Corporate Venture Building Worauf es beim gemeinsamen Gründen ankommt

Tradition vs. Innovation: Worauf beim gemeinsamen Gründen ankommt Quelle: imago images

Vor drei Jahren sind die Versicherungskammer aus München und der Corporate Venture Builder Bridgemaker angetreten, um gemeinsam ein neues Unternehmen zu gründen. Nun teilen die beide erstmals ihre wichtigsten Learnings: Was Traditionsunternehmen beachten müssen, wenn sie sich aufmachen, ein Venture zu gründen und den Innovationsgeist voranzutreiben. Ein Gastbeitrag.

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Natürlich hat es zwischendurch auch mal gekracht. Wie sollte es auch anders sein, wenn ein über 200 Jahre altes Unternehmen wie die Versicherungskammer auf den Start-up-Geist eines Corporate Venture Builders wie Bridgemaker trifft. Auf der einen Seite die langjährige Erfahrung mit etablierten Kundenbeziehungen eines erfolgreichen Versicherungskonzerns; auf der anderen Seite ein junger Corporate Venture Builder mit einem Team, das agil arbeitet und dem es nicht schnell genug gehen kann. Dass in so einem Setup die sprichwörtlichen Welten aufeinanderprallen, ist logisch. Es war in unserem Fall sogar gewollt.

Learning 1: Nutzen Sie Ihre unfairen Vorteile
Wer ins Corporate Venture Building startet, sollte seine traditionellen Vorteile nutzen. Das bedeutet: Während ein normales Start-up stets mit allem ganz neu beginnen muss, kann ein Corporate Venture auf Ressourcen des Mutterunternehmens zurückgreifen. Dieser unfair advantage, also ein nicht kopierbarer Wettbewerbsvorteil, macht ein Corporate so attraktiv als Investor.

Ausgangspunkt war, dass die Versicherungskammer eine Institution im Bereich der Gebäudeversicherung ist – mindestens sieben von zehn Häusern in Bayern sind bei dem Konzern versichert. So entstand die Idee, ein Venture rund um das Wohnen und Leben in Gebäuden zu entwickeln und dem Start-up die Vorteile in Bezug auf Kundenzugang und Marktwissen mitzugeben. In diesem Ökosystem Living, wie wir es nennen, haben wir mit der Uptodate Ventures GmbH einen Hardware- und Service-Marktplatz mit Smart-Home-Produkten platziert. Zusätzlich haben wir die Nachhaltigkeits-App Earnest gestartet, die unseren Kunden beim Sparen von CO2 im eigenen Zuhause hilft. Das sind nur zwei Beispiele, die wir im Ökosystem Living entwickeln.

von Dominik Reintjes, Thomas Stölzel

Learning 2: Bleiben Sie flexibel, aber definieren Sie klare Leitplanken
Als wir vor drei Jahren gestartet sind, war Corporate Venture Building generell noch sehr neu. Unser Ziel, unseren Nordstern also, hatten wir klar definiert: Wir wollten ein Venture gründen, dass die Kompetenzen und den Kundennutzen der Versicherungskammer erweitert. Der gesamte Prozess lässt sich vielleicht am besten mit einer Wanderung vergleichen. Auf einer Wanderung kann viel passieren. Nehme ich doch eine andere Route? Ist mir der eine Zwischenstopp nun doch wichtiger als der andere? Auf diese Freiheit und diese Abenteuer sollte man sich einlassen, wenn man ein Projekt wie unseres startet. Bridgemaker konnte als erfahrener Venture Builder die erprobte Methodik einbringen und damit im übertragenen Sinne die Rolle des Bergführers übernehmen. Gemeinsam haben wir stets Zwischenziele und Erfolge für den nächsten Routenabschnitt definiert, von Sprint zu Sprint gedacht und Flexibilität gelebt – wichtig war dabei aber immer, dass wir uns auf den Nordstern ausrichten.

Learning 3: Starten Sie mit dem richtigen Team
Wir sind überzeugt, dass Reibung notwendig ist, nur dadurch entstehen neue Ideen. Darum ist ein wichtiges Learning für erfolgreiches Corporate Venture Building: ein Team, das diese Reibung nicht nur aushält, sondern sogar durch tiefes Vertrauen in die verschiedenen Fähigkeiten der Partner in positive Kreativität und Produktivität umwandelt.

Es mag fast ein wenig klischeehaft klingen, aber auch beim Gründen im Traditionsunternehmen gilt die alte – auch in der Start-up-Welt gültige – Weisheit, dass das Team entscheidet. Deshalb haben wir große Mühe darauf verwendet, uns personell gut aufzustellen. Auf Seiten der Versicherungskammer ein Innovationstreiber, der für New Business Models zuständig ist und schon einmal ein Venture aufgebaut hat, sowie ein Justiziar, der als erfahrene Führungspersönlichkeit die Entscheidungen im Konzern fördern und an die Gesamtstrategie koppeln konnte. Auf der anderen Seite die CEO eines Venture Builders mit ihrem Team, die ihre Erfahrung im Gründen und Umsetzungspower einbringen konnte.

Learning 4: Übertragen Sie Start-up-Logiken in die traditionelle Konzernwelt
Dieses diverse Team ist auch deswegen hilfreich, weil Venture Building an vielen Stellen anders funktioniert als die etablierten Arbeits- und Strategieprozesse eines erfolgreichen traditionellen Konzerns. Wir haben darum versucht, schnelles und flexibles Start-up-Denken und feste Planung zu vereinen. Während bei Corporates die Budgets eher langfristig geplant werden, müssen Start-ups immer wieder in neue Finanzierungsrunden und vor Risikokapitalgebern pitchen. Viele sagen ja sogar, dass die Knappheit an Ressourcen erst die Kreativität eines Start-ups beflügelt.

Wir haben das Start-up-Dasein bei unserem Venture simuliert und den Konzerngegebenheiten angepasst. Der Konzern hat das Budget früh und langfristig eingeplant. Er hat es dem Venture Uptodate aber nur gegeben, wenn dieses regelmäßig vereinbarte Milestones erreicht und vor dem Investment-Komitee erfolgreich gepitcht hat. In dem Komitee saß der Versicherungskammer-Vorstand – und das bringt uns zum nächsten Learning.

Learning 5: Haben Sie Mut zur Veränderung
Den Vorständen der Versicherungskammer ist bewusst, dass man ein Geschäft nur dann mehr als 200 Jahre erfolgreich führen kann, wenn man bereit für Innovationen ist. Diese Sicht der entscheidenden Führungskräfte gibt Sicherheit für den Prozess und ist die Basis dafür, dass so eine Unternehmung überhaupt funktionieren kann. Nach drei Jahren sind wir nun an einem ersten Zwischenziel angekommen. Wir haben es geschafft, eine Plattform und eine App zu implementieren. Damit ist es uns auch gelungen, den internen Transformationsprozess sowie die Mitarbeiter zu unterstützen und anzuschieben. Durch die partnerschaftliche Zusammenarbeit konnten und können neue Ideen und interne Aktionen entstehen, die den Innovationsgeist tief im Unternehmen verankert haben. Schon aus diesem Grund ist die gemeinsame Entwicklung des Ökosystem Living für uns ein Erfolg.

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Das vielleicht größte Geheimnis und wichtigste Learning dahinter, ist die gemeinsame Haltung, die die Versicherungskammer und Bridgemaker teilen: Als Partner haben wir beide den Mut und den Willen, Neues zu probieren – und dann eben auch erfolgreich umzusetzen.

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