Schon während Susan Schmelzer ihre bunten Schuhe sorgsam in dem Kölner TV-Studio drapiert, beginnt das Getuschel. Wie Flip-Flops sehen sie aus, haben aber lange Noppen an der Sohle. „Sollen das etwa Golfschuhe sein?“, fragt einer der fünf Juroren. „Nein, darin hat man doch gar keinen Halt“, antwortet ein anderer.
Doch es sind tatsächlich Golfschuhe, die die Unternehmerin unter dem Namen „G-Flop“ vertreibt. Profispieler wie Florian Fritsch haben sie schon getestet. Auf der Sportmesse ISPO war Schmelzer als Finalistin für den Newcomer-Preis nominiert.
Nun sitzt sie vor fünf prominenten Investoren, von denen sie gern 50 000 Euro für den Ausbau ihres Geschäfts hätte. Doch zumindest beim deutsch-türkischen Touristikunternehmer Vural Öger blitzt Schmelzer ab. Fast persönlich beleidigt ist der Öger-Tours-Gründer angesichts der Vorstellung, jemand könnte in solchen Latschen einen Ball schlagen. „Kein Golfer würde so etwas kaufen“, schimpft er, „mein Fuß würde ja darin hin- und herwackeln.“
Erfolgreiche Gründershow
Willkommen in der „Höhle der Löwen“, einer neuen TV-Sendung auf Vox, in der ab 19. August Gründer um das Geld von Investoren buhlen. Fast 100 Jungunternehmer präsentieren ihre Geschäftsideen vor der Jury, zu der neben Öger auch Erlebnisgutschein-Guru Jochen Schweizer, die Vorsitzende des Jungunternehmerverbandes Lencke Wischhusen, Investor Frank Thelen sowie Judith Williams, Moderatorin beim Shoppingkanal HSE24 und Kosmetikunternehmerin, gehören. Etwa zwei Millionen Euro werden die fünf im Laufe der Sendung aus ihren Vermögen investieren.
In Großbritannien und den USA läuft die Sendung seit mehr als zehn Jahren unter den Namen „Dragons Den“ (Drachenhöhle) beziehungsweise „Shark Tank“ (Haifischbecken). Die Gründershow wurde schon in mehr als 20 Ländern adaptiert – darunter Nigeria und Afghanistan. Doch obwohl Vox bereits seit Jahren die Rechte hält, war der Sender offenbar skeptisch, ob im Erfinderland Deutschland eine solche Unternehmershow funktionieren kann.
Diese Zurückhaltung ist typisch für die Bundesrepublik. Die Zahl der Gründungen ist seit Jahren rückläufig. 2003 waren es laut KfW noch fast 1,5 Millionen, zehn Jahre später nur noch 870 000. Auch im europäischen Vergleich besteht Nachholbedarf, wie der Global Entrepreneurship Monitor zeigt: Während hierzulande im Vorjahr 3,1 Prozent der Erwachsenen ein Unternehmen gründeten, waren es beispielsweise in Irland 5,5 Prozent, in Schweden 5,9 Prozent und in Estland sogar 8,8 Prozent.
Scheitern ist ein teil des Erfolgs
Ein zentraler Grund ist die nicht immer wirtschaftsfreundliche Stimmung im Land. „Wenn Unternehmer in Deutschland scheitern, ernten sie Spott und Häme. Wer Erfolg hat und Millionen verdient, steht unter Ausbeuterverdacht“, sagt TV-Juror Schweizer. „Wir müssen lernen, dass Scheitern Teil des Erfolgs ist, und sollten denen, die es schaffen, nicht mit Neid begegnen.“
Die Show soll dazu einen kleinen Beitrag leisten: „Wir glauben, dass jetzt der richtige Zeitpunkt gekommen ist, das international erfolgreiche Format auch in Deutschland auf den Bildschirm zu bringen“, sagt Vox-Chefredakteur Kai Sturm. Immer mehr Menschen hätten Lust, mit ihrem eigenen Geschäft durchzustarten, und es gebe mehr Respekt vor Unternehmertum.
Wie groß die Erwartungen sind, zeigt die Platzierung zur Hauptsendezeit um 20.15 Uhr. „Vielleicht werden einige Zuschauer durch ,Die Höhle der Löwen‘ überrascht sein, wie aufregend die trocken wirkende Wirtschaftswelt sein kann“, hofft Sturm.
Deutsche Inkubatoren für Startups
Im Inkubator CoLaborator können sich sechs Start-ups einmieten. Nur im Accelerator-Programm gibt Bayer Geld und erhält dafür ein Recht auf Anteile.
Geld für Startups: 50.000 Euro
Firmenanteile für Bayer: Verhandelbar
In das Accelerator-Programm werden drei Mal pro Jahr bis zu zehn Start-ups aufgenommen.
Geld für Startups: 25.000 Euro
Firmenanteile für Springer: 5 Prozent
geförderte Startups bisher: 26
Die Telekom fördert in ihrem Inkubator Hub:raum bis zu zehn Startups. Im Accelerator-Programm gibt es kein Geld und keine Anteile Geld für Start-ups bis 300.000 Euro.
Firmenanteile für Telekom: 10 bis 15 Prozent
geförderte Startups bisher: 42
Tatsächlich ist der mögliche Lerneffekt groß – für die Zuschauer und die Start-ups. Denn es geht bei der „Höhle der Löwen“ nicht darum, statt Möchtegern-Sängern nun überambitionierte Nachwuchsunternehmer zur Schnecke zu machen. Wenn Schweizer beispielsweise den nerdigen Hamburger Limonade-Machern, die eine Alternative zum Szenegetränk Club-Mate brauen, in drei Minuten vorrechnet, wie sie ihren Wareneinsatz kalkulieren und eine realistische Unternehmensbewertung ermitteln müssten, vermittelt die Show ganz nebenbei mehr über den Kern von Unternehmertum, als heutzutage die meisten Abiturienten in der Schule darüber lernen.
Finanzierung ist eine der größten Hürden
Während einige Gründer schlecht wegkommen, überzeugen andere die Jury. In einem Fall beschließen Öger, Schweizer und Wischhusen nach kaum einer halben Stunde, 180 000 Euro für eine 30-Prozent-Beteiligung zu investieren.
Die Finanzierung ist für viele Start-ups eine der größten Hürden, obwohl in Deutschland eigentlich genug Kapital vorhanden ist. „Das Problem ist, wie man das alte Geld an die neuen Leute bringt“, sagt Sanja Stankovic, Mitbegründerin der Initiative Hamburg Start-ups. Sie hat daher eine Veranstaltung organisiert, um Gründer und Investoren zusammenzubringen – auf der Hamburger Reeperbahn. Doch nicht nur auf der hanseatischen Partymeile wird versucht, Hochschulabsolventen zur Firmengründung zu ermutigen und frisch gestartete Jungunternehmer mit Mentoren oder Investoren zusammenzubringen. Welche außergewöhnlichen Veranstaltungen außerdem für Gründer und Geldgeber von Interesse sind, lesen Sie auf den folgenden Seiten.
Janker statt Jackett
Venture Wiesn
Der berühmte Pitch vor Investoren, also die Kurzpräsentation der eigenen Geschäftsidee, bescherte schon so manchem Gründer schlaflose Nächte. Einmal im Jahr drehen Harald Siebenweiber und seine Mitstreiter den Spieß um: Auf der Venture Wiesn müssen Investoren in 90 Sekunden um die versammelten Gründer werben. Als zusätzliche Hürde halten die Macher noch Schilder mit bayrischen Begriffen wie gschert (unanständig) oder hamma ned (haben wir nicht) hoch, die die Geldgeber in ihren Vortrag einbauen müssen.
Ganz so ernst wie andere Pitches darf man das natürlich nicht nehmen, doch auch hier geht es darum, Geldgeber und Gründer zusammenzubringen. „Wir wollen dafür aber eine möglichst spielerische Atmosphäre schaffen“, sagt Siebenweiber, Geschäftsführer vom Start-up Contigua, das die App 10stamps entwickelt hat, die Stempelkarten zum Sammeln von Treuepunkten aufs Smartphone bringt.
Eigentlich wollte Siebenweiber 2011 gemeinsam mit anderen Gründern aus dem Entrepreneurship Center der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität ein Sommerfest organisieren, daraus wurde jedoch eine Gründerveranstaltung beim Oktoberfest. Etwa 300 Teilnehmer kommen jedes Jahr, darunter Manager bekannter Geldgeber wie Seven Ventures oder Carsten Maschmeyers Investmentgesellschaft Alstin. Zum lockeren Ambiente trägt auch bei, dass die meisten Teilnehmer in Lederhose und Trachtenjanker statt Anzug oder Kapuzenpulli erscheinen. Anfangs standen noch leichte Abwandlungen populärer Wiesn-Sportarten auf dem Programm: Statt Maßkrugstemmen und Hau den Lukas gab es Finanzierung-Stemmen oder Schaff den Exit. Inzwischen wurde der Unterhaltungsteil zurückgefahren. „Wir wollten nicht so viel Programm, damit mehr Zeit für Gespräche bleibt“, sagt Siebenweiber.
E-Entrepeneurship Flying Circus
Vermutlich wird Tobias Kollmann Anfang Oktober wenig schlafen. Der Professor für BWL und Wirtschaftsinformatik von der Universität Duisburg-Essen tourt dann zwei Wochen durch die Republik – in einem Reisebus über Köln, Hamburg, Berlin, Dresden und Erlangen nach Stuttgart. Mit seinem „E-Entrepreneurship Flying Circus“ will er an sechs Hochschulen haltmachen und Studenten fürs Gründen begeistern. Mit dabei: etwa 60 Unternehmer, Investoren, Politiker und Wissenschaftler. In Diskussionsrunden soll es darum gehen, warum es in Deutschland keine digitalen Konzerne wie Facebook oder Google gibt und vor allem: weshalb es sich gerade hier und heute lohnt, ein Internet-Start-up aufzubauen.
Start-up-Touren durch einzelne Städte oder Regionen sind beliebt – auch die WirtschaftsWoche bietet eine Reise durch die Berliner Szene an (siehe Infobox).
Wiwo Startup-Tour
Von Gründern kann man viel lernen: wie sie neue Geschäftsideen entwickeln und erfolgreich umsetzen, wie sie Partner finden und eine moderne Unternehmenskultur aufbauen. Diese Themen standen bei der ersten Start-up-Tour der WirtschaftsWoche im Mittelpunkt. Bei Besuchen von Unternehmen wie 6wunderkinder, Zalando oder dem Inkubator Rocket Internet und einem Netzwerkabend kamen Leser mit Gründern und der WirtschaftsWoche-Chefredaktion ins Gespräch. Nach dem gelungenen Auftakt findet die Start-up-Tour am 9./10. Oktober erneut statt. Alle Informationen zum Programm und zur Anmeldung finden Sie unter wiwo.de/startup
Kollmanns Werbetour fürs Gründertum startet im Oktober und könnte zeitlich besser kaum passen: Das Bundesbildungsministerium hat das Wissenschaftsjahr 2014 unter die Überschrift „Die digitale Gesellschaft“ gestellt und fördert die Bustour. Doch Kollmann will nicht nur Studenten zu Gründern konvertieren, bevor sie eine klassische Konzernkarriere einschlagen. Er will auch, dass in Deutschland weitere Lehrstühle für E-Entrepreneurship entstehen, um das Fach an den Unis besser zu verankern. Würde das geschehen, wären lange Bustouren nicht mehr nötig.
Gute Karten für Gründer
Gründerpokern
Dass Philipp Maximilian Scharpenack diesen Sommer so viel zu tun hat, verdankt der Unternehmer seinen eigens organisierten Pokerrunden. Der Gründer baut derzeit das Start-up Suckit auf, das Longdrinks in kleinen Tütchen herstellt und vertreibt – Cocktails zum Selbsteinfrieren und Lutschen. Im Juni 2013 startete er mit der Idee – inzwischen sind die „Frozen Cocktails“ in 200 Läden und im Netz erhältlich. Unterstützt wird er von Inga Koster und Marco Knauf, die in Bonn den Smoothiehersteller true fruits hochgezogen haben. Die drei lernten sich am Pokertisch kennen, genauer gesagt: beim Gründerpokern.
Diese Veranstaltung findet mehrmals im Jahr in deutschen Großstädten statt. Das Konzept ist so simpel wie erfolgreich: Gründer lernen sich bei einem Pokerturnier kennen – zwischendurch gibt es ein Buffet und kalte Getränke, am Ende erhalten die besten Spieler Sachpreise.
„Wir haben gemerkt, dass man bei den klassischen Networking-Veranstaltungen immer mit denselben Leuten herumsteht“, sagt Scharpenack, der das Gründerpokern zusammen mit dem Kölner Unternehmer Philipp Mühlbauer 2010 gestartet hat. „Dabei sind diejenigen, die du noch nicht kennst, vielleicht viel interessanter für dich.“ Beim Gründerpokern wird die Sitzordnung an den Tischen ausgelost. Wer während des Turniers ausscheidet, trifft auf andere Gründer oder Investoren, mit denen er ins Gespräch kommen kann.
Das Konzept hat sich auch finanziell behauptet: Inzwischen haben Scharpenack und Mühlbauer mehr als zehn Mal Gründer zum Pokerabend geladen. Die Tickets zu etwa 60 Euro decken die Kosten von rund 7000 Euro pro Abend. Unterm Strich konnten die Gründer sogar ein kleines Plus verzeichnen – genug, um sich eigene Pokertische zu kaufen. Das hat sie auf eine weitere Idee gebracht: Zusammen mit Ronja Heinz, der Schwester des ehemaligen Poker-Weltmeisters Pius Heinz, vermieten sie Tische an Firmen und organisieren Pokerturniere für Unternehmen.
Auch das Konzept Gründerpokern soll weiter ausgebaut werden. In Zukunft wollen sie neben dem Netzwerken mehr Inhalt bieten – etwa Diskussionsrunden, Pokerschulungen oder Gespräche mit Investoren. Allerdings erst nach dem Sommer, denn im Moment hat Scharpenack mit seinen gefrorenen Longdrinks genug zu tun.
Startups@Reeperbahn
Die Suche vieler Start-ups nach potenten Investoren hat Sanja Stankovic schon häufig an Prostitution erinnert. Als die Mitbegründerin der Initiative Hamburg Startups dann 2013 ein Gründerevent im Rahmen des Hamburger Reeperbahnfestivals plante, kam ihr die Idee, Gründer und Geldgeber gleich im passenden Ambiente zusammenzubringen. Und so fand sich Philipp Baumgaertel vom Start-up Protonet mit potenziellen Investoren in einem Stundenhotel wieder. „Da stand ein Piccolo bereit“, erinnert sich Baumgaertel, „durch die Atmosphäre war das Eis gleich gebrochen.“
Das außergewöhnliche Event kam bei Gründern und Geldgebern so gut an, dass in diesem September erneut Treffen in intimem Ambiente stattfinden. Denn wie das große Vorbild, das South-by-Southwest-Festival in Austin, Texas, soll das vor neun Jahren als Musikveranstaltung gestartete Reeperbahnfestival zu einem wichtigen Treffpunkt der Digitalwirtschaft werden.
Dabei gibt es nur ein Problem: Das Hotel vom vergangenen Jahr wurde kürzlich abgerissen. Weil alternative Etablissements zu weit von den anderen Veranstaltungsorten entfernt sind, wird Stankovic fünf sogenannte Lovemobile aufstellen. Ganz so authentisch sind die Wohnwagen zwar nicht, „die es auf dem Kiez gibt, waren uns zu abgeranzt“, sagt Stankovic. Doch sie will die gemieteten Wagen zu stilechten Liebesmobilen umrüsten, mit blinkenden Herzen und Aufschriften wie „Start-ups are hot“.
Piraten lassen Hüllen fallen
European Pirate Summit
Die Wände sind bunt besprüht, neben Metallzäunen stehen rostige Autogerippe. Doch die Besucher haben sich keinesfalls auf einen Schrottplatz verlaufen. Wer genauer hinsieht, entdeckt Funken sprühende Roboter und Wasser speiende Saurier aus Eisen. Das Kölner Veranstaltungsgelände Odonien, selbst erklärter „Freistaat für Kunst und Kultur“, ist wie gemacht für eins der angesagtesten Gründerevents der Republik: den European Pirate Summit.
Seit 2011 lockt der Gipfel Jahr für Jahr Hunderte Jungunternehmer an, für die Gründen so abenteuerlich ist wie für Piraten eine Kaperfahrt. Die Analogie stammt von Michael Arrington, dem Gründer des Internet-Portals TechCrunch, der Entrepreneure mit Seeräubern des 17. Jahrhunderts vergleicht: Beide setzen fast alles aufs Spiel, aber haben nur geringe Chancen, einen Schatz zu heben.
Arringtons Vergleich inspirierte Organisator Till Ohrmann, den Piratengipfel ins Leben zu rufen. Er war damals noch Student an der Business and Information Technology School in Iserlohn und wollte eine Veranstaltung aufbauen, um selbst mit Investoren ins Gespräch zu kommen.
Zusammen mit dem Unternehmer Manuel Koelman entwickelte der damalige Student die Idee zum Pirate Summit.
Auf einer Holzplanke, die den Charme eines Schiffdecks versprüht und als Bühne dient, pitchen nicht nur Start-ups um Investoren, sondern auch umgekehrt. An Bord geht es um Erfolg genauso wie ums Scheitern. „Wir wollen, dass die Leute die Hüllen fallen lassen und darüber reden, was beim Gründen weh tut“, sagt Ohrmann, „damit andere daraus lernen.“
Der Zuspruch für die Veranstaltung ist gewaltig. Die Organisatoren verlängern den diesjährigen Gipfel von zwei auf fünf Tage. Ohrmann erwartet mehr als 2000 Teilnehmer und peilt zum ersten Mal einen kleinen Profit an. Gewinne liefert inzwischen auch eine zweite Veranstaltungsreihe, die Ohrmann mit Koelman gestartet hat: die sogenannten Exec I/O-Konferenzen, die mehrmals im Jahr überall in Deutschland stattfinden. Dabei treffen Jungunternehmer mit etablierten Konzernlenkern zusammen. Beide Seiten tauschen sich zu Themen wie Finanzen, Handel oder Mobilität aus. „Nach jedem Pirate Summit sind Konzerne auf uns zugekommen, weil sie mit Technologie-Start-ups in Dialog treten wollen“, erzählt Ohrmann, „das wurde irgendwann so laut, dass uns klar war: Wir müssen etwas tun.“