Corona-Hilfe Gründer warten auf Geld

Hast du mal Geld? Vor der Coronakrise blühte die Gründerszene, wie im Start-up-Zentrum Spinlab in Leipzig. Nun tun sich viele junge Unternehmen schwer, an Geld zu kommen. Und die Hilfe von Politikern lässt auf sich warten. Quelle: dpa

Ausgerechnet Start-ups, die sich selbst finanziert haben statt auf Risikokapital zu setzen, leiden nun unter der die Krise. Denn für sie gibt es bislang kaum passende Hilfspakete. Schon gar nicht in Bayern.

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Eigentlich wollte Mauricio Esguerra in diesem Jahr richtig loslegen. Seine Firma Magment aus Unterhaching bei München entwickelt seit fünf Jahren Baustoffe, mit denen Fahrzeuge induktiv geladen werden können. Elektrisch angetriebene Autos, Roller, Gabelstapler oder Industrieroboter parken auf der Zementoberfläche des Start-ups – und laden so ihre Batterien wieder auf. Bis heute hat sich das junge Unternehmen aus eigenen Mitteln und mit der Unterstützung von privaten Geldgebern finanziert. „Wir sind genau an der Stelle, wo wir von den Pilotprojekten in die kommerziellen Installationen übergehen“, sagt Mitgründer Esguerra.

Dann kam Corona. Seit dem Ausbruch der Pandemie und den folgenden wirtschaftlichen Schwierigkeiten haben viele Kunden, die bei Magment bereits Interesse gezeigt hatten, die Projekte zurückgestellt. Und mit der geplanten Finanzierungsrunde wird es schwierig – viele professionelle Investoren halten sich gerade mit neuen Beteiligungen zurück. Die Hausbank von Magment war gesprächsbereit, aber hilflos: Geld für Kredite wäre da, die Bedingungen dafür erfüllt aber kaum ein Start-up. „Wir müssen noch eine Weile arbeiten, bis wir die Gewinnschwelle erreichen“, sagt Esguerra, „dadurch sind die normalen Instrumente für den Mittelstand nichts für uns.“ Täglich telefoniert der Unternehmer herum, eine verbindliche Antwort konnte ihm bislang keine Stelle liefern. Sein Pech: Das Start-up sitzt in Bayern. Und da stößt sogar der Beton-Spezialist auf Beton.

Ob es schnell Hilfe erhält, das hängt für Start-ups derzeit auch davon ab, wo sie sitzen. Dabei hatte der Bund eigentlich zwei Milliarden Euro für Wachstumsunternehmen zugesagt. Doch nun zeigt sich: Ein Großteil der jungen Unternehmen fällt weiterhin durch das Raster.

Mehr Möglichkeiten haben die Start-ups, die professionelle Risikokapitalgeber an Bord haben. Seit knapp zwei Wochen können sich bereits junge Tech-Unternehmen mit Risikokapital-Gesellschaften als Unterstützer bei der „Corona Matching Fazilität“ der KfW melden. Stellen Profi-Investoren Geld bereit, packt die staatliche Förderbank noch einmal die gleiche Summe drauf.

Doch der Deutsche Start-up-Monitor aus dem vergangenen Jahr zeigt: Nur knapp 15 Prozent der jungen Unternehmen haben dieses Risikokapital an Bord. Allen anderen, die mit eigenen Ersparnissen oder kleinen privaten Geldgebern arbeiten, will der Bund mit der sogenannten Säule 2 helfen. Die Landesförderbanken sollen diese Mittel verteilen – bis zu 800.000 Euro pro Unternehmen sind bis Ende des Jahres beihilferechtlich erlaubt.

Doch die Auszahlungen verzögern sich: Die KfW zu koordinieren sei einfacher als die Abstimmung mit 16 regionalen Landesförderinstituten, wirbt Finanzstaatssekretär Jörg Kukies bei Linkedin um Verständnis. Auf Nachfrage der WirtschaftsWoche heißt es aus dem Bundesfinanzministerium: „Bund, KfW und Landesförderinstitute arbeiten gemeinsam mit Hochdruck an der Umsetzung und flächendeckenden Bereitstellung des Maßnahmenpakets für Start-ups und haben allesamt das gleichgerichtete Interesse, die Förderung in den Ländern sehr zügig zu starten.“ Doch auf einen genauen Zeitpunkt, wann die genauen Bedingungen zurechtgezogen sind und erste Gelder fließen werden, will sich die Behörde nicht festlegen.

Zeitraubendens Feilen an den Details

Bund und Länder wollen sich gründlicher vor Betrügern schützen, die bei den hektisch ins Leben gerufenen Soforthilfen zugeschlagen hatten: Es müssten Strukturen aufgesetzt werden, die die Wahrscheinlichkeit missbräuchlicher Inanspruchnahme minimieren, heißt es vom Finanzministerium.

Einige Förderinstitute geben sich skeptisch: Ein paar Wochen könne es noch dauern, bis die Bedingungen stehen. Viele Landesförderbanken müssen Hilfsprogramme für Freiberufler, Kleinunternehmer und Mittelständler parallel verwalten, ungeduldige Nachfragen aus der Wirtschaft beantworten und sind zugleich selbst auf Informationen vom Bund angewiesen. Die Belastung ist groß.

Dennoch wächst die Unruhe in Teilen der Gründerszene. Die Priorisierung bei den Start-up-Programmen stößt auf Kritik: „Warum wird denen, die bereits von Venture-Capital-Gesellschaften unterstützt werden, zuerst geholfen – und uns, die keine Unterstützer haben, zuletzt?“ fragt etwa Magment-Gründer Esguerra. Der Bundesverband Deutsche Startups treibt vor und hinter den Kulissen die Arbeit an beiden Programmen voran, der Einsatz von Branchenvertretern und Politikern ist hoch. Doch Präsident Christian Miele ist im Hauptberuf nicht Gründer, sondern Partner bei der Venture-Capital-Gesellschaft Eventures.

Durcheinander in der Förderlandschaft

Aktuell hängt es von der Meldeadresse eines Start-ups ab, ob Hilfsgelder auch dann an Start-ups fließen, wenn sie keine Risikokapitalgeber an Bord haben. Verschiedene Bundesländer haben auf eigene Faust Programme angeleiert. Die NRW-Bank etwa hat bereits Anfang April „Start-up akut“ ins Leben gerufen. Bis zu 200.000 Euro können Start-ups ohne Risikokapitalgeber hier als Wandeldarlehen erhalten. 

Das muss entweder nach sechs Jahren zu sechs Prozent Zinsen zurückgezahlt werden - oder die Förderbank wandelt das Guthaben bei einer Finanzierungsrunde in Anteile an dem Start-up um. „So wollen wir verhindern, dass die Gründungsdynamik, die wir hier erfreulicherweise haben, zum Erliegen kommt“, sagt Christoph Büth, Leiter des Bereichs Eigenkapitalfinanzierungen bei der NRW Bank. Das Interesse ist groß: Rund 60 Anträge von regionalen Start-ups sind bislang eingegangen. 

Baden-Württemberg hat ebenfalls Anfang April das Rettungsprogramm „Pro-Tect“ ins Leben gerufen. Junge Tech-Unternehmen ohne größere Investoren können auch hier zinslos Kapital erhalten, um für zwei bis drei Jahre einer Liquiditäts-Krise zu entkommen. Etwa 25 Start-ups hätten die Hilfen über die L-Bank bereits erhalten, heißt es aus dem Wirtschaftsministerium in Stuttgart. 

Berlin verdreifachte kurzerhand die Mittel für die Start-up-Förderung. Eine Vorschusszahlung soll nun einfacher bewilligt werden, dazu sei ein „Corona-Bonus“ in Höhe von 5000 Euro möglich, heißt es von der Senatsverwaltung für Wirtschaft. Bis zu 200 weitere Start-ups will die Hauptstadt so unterstützen können. Auch zusätzliche „Start-up-Stipendien“ sollen möglich sein. Dabei erhält ein Gründer ein Jahr lang monatlich 2000 Euro.

Die Hamburgische Investitions- und Förderbank reservierte aus einem 300 Millionen Euro schweren Soforthilfe-Paket 25 Millionen explizit für Start-ups. Knapp 60 Anträge über insgesamt 2,8 Millionen Euro wurden davon bereits bewilligt, heißt es auf Nachfrage – das entspricht im Schnitt knapp 50.000 Euro Unterstützung pro Start-up. „Wir arbeiten mit Hochdruck daran, unseren Aufgabenteil zu erfüllen, denn es ist uns bewusst, dass das Geld schnell bei den Startups ankommen muss“, teilt die Hamburger Wirtschaftsbehörde mit. Zudem arbeite man an zusätzlichen Instrumenten für das Bundesland, für die andere Vergabekriterien gelten sollen: „Um den weitreichenden Bedürfnissen der Hamburger Startups in der Krise gerecht zu werden, sind weitere Förderprogramme in Vorbereitung, die ebenfalls aus den bereitgestellten 25 Millionen Euro bedient werden“, sagt ein Sprecher.

Nicht alle Länder helfen Gründern 

In einigen Bundesländern blicken sich Gründer dagegen vergeblich nach Unterstützung um, zum Beispiel in Bayern. Dort wuchs in den vergangenen Jahren ein starkes Ökosystem an Hardware- und Industrie-Start-ups heran, insbesondere im Umfeld der Technischen Universität München. Über mehrere Fonds investieren private und öffentliche Geldgeber gemeinsam in vielversprechende Gründungen. Doch ein Nothilfeprogramm suchen Unternehmen wie Magment vergebens. 

Auch in zahlreichen anderen Bundesländern finden sich zumindest keine explizit auf Start-ups ausgerichteten Hilfen. Gründer müssen sich durch die überlasteten Hotlines der Förderbanken quälen, um ihre Einzelfälle prüfen zu lassen. Viele gehen trotzdem leer aus: In den meisten Kriterienkatalogen, vor allem für vergünstigte Kredite, ist eine positive wirtschaftliche Prognose zum Jahresende 2019 gefordert. Die können Start-ups in der Aufbauphase nicht bieten.

Manche Institute warten auf klare Spielregeln vom Bund. So wollen sich einige Förderbanken auch doppelte Arbeit sparen. Denn einige der hastig aufgelegten, aber hilfreichen regionalen Programme dürfen wohl nicht durch Bundesmittel aufgestockt werden. „Sofern es dort bereits Förderinstrumente gibt, die in dem zwischen Bund, KfW und LFI abgestimmten Rahmen liegen, können diese natürlich genutzt werden“, teilt das Bundesfinanzministerium dazu mit. Möglich, dass einige besonders aktive Landesförderinstitute Bedingungen umformulieren und ihre Mitarbeiter auf neue Anträge schulen müssen.

Kreativität statt Krisenhilfe 

Bis die Gelder fließen, müssen die Banken somit noch einiges tun: Die KfW schließt für das Programm Globaldarlehensverträge mit den Instituten Das solle „in Kürze“ geschehen, teilt das Bundesfinanzministerium mit. Aus den Ländern ist zu hören: Vermutlich werden die Hilfsmittel der Säule 2 als Eigenkapital oder eigenkapitalähnliche Mittel bereitgestellt. Das könnten direkte Beteiligungen der Förderbanken sein, Wandeldarlehen oder sogenanntes Mezzanine-Kapital, eine Mischung aus Fremd- und Eigenkapital, oft in Form einer stillen Beteiligung. 

Das Finanzministerium hält sich mit Details auch hier zurück: Die konkrete Ausgestaltung liege bei den Förderbanken, „die die Besonderheiten im jeweiligen Bundesland am besten kennen.“

Das Durcheinander schreckt einige Start-ups ab – sogar in Bundesländern mit vorhandenen Mitteln. „Ich habe ein bisschen aufgegeben, mich auf Hilfstöpfe zu verlassen. Das ist ermüdend“, sagt Torsten Bendlin. Er ist Mitgründer des Bielefelder Start-ups Valuedesk, das eine Einkaufssoftware für Unternehmen anbietet. Die Umsätze gingen in der Krise zunächst nicht zurück – aber die Zahl der Neuabschlüsse brach ein. „Das Geschäftskundengeschäft lebt von persönlichen Kontakten“, sagt Bendlin. 

Statt Wachstumsschub hieß es daher Kurzarbeit für einige Mitarbeiter im knapp 20-köpfigen Team. Und statt auf Krisenhilfe setzt Bendlin auf Kreativität: Ein Software-Spezialist seines Start-ups hilft für ein paar Monate bei einem Kunden aus, anderen Nutzern bot er jetzt eine langfristige Vertragsverlängerung an – mit einem kleinen Rabatt. „Im Sturm muss man auch andere Wege gehen“, so Bendlin.

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