Die Höhle der Löwen „Wer weiß, vielleicht wird daraus noch ein Vollzeit-Job“

V.l.: Michael Lanzinger, Katharina Bisset, Philipp Omenitsch und Thomas Schreiber Quelle: RTL / Bernd-Michael Maurer

Das Start-up Netzbeweis will dazu beitragen, Hasskommentare auf Online-Plattformen einzudämmen. In der TV-Sendung kam das Vorhaben gut an – obgleich die Gründer noch keinen Business-Plan vorweisen konnten.

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Die Palette reicht von Beleidigungen bis hin zu Morddrohungen: Hasskommentare in sozialen Netzwerken häufen sich. Doch die Strafverfolgung scheitert mitunter daran, dass die verletzenden Postings später wieder gelöscht werden und dann Beweise fehlen. Ändern will das Netzbeweis – ein österreichisches Start-up, das zwei Juristen und zwei Informatiker im Nebenberuf gegründet haben. Die Idee: Der Online-Dienst erstellt per Link oder mit einer Erweiterung für Internetbrowser Screenshots und speichert diese in einem elektronisch signierten Dokument.

Bei „Die Höhle der Löwen“ gab es für die Idee viel Lob, doch die Investoren zweifelten am Geschäftssinn der Gründer. Nils Glagau und Carsten Maschmeyer wollten dennoch 15 Prozent der Firmenanteile für 90.000 Euro kaufen – und stellten noch in der Sendung einen Scheck aus. Nico Rosberg sicherte zu, darüber hinaus 10.000 Euro zu spenden. Im Interview verrät Mitgründerin Katharina Bisset, ob es bei dem Deal blieb, wie das Start-up nun Geld verdienen will und warum ihr die Gründungserfahrung auch bei ihrer Arbeit als Anwältin hilft.

WirtschaftsWoche: Frau Bisset, Sie sind außer mit einer Investitionszusage von Carsten Maschmeyer und Nils Glagau mit einem Scheck aus der Sendung gegangen. Haben Sie den gleich eingelöst?
Katharina Bisset: Nein, das haben wir uns nicht getraut. Nach der Sendung hatten wir Kontakt zu den Teams der beiden Investoren und haben uns entschlossen, alles in geordnete Bahnen zu lenken. Es gab also eine ganz normale Due-Dilligence-Prüfung. Aber die Löwen haben ihr Versprechen gehalten: Es sind jetzt tatsächlich sowohl Carsten Maschmeyer als auch Nils Glagau bei uns als Gesellschafter an Bord. Und die Spende von Nico Rosberg ist auch angekommen.

Die Sendung ist schon vor einem Jahr aufgezeichnet worden. Wie haben die „Löwen“ Sie über das Geld hinaus weitergebracht?
Von der Expertise der Profis haben wir sehr profitiert: Es gab Vertriebs- und Social-Media-Schulungen von Maschmeyers Team, Nils Glagau hat uns vor allem bei Marketingfragen weitergebracht. Überhaupt haben wir erst durch die Investoren eine richtige Business-Perspektive bekommen. Vor der Sendung hatten wir uns gar nicht groß Gedanken über die geschäftliche Seite gemacht. Wir hatten vor allem technische und juristische Details im Blick. Als wir von der „Die-Höhle-der-Löwen“-Redaktion angesprochen worden sind, waren wir gerade einmal zwei Wochen online.

Sie versprechen mit Netzbeweis, Hasskommentare und Rechtsverletzungen in sozialen Netzwerken rechtssicher zu dokumentieren. Tut es nicht auch ein einfaches Bildschirmfoto?
Das Problem ist, dass in einem Screenshot mitunter wichtige Angaben fehlen. Dazu gehören etwa die Internetadresse, die genauen Veröffentlichungsdaten des betreffenden Kommentars und der Kontext. Das alles sichern wir in einer PDF-Datei, die elektronisch signiert ist. Rechtlich handelt es sich bei unserem PDF zwar auch um einen „Augenscheinbeweis“, den ein Richter akzeptieren kann oder auch nicht. Aber bei der Argumentation vor Gericht hilft es, wenn der Screenshot von unabhängiger Stelle erstellt worden ist. Bei uns ist sichergestellt, dass die Bildschirmfotos nicht im Nachhinein mit Photoshop bearbeitet werden können.

Sie sind mit einer kostenlosen Version gestartet, die sich an alle richtet, die von Hasskommentaren oder Cybermobbing betroffen sind. Warum liegt Ihnen das Thema so am Herzen?
Ich habe als Schülerin selbst Mobbing erfahren, seitdem bin ich für das Thema sensibilisiert. Als Studentin habe ich dann für Saferinternet gearbeitet – eine Initiative hier in Österreich, die unter anderem Jugendlichen bei Cybermobbing hilft. Die Fälle waren zum Teil sehr aufwühlend. Da gab es beispielsweise eine Schülerin, die einem Jungen aufreizende Fotos geschickt hat. Der hat sie mit den Bildern dann erpresst, ihr noch freizügigere Bilder zu schicken. In einem anderen Fall ist ein Schüler verprügelt worden und ein Video davon kursierte in sozialen Netzwerken. Es passieren viele grausige Dinge. Gerade für Kinder und Jugendliche kann das extrem belastend sein. Aber auch an Erwachsenen geht es nicht spurlos vorbei, wenn sie beschimpft, beleidigt und bedroht werden.

Mit Netzbeweis unterstützten Sie technisch – aber dennoch scheuen doch viele Betroffene den Gang zum Anwalt, oder?
Deswegen sind Beratungsstellen so wichtig. Wir haben auf unserer Seite eine Reihe von Initiativen verlinkt, die zum Teil auch die Prozesskosten finanzieren. Ich finde es wichtig, dass man zumindest probiert, sich zur Wehr setzen. Je mehr Leute das tun, desto eher werden sich die Täter überlegen, was sie im Internet tun. Vielen ist gar nicht klar, dass ihre Handlungen strafbar sind und sie eine mehrere tausend Euro teure Abmahnung riskieren.

Manche ehrenamtlichen Initiativen sind jetzt schon überlastet. In Deutschland haben gerade die Macher von Hassmelden angekündigt, eine Pause einzulegen. Müsste die Politik nicht Plattformbetreiber noch stärker in die Pflicht nehmen?
Grundsätzlich denke ich schon, dass die Plattformen mehr tun könnten. Aber ein Stück weit muss ich die Anbieter auch in Schutz nehmen: Es ist extrem schwierig, die richtige Balance zu finden zwischen der Löschung beleidigender Inhalte und der freien Meinungsäußerung. Hinzu kommt, dass soziale Medien wie Facebook sich in ganz unterschiedlichen Rechtsordnungen bewegen. Letztlich kann man das Problem kaum mit Algorithmen in den Griff bekommen, sondern muss sich die Einzelfälle angucken.

Geld verdienen soll Netzbeweis mit einer kostenpflichtigen Version für Anwälte. Gibt es da tatsächlich einen großen Bedarf?
Davon bin ich überzeugt. Ich kenne das aus meiner eigenen Arbeit in Kanzleien: Weil ich immer die IT-affinste war, war es oft mein Job, mutmaßliche Rechtsverstöße im Internet zu dokumentieren. Da bekam ich Handy-Screenshots von Mandaten und musste das irgendwie nachvollziehen. Dann hantiert man mit verschiedenen Tools, kopiert die Bildschirmfotos in eine Word-Datei und muss das Ganze noch ansprechend formatieren. Das hält unglaublich auf – und ist auch fehleranfällig.

Wie nutzen Ihre Firmenkunden die Software?
Je bekannter wir werden, desto mehr Verwendungszwecke kommen auf. Am Anfang ging es oft um die Dokumentation von Persönlichkeits- und Urheberrechtsverletzungen. Im Familienrecht kann das Tool genutzt werden, um beispielsweise einen Chatverlauf in WhatsApp für einen Scheidungsprozess zu nutzen. Im Arbeitsrecht geht es vielleicht darum, zu dokumentieren, dass ein Mitarbeiter Geschäftsgeheimnisse bei Facebook ausgeplaudert hat. Auch Behörden haben schon bei uns angefragt – da geht es um den positiven Beweis: Sie wollen dokumentieren, dass sie Veröffentlichungspflichten rechtzeitig nachgekommen sind.

Wie geht es für Ihr Start-up nun weiter?
Wir haben eine lange Liste mit Funktionen, die sich unsere Nutzer noch wünschen. Daran arbeiten wir. Außerdem wollen wir unseren Dienst international anbietet. Unsere elektronische Signatur ist EU-weit gültig, das erleichtert vieles. Meine Vision ist, dass Netzbeweis irgendwann zum Synonym für die Beweissicherung im Internet wird.

Bleibt es denn dabei, dass Sie und Ihre Mitgründer Netzbeweis nebenbei betreiben?
Die Anteile haben sich durch die Finanzspritze schon stärker verschoben. Mein Mitgründer Thomas Schreiber zum Beispiel hat seine Stundenzahl im Angestelltenverhältnis reduziert, um sich stärker um Netzbeweis zu kümmern. Ich verbringe auch sehr viel mehr Zeit mit Netzbeweis, als ich geplant habe. Wer weiß, vielleicht wird daraus noch ein Vollzeit-Job. Im Moment kann ich mir aber nicht vorstellen, gar nicht mehr als Rechtsanwältin tätig zu sein. Dafür mache ich das zu gerne.

Hat sich bei Ihnen die Arbeit in der eigenen Kanzlei gewandelt, seit Sie auch Gründerin eines Software-Start-ups sind?
Ich behaupte, dass ich als Anwältin ohnehin eher etwas unkonventionell unterwegs bin. Das ganze Juristengehabe ist nicht so mein Ding, ich war eigentlich immer eher der Technik-Nerd. Mit meiner Kanzlei habe ich mich deswegen auf Start-ups und Technologieunternehmen spezialisiert, das passt inhaltlich am besten. Seit der Gründung von Netzbeweis kann ich viel besser nachvollziehen, welche Sorgen meine Kunden so umtreiben – und warum nicht immer alles gleich so gemacht wird, wie es die Frau Anwältin empfiehlt.

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Sie haben mit „Nerds of Law“ schon vor Netzbeweis eine Digitalisierungs-Beratung für Kanzleien gegründet. Gibt es in der Branche immer noch Berührungsängste zu neuen Technologien?
Leider ist das tatsächlich oft noch so. Klar hat jeder Anwalt ein paar Softwaretools, die er eben benutzen muss. Aber dann werden doch noch viele Faxe hin- und hergeschickt und große Aktenordner angelegt. Die Möglichkeiten, Dinge zu automatisieren und zu standardisieren sind noch längst nicht ausgeschöpft.

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