Deutschland Was für erfolgreiche Gründungen wichtig ist

Quelle: imago images

Die Deutschen machen sich seltener selbstständig. Schnell wird der Ruf nach finanziellen Unterstützungsmaßnahmen laut. Doch Gründen um jeden Preis ist sinnlos. Was die Wirtschaft wirklich braucht, ist etwas anderes.

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Prof. Dr. Friederike Welter ist Präsidentin des Instituts für Mittelstandsforschung (IfM) Bonn. Zugleich hat die Ökonomin den Lehrstuhl für Management von kleinen und mittleren Unternehmen und Entrepreneurship an der Universität Siegen inne.

Die Zahl der Selbstständigen in Deutschland geht zurück. Insbesondere im gewerblichen Bereich wagen immer weniger Erwerbstätige den Schritt in die eigene Existenz. Mangelt es unserer Gesellschaft an Risikobereitschaft? Müssen wir auf Dauer um das Wohl unserer Volkswirtschaft fürchten?

Wohl nicht. Ein wesentlicher Grund für den Rückgang der Existenzgründungen liegt in der positiven Arbeitsmarktentwicklung. Qualifizierte Erwerbstätige finden ausreichend attraktive Beschäftigungsmöglichkeiten und ziehen daher eine Festanstellung der Selbstständigkeit vor. Entsprechend sind Gründungen aus der Not heraus deutlich seltener als noch vor zehn Jahren.

Gleichwohl beäugen viele politisch Verantwortliche die rückläufigen Gründungszahlen kritisch. Schließlich gelten Unternehmensgründungen und junge Unternehmen als Impulsgeber für die Modernisierung der Wirtschaft, denn durch ihre Innovativität erhöhen sie den Wettbewerbsdruck für die etablierten Unternehmen. In der Folge sind diese gezwungen, selbst neue Produkt- beziehungsweise Dienstleistungsangebote zu entwickeln oder neue Technologien einzusetzen. Wem das nicht gelingt, der scheidet aus dem Markt aus.

Auf den ersten Blick überrascht es also nicht, wenn angesichts der rückläufigen Gründungszahlen unter anderem finanzielle Unterstützungsmaßnahmen gefordert werden. Doch eine Stimulierung des Gründungsgeschehens um jeden Preis ist nicht sinnvoll. Denn nicht immer gehen von (Neu-)Gründungen tatsächlich auch positive Wachstumsimpulse aus.

Entsprechend ist auch die Formel "Mehr Gründungen führen zu mehr Wirtschaftswachstum" nicht per se richtig, wie jüngst eine Studie des IfM Bonn sehr anschaulich nachgewiesen hat. Darin wurde der Einfluss des Gründungsgeschehens auf die wirtschaftliche Entwicklung in den 402 deutschen Kreisen und kreisfreien Städten untersucht.

Natürlich gibt es Regionen, in denen ein aktives Gründungsgeschehen mit einem hohen Wirtschaftswachstum beziehungsweise wenige Gründungen mit niedrigem Wachstum einhergehen. Und natürlich weisen städtische Kreise durchschnittlich höhere Gründungsraten auf als ländliche Gebiete. Gleichwohl gibt es aber auch zahlreiche Gebiete in Deutschland, in denen das Wirtschaftswachstum trotz regem Gründungsgeschehen dauerhaft unterdurchschnittlich bleibt. Dagegen stehen anderenorts Kreise trotz geringer Gründungsraten wirtschaftlich sehr gut da.

Dafür gibt es mehrere Gründe. Generell betrachtet wirkt sich der Markteintritt junger Unternehmen zweifellos positiv auf die wirtschaftliche Entwicklung einer Region aus. Dieser Effekt sinkt jedoch, je höher die Gründungsraten steigen. So ist beispielsweise in Metropolen wie Berlin, München oder Hamburg zu beobachten, dass Neugründungen durch den hohen Wettbewerbsdruck häufig nicht lange am Markt bestehen. Schließlich bringen strukturstarke, urbane Regionen auch Standortnachteile mit sich wie beispielsweise hohe Mietpreise oder fehlende Büro- und Gewerbeflächen.

Aber auch in einer Kleinstadt wirkt es sich nicht positiv auf das Wirtschaftswachstum aus, wenn beispielsweise zu den bereits bestehenden drei Nagelstudios ein weiteres hinzukommt. Oder anders ausgedrückt: Wenige Neugründungen, die sich durch einen innovativen Charakter beziehungsweise durch eine hohe Beschäftigungsnachfrage auszeichnen, beflügeln die wirtschaftliche Entwicklung einer Region stärker als viele junge Unternehmen, deren Produkt- und Dienstleistungsangebote nur zu einer Verschiebung der Nachfrage führen. Die Qualität der Gründung ist also entscheidend. Das Problem: Im Vorfeld ist diese in der Regel kaum zu identifizieren.

Der negative Effekt lässt sich aber auch für Regionen mit Branchenclustern wie dem Großraum Stuttgart aufzeigen: Die dort angesiedelten Autokonzerne und die Hochschulen begünstigen zwar Gründungen, weil dadurch ein hohes spezifisches Fachwissen und viele Fachkräfte vorhanden sind. Der Wettbewerbsdruck unter den Automobilzulieferern führt jedoch zugleich dazu, dass unter Umständen etablierte Unternehmen von innovativen Gründungen verdrängt werden, die aber selbst auf Dauer nicht am Markt bestehen können. Auch in diesem Fall sind daher die Impulse, die vom Markteintritt junger Unternehmen für die Wirtschaftsregion ausgehen, nur von begrenzter Dauer.

All das erschwert die Gründungsunterstützung auf regionaler und lokaler Ebene. Aber wenn direkte, finanzielle Fördermaßnahmen aufgrund der sogenannten Crowding-out-Problematik nicht empfehlenswert sind, was hilft stattdessen? Eine erfolgversprechende Gründungsförderung auf regionaler und lokaler Ebene ist in erster Linie Standortpolitik – und damit rahmenorientiert. Dazu gehört natürlich eine gute ausgebaute Infrastruktur und im besten Fall auch "E-Government", das den Gründern ermöglicht, alle notwendigen Formalitäten elektronisch abzuwickeln. Dazu gehört aber auch, dass die Wirtschaftspolitiker die spezifischen Standortfaktoren wie beispielsweise regionale Gegebenheiten oder Branchenstruktur in die Vorüberlegungen einbeziehen und die Rahmenbedingungen entsprechend gestalten.

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