Crowdinvesting Dem Herdentrieb folgen

Über neue Internet-Portale kann sich eine Vielzahl privater Investoren mit kleinem Geld an jungen Unternehmen beteiligen – individuell und abseits der Börse. Wie Schwarminvestments funktionieren, was Anleger beachten müssen.

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Schwarmfinanziertes Warenlager Gründer Kraus (links) und Souvignier Quelle: Frank Beer für WirtschaftsWoche

Für ein Investorentreffen ist hier kein Platz: Bis unter die Decke des kleinen Arbeitszimmers in der Düsseldorfer Witzelstraße stapeln sich Produkte aus aller Welt: Astronauteneis aus den USA, gefriergetrocknet und garantiert nicht schmelzend, Kiwi-Pfeffersoße aus Neuseeland, Gesellschaftsspiele aus Zentralafrika und peruanische Puppen.

Michael Kraus und Gilbert Souvignier haben rund 500 verschiedene originelle Geschenke aus über 70 Ländern im Programm – und 180 private Anleger als Anteilseigner im Rücken. Ihr Online-Shop Cosmopol ist das erste deutsche Startup, das sich mittels Crowdinvesting erfolgreich finanziert hat.

Crowdinvesting steht für Investitionen in junge Unternehmen durch eine breite Masse von Anlegern. Der neue Anlagetrend will die Intelligenz des Schwarms ausbeuten: Investieren viele dieser Mikroinvestoren in dasselbe Unternehmen, so die Idee dahinter, deutet das auf ein lukratives Investment hin.

Cosmopol könnte ein solches sein. Innerhalb von 120 Tagen sammelten Kraus und Souvignier dank Crowdinvesting rund 95 000 Euro ein, durchschnittlich investierte jeder Anleger rund 613 Euro in das Startup. „Es ist sehr motivierend, so viele Unterstützer zu haben“, sagt Gründer Kraus.

Immer mehr Crowdinvesting

Um mitzuspielen, müssen Anleger sich einfach auf einer der Crowdinvesting-Plattformen registrieren. Vorreiter in Deutschland war das Dresdner Portal Seedmatch. Mittlerweile bietet auch Innovestment aus Köln vor allem Gründungen aus der High-Tech-Branche eine Finanzierungsmöglichkeit. In Kürze will Mashup Finance aus München Existenzgründern bei der Kapitalsuche helfen.

Auf den Portalen stellen sich die von den Betreibern sowie externen Experten ausgewählten Startups per Video vor, auch ihre Business- und Finanzpläne können Investoren einsehen. Bereits ab 250 Euro ist eine Beteiligung möglich. Verläuft eine Gründung erfolgreich, sind Renditen zwischen 200 und 400 Prozent drin.

Die Schwärme wachsen: Obwohl es Crowdinvesting-Portale in Deutschland erst seit Mitte des Jahres gibt, sind allein auf Seedmatch bereits rund 3000 potenzielle Schwarminvestoren registriert. Nicht nur Cosmopol hat sich hier finanziert. In Rekordzeit sammelte Smarchive sein Kapital.

Innerhalb von nur 60 Stunden kamen die in dieser Phase maximal möglichen 100 000 Euro zusammen. Das Münchner Startup bietet Dokumentenablage im Internet für den privaten Gebrauch. Auch NeuroNa- tion, ein webbasiertes Gehirntraining, und BluePatent, ein Netzwerk von Patentexperten, haben sich über Seedmatch erfolgreich finanziert.

Jeder kann investieren

Die Dax-Tafel Quelle: dpa

„Das Besondere an Crowdinvesting ist, dass wirklich jeder investieren kann“, sagt Jens-Uwe Sauer, Geschäftsführer von Seedmatch. Bisher waren Beteiligungen an nicht börsennotierten Unternehmen für Privatinvestoren, wenn überhaupt, fast ausschließlich über Private-Equity-Fonds möglich. „Im Vergleich zu Fonds bietet Crowdinvesting viel mehr Transparenz. Anleger wissen genau, in welchem Unternehmen ihr Kapital steckt“, sagt Sauer.

Schüttet ein Startup Gewinn aus, werden die Crowdinvestoren entsprechend ihrer Anteile daran beteiligt. Beim Ausstieg nach ein paar Jahren sind hohe Renditen drin. Angenommen, ein Anleger hat 500 Euro in ein Startup investiert und hält damit einen Anteil von 0,1 Prozent an dem Unternehmen.

Nach sechs Jahren kann er seine Beteiligung das erste Mal kündigen, je nach Vertrag. Im Erfolgsfall bekommt er dann nicht nur sein ursprünglich investiertes Kapital zurück, sondern wird entsprechend seines Anteils am aktuellen Unternehmenswert beteiligt.

Um diesen zu bestimmen, wird normalerweise der zuletzt erzielte Gewinn vor Zinsen und Steuern (Ebit) des Startups mit einem vorher vertraglich festgelegten Faktor multipliziert. Ergibt sich beispielsweise ein Unternehmenswert von 1,5 Millionen Euro, erhält der Anleger davon 0,1 Prozent plus seine ursprüngliche Beteiligung von 500 Euro, sprich 2000 Euro. Das entspräche einer Rendite von satten 300 Prozent.

Riskantes Frühphasenkapital

Die Mindestlaufzeiten der Beteiligungen betragen etwa fünf bis sieben Jahre. Danach können Anleger kündigen. Auch die Startups können den Beteiligungsvertrag auflösen, in der Regel aber erst deutlich später.

Da es sich um eine stille Beteiligung handelt, müssen Anleger ihre erzielten Gewinne pauschal mit 25 Prozent versteuern. Eine Nachschusspflicht gibt es nicht: Ist das Startup nicht erfolgreich, geht lediglich das ursprünglich investierte Kapital verloren.

Um derart hohe Renditen zu erzielen, müssen Anleger aber zunächst einmal Geduld haben. Schließlich ist kaum zu erwarten, dass neu gegründete Unternehmen bereits in den ersten Jahren hohe Gewinne einfahren.

Derartiges Frühphasenkapital ist immer hochriskant“, sagt Christoph Schalast, Professor für Beteiligungsrecht an der Frankfurt School of Finance und Mitherausgeber des Fachbuches „Guide 2012 M & A und Corporate Finance“. Wer auf schnelle und sichere Rendite aus sei, sei beim Crowdinvesting falsch. Um Risiken zu streuen, sollten Anleger zudem in mehrere Startups investieren.

Wichtig sei, den Businessplan zu verstehen und im Idealfall mit der jeweiligen Branche vertraut zu sein, sagt Schalast. „Sonst wird das Investment schnell zum Lotteriespiel.“ Zusätzlich sollten sich Anleger mit den Auswahlkriterien der jeweiligen Crowdinvesting-Plattform vertraut machen, bevor sie Geld in ein unbekanntes Unternehmen investieren. Die Auswahl der Startups sollte transparent und für den Anleger nachvollziehbar sein.

Reizvolles Investment

Eine Aktie der Lehman Brothers mit der Seriennummer 0001 Quelle: dapd

Einer der ersten Schwarminvestoren ist Tobias Kramer. Der Herausgeber einer kleinen Anlegerzeitschrift hat sein Risiko gestreut und bisher in drei der vier auf Seedmatch vorgestellten Startups investiert. „Zuerst war es reine Neugierde, ich wollte einfach wissen, wie Crowdinvesting funktioniert“, sagt Kramer.

Vor allem die frühe Chance, in ein junges Unternehmen zu investieren, sei für ihn reizvoll. „Wenn mich ein Geschäftsmodell überzeugt, werde ich sicherlich investieren“, sagt Kramer.

Dabei schätzt der Diplom-Kaufmann seine Rendite-Chancen durchaus realistisch ein. „Natürlich habe ich bei einem Investment in eine Gründung eine sehr reale Wahrscheinlichkeit eines Totalausfalls. Ich kann allerdings auch reich belohnt werden“, sagt er. Volles Risiko hieße schließlich auch volle Chance.

Kramer ist ein typischer Fall: „Unsere Nutzer sind größtenteils männlich, jünger als 45 Jahre und kennen sich mit Investments aus“, sagt Seedmatch-Chef Sauer. Viele hätten in letzter Zeit schlechte Erfahrungen mit Aktien gemacht, da sei Crowdinvesting eine willkommene Alternative, so Sauer.

Für Startups wie Cosmopol liegen die Vorteile des neuen Anlagetrends auf der Hand: In Zeiten, da Banken sich bei der Vergabe von Risikokapital stark zurückhalten, sind Existenzgründer mehr denn je auf alternative Wege der Finanzierung angewiesen. „Deutschland hat bisher einen eher schwachen Venture-Capital-Markt, da könnte Crowdinvesting zu einer echten Alternative heranwachsen“, sagt Schalast.

Gleichzeitig erinnert Crowdinvesting stark an das in der US-Computerszene entwickelte Konzept der Business Angels – eine Art von Schutzengeln der jungen Unternehmer, die Existenzgründer nicht nur mit Kapital, sondern auch mit Expertenwissen unterstützen.

Investment mit Obergrenze

Michael Kraus und Gilbert Souvignier berichten ebenfalls von vielen hilfreichen Kontakten zu ihren Mikroinvestoren. „Die meisten betrachten Crowdinvesting nicht nur als reine Anlageform“, sagt der 34-jährige Kraus. „Viele stellen uns ihr Netzwerk zur Verfügung oder schicken neue Produktideen für das Sortiment“, ergänzt Souvignier.

„Der Zugang zu einem Unternehmensengel-Netzwerk erfordert zumeist ein großes Portemonnaie, das ist nur für kapitalstarke Anleger eine Alternative“, meint Sauer. Bei Seedmatch kann sich dagegen jeder Anleger die Engelsflügel umschnallen. Bisher liegt die Obergrenze für Investments bei 10 000 Euro, Mehrheitsbeteiligungen an Unternehmen sind dadurch ausgeschlossen.

Ursprünglich stammt die Idee des kollektiven Geldeinsammelns aus der Szene der Kreativen und Freischaffenden. In den USA sammeln Filmemacher, Blogger oder Musiker so Spenden für ihre Projekte. Je nach Großzügigkeit winkt dem Spender ein einmaliges Dankeschön.

Die Cosmopol-Gründer griffen die Idee auf, sie bedanken sich zu Weihnachten mit ihren Produkten bei ihren Anlegern. Beim Zusammenstellen der Naturaldividende wurde ihnen erst so richtig klar, wie viele Investoren sie eigentlich haben: „180 Pakete zu packen, das kostet ganz schön Zeit“, sagt Kraus.

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