Dame Stephanie Shirley Die Frau, die sich „Steve“ nannte

Im Alter von 29 gründete die Britin Stephanie Shirley eine Softwarefirma – Anfang der Sechzigerjahre. Was sie anderen Frauen rät.

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Dame Stephanie Shirley Quelle: Dame Stephanie Shirley

WirtschaftsWoche: Dame Shirley, Sie sind kürzlich 82 Jahre alt geworden. Aber Sie denken nicht daran, kürzerzutreten.

Wissen Sie, das hat nichts mit dem Alter zu tun. Ich war schon immer ein Workaholic. Ich brauche Projekte, sie geben meinem Leben einen Sinn. Ich wurde als kleines Mädchen vor den Nazis gerettet. Damals wurde mir bewusst, wie viel Glück ich hatte. Schon seit meiner Kindheit will ich beweisen, dass mein Leben es wert war, gerettet zu werden.

Das klingt, als hätten Sie Schuldgefühle.

Mich ließ der Gedanke nie los, was es für eine Verschwendung wäre, gerettet zu werden und dann später das ganze Leben zu vertrödeln.

Bewegendes Leben

Aber in den Fünfzigerjahren wäre es für eine Frau normal gewesen, nicht zu arbeiten.

Ja, aber ich habe schon früh meine Liebe zur Mathematik entdeckt. In der Schule musste ich kämpfen, um am Unterricht teilnehmen zu dürfen. Für ein Studium hatte ich kein Geld. Ich bin tagsüber arbeiten gegangen und habe nach Feierabend in der Abendschule Mathematik gepaukt. Die Küche war nie mein Reich.

Stattdessen landeten Sie als Programmiererin bei der britischen Post.

Das war eine aufregende Zeit. Es gab die ersten Versuche, Daten elektronisch zu verarbeiten. Und ich war mittendrin, zwischen all diesen Männern. Sie waren nett zu mir, aber sie nahmen mich nicht wirklich ernst. Ich hatte keine Möglichkeiten, aufzusteigen. Da kündigte ich.

Und taten das, was für eine Frau Anfang der Sechzigerjahre undenkbar war: Mit 29 Jahren gründeten Sie Ihre eigene Softwarefirma F International Group. Da wurden Steve Jobs und Bill Gates gerade eingeschult. Wie kam die britische Wirtschaftselite mit so viel weiblichem Selbstbewusstsein klar?

Sie haben mich ausgelacht und verspottet. Weil ich eine Frau war – und noch dazu Software verkaufen wollte. Dafür gab es damals noch keinen Markt, die Firmen verkauften nur Hardware und gaben Programme gratis dazu. Außerdem stellte ich lediglich weibliche Programmiererinnen ein. Viele von ihnen hatten Mühe, Kind und Job zu vereinen. Deshalb habe ich ihnen angeboten, im Home Office zu arbeiten. Um das Kindergeschrei zu übertönen, mussten sie bei Anrufen eine Kassette mit Bürogeräuschen laufen lassen.

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Schwer vorstellbar, dass Sie mit dieser Firmenpolitik auch nur einen einzigen Kunden gewinnen konnten.

Niemand wollte mit mir, einer Frau, Geschäfte machen. Deshalb habe ich zu einem Trick gegriffen und den Briefkopf der Firma in „Steve“, der männlichen Form von Stephanie, geändert und fortan nur noch mit diesem Namen unterschrieben.

Nur als vermeintlicher Mann respektiert zu werden muss eine schmerzliche Erfahrung gewesen sein.

Es ist grausam, wenn man wegen seiner Hautfarbe, Sexualität oder des Geschlechts aus der Gesellschaft ausgeschlossen wird. Persönlichkeiten wie Ada Lovelace, die im 19. Jahrhundert das erste Computerprogramm schrieb, oder „Harry Potter“-Autorin Joanne K. Rowling haben deshalb unter ihren Initialen veröffentlicht. Sie hatten keine Lust auf diese Vorurteile. Das gilt auch für mich. Egal, was für ein Geschlecht ich bin, in erster Linie bin ich ein Mensch. Was mich auszeichnet, sind meine Fähigkeiten und Qualifikationen.

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