. Seit der Pandemie hat sich die Kundenzahl vervielfacht: Während klassische Coaching-Sitzungen mit den Kontaktbeschränkungen nahezu zum Erliegen gekommen sind, ist die digitale Variante gefragt wie nie zuvor

Gestiegen sei auch der Beratungsbedarf, sagt Niebelschütz: Gehe es beim Business Coaching traditionell oft um Konfliktmanagement, Stressbewältigung und Zeitmanagement, rückten mit dem Umzug ins Homeoffice vielmehr Themen wie Work-Life-Balance und das Führen örtlich verteilter Teams in den Fokus. Das beflügelt nicht nur Coachhub. Auch die anderen deutschen BetterUp-Konkurrenten Bettercoach und Sharpist sehen sich im Aufwind.

Weniger Aufwand für die Personalabteilung

Sie alle locken Unternehmen vor allem mit Zeitersparnis: Über die Plattformen sollen Mitarbeiter mit Hilfe von Fragebögen und lernenden Algorithmen automatisch mit passenden Coaches zusammengeführt werden. Personalverantwortliche müssen sich nicht mehr mit der Auswahl passender Berater auseinandersetzen – und die Terminfindung wird deutlich erleichtert. Das jeweilige Start-up tritt als einziger Vertragspartner auf, was auch die Buchhaltung deutlich erleichtert. Reisekosten entfallen bei den digitalen Sitzungen naturgemäß.

Geht es nach den Anbietern, nutzen die Unternehmen das eingesparte Geld, um das 1:1-Weiterbildungsformat mehr Mitarbeitern anzubieten. Lange wurde damit vor allem die oberste Führungsriege bedacht. „Wir wollen das Coaching in die Breite tragen“, sagt Niebelschütz. Im Fokus des Start-ups stünden aktuell mittlere Manager sowie Fachkräfte, die erstmals Führungsaufgaben oder Personalverantwortung übernehmen. Die Vision geht darüber hinaus: Erreicht werden sollen künftig Mitarbeiter aller Karrierestufen.

Ein Grund dafür ist die gestiegene Erwartungshaltung von Fach- und Führungskräften, sagt Rouven Faasch, Chef des Coachhub-Konkurrenten Bettercoach: „Kaum ein Unternehmen kann es sich noch leisten, kein Coaching anzubieten. Viele Mitarbeiter fragen inzwischen gezielt danach.“

Ringen um namhafte Kunden

Faasch und seine Mitgründer Matthias Hüthmair und Markus Veith sind mit ihrem digitalen Marktplatz bereits 2016 angetreten – damals als eine der ersten im B2B-Segement. Vor zwei Jahren entschied das Start-up überraschend in einer Ausschreibung die Deutsche Telekom für sich. Der prominente Referenzkunde hat die Türe zu vielen anderen Großunternehmen geöffnet. So zählen etwa die Chemiekonzerne BASF und Lanxess, aber auch der Lebensmittelkonzern Danone und der IT-Dienstleister Capgemini zu den Kunden.

Jüngster Neuzugang auf der Kundenliste ist Schott. Wie das Spezialglas-Unternehmen mit Sitz in Mainz kürzlich bestätigte, hat sich der Konzern mit seinen weltweit 16.000 Mitarbeitern gerade für Bettercoach entschieden. Der Auftrag sei wegen seiner weltweiten Ausrichtung und des breiten Ansatzes besonders umfassend, sagt Faasch. Ausgestochen hat das Start-up einen Konkurrenten: Bislang führte Coachhub den Technologiekonzern – neben anderen prominenten Namen wie Generali, Bosch Rexroth und Hellfofresh – als Referenz auf.

Der Wechsel zeugt von dem zunehmenden Wettkampf der Start-ups, deren Angebote sich auf den ersten Blick nur in Nuancen voneinander unterscheiden. Bettercoach mit seinen nur 25 Mitarbeitern hat sich dabei vom Pionier zum Underdog gewandelt. Das Gründungstrio will ohne fremde Hilfe wachsen. „Wenn man Wagniskapitalfirmen an Bord holt, geht es immer darum, möglichst schnell einen Exit hinzulegen“, sagt Faasch. „Wir wollen lieber nachhaltig und langfristig etwas aufbauen.“ Die Konkurrenten haben da weniger Berührungsängste. Sharpist hat erst Anfang des Jahres 4,6 Millionen Euro unter anderem von Vorwerk Ventures bekommen. Coachhub hatte vor einem Jahr bereits 16 Millionen Euro eingesammelt.  

Wie das Start-up nun bekannt gab, haben Geldgeber nun noch einmal 25 Millionen Euro in das Unternehmen gesteckt. Neu im Kreis der Investoren ist mit Draper Esprit ein börsennotierter Wagniskapitalriese mit Sitz in London. Unter den bestehenden Gesellschaftern sind neben anderen die deutschen Frühphaseninvestoren HV Capital (früher HV Holtzbrinck Ventures) und Signals Venture Capital – ein vom Versicherungskonzern Signal Iduna angeschobener Fonds. Die Coachhub-Gründer wollen das frische Kapital voll in das Wachstum investieren. Bis Ende des kommenden Jahres sollen 120 Mitarbeiter hinzukommen. „Wir sehen uns in einer guten Position, um das Rennen um die Marktführerschaft in Europa zu gewinnen“, sagt Niebelschütz. Er hat sogar noch mehr vor: Auch in den USA, dem Heimatmarkt von BetterUp, will er bald angreifen. 

Aufwändige Prüfverfahren

Entscheidend im Wettkampf der Start-ups ist, ein umfangreiches Netzwerk an Coaches vorzuweisen – und Großkonzernen ihre Dienste international anzubieten. Sharpist arbeitet eigenen Angaben zufolge mit mehr als 500 Experten weltweit zusammen, bei Bettercoach sind es 800, bei Coachhub bereits jetzt 2500. Im Zuge der Expansion soll diese Zahl nun verdoppelt werden. Wie stark sich die Netzwerke der Anbieter überschneiden, ist unklar. Der Pool an Coaches ist indes riesig: Den PwC-Zahlen zufolge sind weltweit rund 71.000 Menschen indem Berufsfeld unterwegs – die meisten davon als Freiberufler.

Die Start-ups betonen unisono, nur qualifizierte Experten zu vermitteln – harte Auswahlprozesse sollen Scharlatane und Blender aussortieren. Coachhub etwa gibt an, nur fünf Prozent aller Bewerber zu akzeptieren. Nachweisen müssen die Coaches unter anderem die Zertifizierung durch einen anerkannten Berufsverband und mehr als sechs Jahre Berufserfahrung. Zum Aufnahmeprozess gehört auch ein Vorstellungsgespräch sowie ein Probe-Coaching. Laut Niebelschütz kümmern sich 20 Mitarbeiter alleine darum, die Coaches an Bord zu holen, sie zu schulen und zu betreuen.

Um die besten Coaches für sich zu gewinnen, machen die Start-ups zahlreiche Versprechen: Zugang zu neuen Kunden sowie Chancen, die eigene Auslastung zu erhöhen. Bezahlt werden die Coaches nach Stundensätzen, diese seien „sehr wettbewerbsfähig“, wie Niebelschütz sagt.




Software-Branche als Vorbild

Dabei verschwimmen die Grenzen zwischen Vermittlungsplattform und HR-Beratung. So wirbt Coachhub mit Zugang zu seiner Denkfabrik „Coaching Lab“. Beteiligt sind Professoren, Psychologen, Forscher und Lernexperten. Sie entwickeln passende Coaching-Strategien für die Unternehmenskunden – etwa für die Digitalisierung, wenn das gerade das große Thema in der Firma ist. „Wir haben da mittlerweile ein tiefes Fachwissen, das uns zu Transformations-Partnern macht“, sagt Niebelschütz. Dazu kommen selbst entwickelte E-Learning-Inhalte. Das Versprechen: Die Mitarbeiter der Kunden erhalten im Anschluss an ihre Coaching-Sitzung per App thematisch passende digitale Lerninhalte. Die sollen die besprochenen Themen vertiefen. Mehr als 500 solcher Elemente hat Coachhub inzwischen im Programm. Eine ähnliche Strategie verfolgt auch Sharpist. Charmant aus Start-up-Sicht: Anders als das eigentliche Coaching lässt sich das E-Learning besser skalieren. Einmal entwickelte Inhalte können ohne zusätzliche Kosten unbegrenzt vielen Kunden angeboten werden.

Bei Coachhub spricht man analog zum typischen Geschäftsmodell der großen Software-Konzerne von „Coaching as a Service“: Kunden zahlen nicht für einzelne Coaching-Sitzungen, sondern sie kaufen eine Jahreslizenz pro Mitarbeiter. Das soll den Weg zur Marktführerschaft ebnen, ist aber riskant: Die Rechnung geht nur auf, wenn sich Intensiv- und Gelegenheitsnutzer die Waage halten. „Wir haben mit unseren Investoren lange diskutiert, ob wir das machen sollen“, räumt Niebelschütz ein. „Ähnlich wie im Onlinehandel wird sich am Ende die Plattform durchsetzen, die sich am stärksten an den Kundenbedürfnissen orientiert“, ist der Coachhub-Gründer überzeugt, der dabei die Beispiele wie StudiVZ oder Xing vor Augen haben mag, zwei sozialen Netzwerken deutscher Herkunft, die mit sehr unterschiedlichem Erfolg probierten, mit den US-Konkurrenten in ihrem Feld mitzuhalten. 

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Wer bei den Coaching-Plattformen das Rennen macht, ist trotz der deutlichen Unterschiede in der Finanzkraft wohl noch offen. BetterUps Neuzugang an der Spitze zumindest kündigt an, sich mit vollem Eifer einzubringen. „Ich möchte  dabei mithelfen, einen Einfluss  auf das Leben der Menschen zu nehmen“, erklärte Prinz Harry dem Wall Strett Journal seine Beweggründe. „Proaktives Coaching bietet noch endlose Möglichkeiten für die Persönlichkeitsentwicklung, die Erhöhung der Achtsamkeit und insgesamt das Erreichen eines besseren Lebens.“

Mehr zum Thema: Immer mehr Deutsche lassen sich für ihre Karriere mental trainieren. Doch damit das funktioniert, braucht es den richtigen Coach – und keinen teuren Guru.

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