Die Höhle der Löwen „Billigwerkzeuge werden früher oder später vom Markt verschwinden“

Mit ihrem Toolbot will das Start-up Thingk Systems es erleichtern, Profiwerkzeuge auszuleihen. Quelle: PR

Hilfe für Hobby-Handwerker: Mit ihrem Toolbot will das Start-up Thingk Systems  es erleichtern, Profiwerkzeuge auszuleihen – und so nebenbei die Umwelt entlasten. Die Technik wurde von den Löwen gelobt. Doch statt einem Investment gab es Kritik am Geschäftsmodell. Wie ging es weiter?

  • Teilen per:
  • Teilen per:

Eine Art Packstation für den Profibohrer: Das in Cottbus gegründete Start-up Thingk Systems entwickelt eine automatisierte Verleihstation für hochwertige Werkzeuge. Nutzer können sich beim Toolbot stundenweise und per App Maschinen wie Bohrhämmer, Stichsägen oder Trennschleifer leihen. Die Idee: Die Ausleihe soll für Nutzer günstiger sein als die Anschaffung von billigen Werkzeugen – und nachhaltiger für die Gesellschaft, weil viele Geräte ansonsten kaum genutzt in Kellerregalen verstauben. In Cottbus, Berlin und Kassel finden sich heute bereits die Anlagen des Start-ups. In der „Höhle der Löwen“ wollte das Gründerteam aus Jan Gerlach, Christian Lehmann, Mario Drelas und Krispin Schulz für zehn Prozent am Unternehmen 500.000 Euro. Die prominenten Investoren lobten die ausgefeilten Tüfteleien als „fähige Baumeister“, aber übten scharfe Kritik am Geschäftsmodell. Dagmar Wöhrl nannte die kapitalintensiven Stationen etwa „Geldschluckmaschinen“. Geld gab es in der Sendung nicht. Aufgegeben aber hat Thingk Systems nicht, wie Jan Gerlach im Interview berichtet. Ganz im Gegenteil. Das Team hat nicht nur an den Verleihschränken ordentlich geschraubt.

WirtschaftsWoche: Die meisten Bohrmaschinen für Heimwerker werden laut Studien über ihr ganzes Leben nicht mehr als eine Viertelstunde benutzt. Trotzdem hat sich noch kein Sharing-System erfolgreich etabliert. Woran liegt das?
Jan Gerlach: Ich bin überzeugt: Billigwerkzeuge werden früher oder später vom Markt verschwinden. Alle diese Dinge, die wir selten benötigen, können heute sehr billig gekauft werden – und werden dann irgendwo gelagert. Das wird aufhören, sobald die Ressourcen knapper werden und Dinge wie Kohlendioxidemissionen in der Produktion entsprechend bepreist werden. Daher braucht man in Zukunft Systeme, die den Transfer und den Austausch von hochwertigeren Produkten automatisieren und erleichtern. Für uns ist es daher nicht die Frage, ob diese Entwicklung kommt – sondern nur, wann.

Wo sehen Sie denn in Zukunft geeignete Orte für die automatisierte Werkzeugausleihe?
Wir müssen mit dem Toolbot dahin, wo viele Menschen sind. So sind wir in einer Galeria-Filiale in Kassel vertreten. Die Stadt hätten wir uns selbst vielleicht nicht als erstes ausgesucht, aber die Möglichkeit ist interessant: Da wird getestet, ob in den großen Kaufhäusern mitten in den Städten nicht auch andere Dienstleistungen angeboten werden können. Ein anderes spannendes Projekt: Die Deutsche Bahn hat Cottbus zu einem Zukunftsbahnhof auserkoren, in dem neue Angebote getestet werden sollen. Solche Verkehrsknotenpunkte bieten ebenfalls sehr geeignete Standorte, weil die Menschen, die unsere Zielgruppe sind, eh immer wieder vorbeikommen.

Wie wollen Sie denn die Kunden überhaupt erreichen?
Deshalb waren wir in der „Höhle der Löwen“. Das  Marketing hatten wir anfangs unterschätzt, das muss ich ehrlich sagen. Wir haben uns zu Beginn sehr stark auf die Technologie konzentriert. Aber wir bauen ja ein Produkt, das per Definition nur sehr wenig benutzt wird. Umso wichtiger ist es, dass wir wirklich viele Menschen erreichen.

Einige Baumarktketten haben mittlerweile ähnliche Systeme entwickelt, zum Teil in Kooperation mit Start-ups. Haben Sie keine Sorge vor der Konkurrenz?
Wir sehen unseren größten Unterschied darin, dass wir technologisch weiter sind. Wir haben etwa eine automatisierte Vollständigkeitserkennung in den Werkzeugkisten, so dass die Stationen in der Regel autonom arbeiten – und Mitarbeiter nur alle zwei Wochen zum Check vorbeikommen. Deswegen, und weil unsere Stationen viel weniger Platz brauchen, sind die Leihkosten letztlich auch viel günstiger. Und unsere neuesten Stationen kommen mit einem Verbrauchsmittelautomat, so dass die Nutzer direkt alles kaufen können, was sie für ihr Projekt brauchen – seien es Bits oder Schleifpapier.

Von den TV-Investoren gab es durchaus scharfe Kritik an Ihren Businessplänen – und kein Investment. Waren Sie enttäuscht?
Große Erwartungen hatten wir nicht. Unser Gefühl war, dass viele der Löwen vor allem nach Investments suchen, bei denen sie direkt die große Öffentlichkeit der Sendung nutzen können.

Warum hatten Sie den Auftritt dann trotzdem gewagt?
Wir hatten im Hinterkopf, dass die Sendung irgendwann ausgestrahlt wird, wenn wir ein ganzes Stück weiter sind. Jetzt haben wir ein Franchise-Konzept in der Schublade. Wir setzen darauf, dass es eine Menge Handwerker oder Fachhändler sehen, die vielleicht eine Station bei sich aufstellen wollen. Entweder, um sich einen Nebenerwerb zu sichern. Oder um es aus Überzeugung anzugehen, weil sie von dem Nachhaltigkeitsansatz überzeugt sind. Das ist für uns eine gute Lösung, sodass wir nicht die ganzen Investitionen in unsere Verleihstationen mit eigener Kraft stemmen müssen.

Ist es für mögliche Franchisenehmer nicht sehr aufwendig, so eine Station zu betreiben?
Der Aufbau der Station geht schnell, das können wir an einem Tag erledigen. Und mit Späti-Betreibern in Berlin, wo unsere Verleihstationen heute schon stehen, haben wir das bereits gut erprobt – da gibt es immer mal wieder Menschen, die kein tiefes Verständnis von der Technologie haben. Wir versuchen, den Toolbot dahin zu optimieren, dass Laien sehr einfach damit arbeiten können.

Das stellt Ihr Geschäftsmodell aber auf den Kopf, oder?
Wir sehen uns vorrangig nicht als Betreiber. Wir kommen alle mehr oder weniger aus dem technologischen Bereich, keiner von uns hat einen kaufmännischen Hintergrund. Daher ist unsere Idee, vor allem die Technologie weiterzuentwickeln.

Baufinanzierung Sollte ich auch günstige Kredite schnell tilgen?

Die Zeiten niedriger Zinsen sind vorbei. Was heißt das für Kreditnehmer, deren Immobiliendarlehen einen niedrigen Zins hat? Sollen sie bei Geldzufluss trotzdem maximal viel tilgen?

Gehalt „In Unternehmen macht sich eine Vollkaskomentalität breit“

In deutschen Unternehmen herrscht ein verqueres Leistungsdenken, sagt Interimsmanager Ulvi Aydin. Er schlägt vor, den Teamgedanken zu hinterfragen – und High Performern mehr zu zahlen als ihren Chefs.

Wohnraum-Mangel? Von wegen Neubaukrise: Hier wird zu viel gebaut

Immer wieder heißt es, es werde zu wenig gebaut. Tatsächlich gilt das jedoch nur für wenige Teile Deutschlands. An den meisten Orten wird sogar zu viel gebaut, wie der Blick in die Regionen zeigt.

 Weitere Plus-Artikel lesen Sie hier

Welche Ideen schweben Ihnen da vor?
Die Stationen lassen sich ja nicht nur für den Verleih von Werkzeugen einsetzen, sondern für ganz andere Produkte. Und die Technologie, die wir entwickeln, kann noch für viele weitere Zwecke verwendet werden. So haben wir zwischenzeitlich eine Version für ein Mikrodepot einer Baumarktkette entwickelt, in der ganze Paletten reingeschoben werden können. Und unser System läuft jetzt in einem sogenannten Colab, in dem Nutzer sich für einzelne Stunden Geräte wie einen 3D-Drucker freischalten können – und die Maschinen auch im Voraus reservieren können.

Haben Sie keine Sorge, sich mit all diesen Unterfangen zu verzetteln?
Unser System ist sowohl bei Hardware und Software sehr modular aufgebaut. Dadurch können wir zusätzliche Entwicklungen, die wir vielleicht für den Toolbot gar nicht auf dem Schirm haben, dort einfließen lassen. So wirkt sich diese Arbeit positiv aus. Für uns hat sich dieses Vorgehen als richtig herausgestellt. Schon in der Sendung war der Toolbot im Groben fertig – aber bis heute sind wir dabei, ihn immer weiter zu verbessern. Das ist eine langwierige Sache. Und da ist es gut, ein weiteres Standbein zu haben.

Lesen Sie auch: „Myhammer interessiert nur der eigene Profit“

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%