Dagi Bee startet Streaming-Angebot Influencer drehen die Musik auf

Die Influencerin Dagi Bee und ihr Ehemann versuchen sich als Unternehmer – und gründen ihr eigenes Musiklabel. Quelle: imago images

Dagi Bee ist ein Star in vielen sozialen Netzwerken. Nun nutzt sie ihre Popularität, um mit ihrem Mann auch noch ein digitales Musiklabel aufzubauen. Aber werden sich die Werbegesichter wirklich als Gründer beweisen?

  • Teilen per:
  • Teilen per:

Der Instagram-Account ist knapp acht Wochen alt, zeigt bislang nicht viel mehr als das Firmenlogo – und hat trotzdem bereits gut 4000 Abonnenten. Das Profil von „23Hours Music“ verrät, wie groß die Neugier auf die Protagonisten hinter diesem neuen Projekt ist: Das gleichnamige Musiklabel, das an diesem Freitag offiziell startet, treibt Dagmar Kazakov gemeinsam mit ihrem Ehemann Eugen voran. Sie ist allerdings besser bekannt unter ihrem Künstlernamen: „Dagi Bee“ gehört zu den reichweitenstärksten Social-Media-Werbegesichtern Deutschlands. 6,2 Millionen Fans folgen ihr bei Instagram, fast vier Millionen bei Youtube, knapp zwei Millionen bei Twitter. Im digitalen Windschatten hat auch ihr Mann eine hohe sechsstellige Zahl an Anhängern in manchen sozialen Netzwerken aufgebaut.

Was die beiden bewerben, wird gekauft. Wen die beiden ins virtuelle Rampenlicht rücken, der gewinnt rasch an Fans. Die Produktpalette von Dagi Bee ist über die Jahre bereits immer breiter geworden. Nun will das Paar Musikern zu kommerziell vielversprechender Reichweite verhelfen – und deren Songs digital verbreiten: „Ich habe selbst bei Freunden gesehen, was es bringen kann, wenn Influencer in die Musikpromotion integriert werden“, sagt Dagmar Kazakov im Gespräch mit der WirtschaftsWoche. „Wir haben das Know-how und die Erfahrung, um Künstler und einzelne Veröffentlichungen nach vorne zu treiben“, ergänzt ihr Mann Eugen.

Mit 23Hours Music baut das Ehepaar mit gerade einmal Mitte Zwanzig seine geschäftlichen Aktivitäten weiter aus. Und steht damit für einen Trend in der Welt der Influencer: „Viele von ihnen haben realisiert, wie effektiv ihre Reichweite ist“, sagt Philipp John, Mitgründer von Reachhero. Das Start-up bringt Firmen und Influencer zusammen. Nach wie vor werden die Influencer intensiv von Konzernen umworben, um deren Produkte zu bewerben. „Aber wer sich unabhängiger von Unternehmen macht, kann mehr Rendite abgreifen“, betont John. So entstehen rund um die Protagonisten vor der Kamera kleine, aber schnell wachsende Firmen. Aus Werbegesichtern werden Digitalunternehmer.

Ist der Influencer-Marketing-Boom schon bald vorbei? Oder geht es jetzt erst richtig los? Die Experten sind sich uneins. Dabei liegt die Antwort auf der Hand.
von Thomas Koch

Verkaufshelfer aus den sozialen Netzwerken

Die meisten Influencer fangen klein an: Mit Blogbeiträgen, Videos und Fotos zu Schminktipps, Reisetipps oder Elektronikartikeln bauen sich einzelne Personen bei Youtube, Instagram und Co. eine große Fanbasis auf. Unternehmen entdeckten diese Profile vor einigen Jahren als perfekte Werbekanäle: Meist schaut eine junge Kundschaft, die die Konzerne sonst kaum noch erreicht, im Internet neugierig zu – und wird so auf den Pullover, den Energy-Drink oder auch das Waschmittel, das die Sternchen in die Kamera halten, aufmerksam. Statt einer künstlichen Werbewelt sorgt der freundliche Influencer aus dem Netz für Vertrauen in das Produkt. Und statt teuren Streuverlusten bei TV-Spots oder Plakatwerbung können die Unternehmen Klick für Klick nachvollziehen, wen die digitale Kampagne erreicht hat.

Die Strategie funktioniert: Mehr als jeder fünfte Deutsche hat schon einmal ein Produkt gekauft, weil er es zuvor bei einem Influencer gesehen hat. Das zeigte eine Studie des Bundesverbands Digitale Wirtschaft (BVDW) aus diesem Frühjahr, für die mehr als 1000 Menschen befragt wurden. Influencer seien für viele Unternehmen ein wichtiger Kanal im Marketing-Mix geworden, sagte BVDW-Vizepräsidentin Anke Herbener bei der Vorstellung der Umfrage. „Ihr positiver Einfluss auf den Abverkauf ist mittlerweile nachweisbar.“

Ob Teenie oder Kanzlerin, alle schießen Selfies. Was macht das ständige Inszenieren, Fotografieren und Teilen mit uns? Leben wir nur noch für das Selfie, und nicht mehr für den Moment? Ein Denkanstoß zur Fotokultur.
von Lin Freitag

Parallel wuchsen einige der Influencer vom WG-Zimmer ins Luxusleben. Die prominentesten Gesichter der deutschen Branche können problemlos fünfstellige Summen für einen einzigen Werbebeitrag verlangen. Neben Dagi Bee gehören etwa Bianca Claßen („Bibis Beauty Palace“), die Zwillinge Lisa und Lena oder Pamela Reif dazu. Doch in der Coronakrise spürten einige der erfolgsverwöhnten Digital-Sternchen zum ersten Mal eine Nachfragedelle. Lange wird die aber nicht anhalten, zeigte sich Herbener im Frühjahr überzeugt: „Sobald sich die Wirtschaft erholt, werden Werbetreibende auch wieder die Influencer in ihrem Marketing-Budget berücksichtigen, da sind wir uns sicher.“

Pullis oder Pfeffer vergrößern den Umsatz

Viele der Social-Media-Stars haben ihr Geschäft trotzdem schon mal vorsorglich diversifiziert. Ein beliebter Entwicklungsschritt: eine Umsatzbeteiligung, oft verbunden mit der gemeinsamen Gestaltung von Produkten. Die Bandbreite ist groß: Sportartikelhersteller Puma hat eine eigene Kollektion mit der Fitness-Veteranin Pamela Reif. Thorsten Brandenburg mit seinem Grillblog „BBQ Pit“ führt 150 Rezepte auf, bei denen Gewürzmischungen des Start-ups Ankerkraut zum Einsatz kommen. Zugleich gibt es in dem Webshop des Start-ups eine eigene „BBQ-Pit“-Mischung. Kommen Blogleser auf den Geschmack und kaufen die Gewürze, erhält der Blogger eine Provision.

Dagi Bee startete 2018 eine Serie von Pflegeprodukten für die Drogeriekette dm. Ein Jahr später schmiss der Einzelhändler die Tuben jedoch wieder aus den Regalen. Nicht jedes Produkt passt zu jedem Profil. Und nicht jeder Preis, den Influencer aufrufen, rentiert sich für werbetreibende Unternehmen. Diese Logik funktioniert jedoch auch umgekehrt. „Es gibt Bereiche, die aus Sicht der Influencer nicht fair bepreist sind“, sagt Experte John. Unternehmen versprechen sich häufig einen direkten Anschub für ein Produkt. „Da geht es dann aber nur um direkte Absatzerfolge, nicht um einen langfristigen positiven Effekt für die Marke.“ 

Komplett eigene Produkte versprechen mehr Einfluss, mehr Möglichkeiten – und auch mehr Gewinn. John, der Unternehmen und Influencer zusammenbringt, listet unterschiedliche Erfolgsbeispiele auf: Die australische Fitness-Influencerin Kayla Itsines entwarf unter ihrer eigenen Marke Kurse zum Mitmachen. Und erreichte bereits im ersten Jahr mit E-Books und digitalen Workshops laut Medienberichten einen hohen achtstelligen Umsatz. Luisa Crashion gibt auf Youtube fast 500.000 Abonnenten Schminktipps – und verkauft unter der eigenen Marke Handspiegel und Lidschattenpinsel. Bei Dagi Bee ist es ein Webshop voller Shirts, Hoodies und Hosen. Aktuell läuft dort ein Ausverkauf, ein Nachfolge-Projekt sei aber in der Mache, versichert Eugen Kazakov: „Wir haben da jahrelang Millionen-Umsätze mit gefahren, doch die Themen und Schwerpunkte ändern sich.“

YouTube- oder Twitch-Star als Beruf, das ist der Traum vieler Jugendlicher. Für Sebastian Meyer, alias „Rewinside“, ist er Realität geworden. Innerhalb weniger Jahre wurde er zu einem der bekanntesten Gamer Deutschlands.
von Pascal Mühle

Virale Abkürzung in die Hitlisten

Mit ihrem frisch gegründeten Musiklabel wollen Dagi Bee und ihr Ehemann nun all das zusammenführen, was sie in den vergangenen Jahren aufgebaut haben: Er hat Musikvideos für Künstler wie Farid Bang oder Pietro Lombardi produziert. Sie hat vor zwei Jahren mit dem Influencer Julien Bam einen selbstironischen Song eingesungen, der heute bei knapp 19 Millionen Abrufen steht. Daneben kuratiert sie unter dem Namen „Dagi Beeats“ auch eine Playlist bei Streaming-Dienst Spotify, der 130.000 Fans folgen.

Das Label will dabei von verschiedenen Geschäftsmodellen profitieren: Das kann eine Aufteilung der gemeinsam erreichten Umsätze oder eine Unterstützung beim Vertrieb sein, ähnlich einer Agentur. Möglich ist auch eine sogenannte Bandübernahme. Bei der tritt ein Künstler die Verwertungsrechte gegen eine feste Summe an ein Label ab. Auch ein komplettes Management eines Künstlers sei denkbar, so Kazakov. 23Hours will vor allem beim digitalen Vertrieb der Songs helfen.

Und manchmal kann in der Streaming-Ökonomie eine gezielte Werbeaktion mit möglichst viel Reichweite dafür sorgen, dass ein Musikstück viral geht. In diesem Fall ist der Weg zu den digitalen Kanälen der Social-Media-Prominenz kurz: Aktuell firmiert das Label noch unter dem Dach der Beetique GmbH, die in Monheim am Rhein sitzt. Bald soll eine eigene Gesellschaft entstehen. Die Fans dürften auf dem 23-Hours-Instagram-Profil von ganz allein folgen.

Mehr zum Thema
YouTube- oder Twitch-Star als Beruf, das ist der Traum vieler Jugendlicher. Für Sebastian Meyer, alias „Rewinside“, ist er Realität geworden. Innerhalb weniger Jahre wurde er zu einem der bekanntesten Gamer Deutschlands. Mehr über seine Geschichte lesen Sie hier.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%